Deutsche Bischöfe gegen religiöse Rechtfertigung für Putin-Krieg
Die deutschen Bischöfe wenden sich gegen eine religiöse Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs. "Es darf keine offene oder indirekte Unterstützung oder Legitimierung des russischen Krieges durch religiöse Akteure geben", erklärte der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gerhard Feige, am Freitag in Bonn. Er forderte insbesondere die Leitung der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats auf, sich deutlich gegen die militärische Aggression Russlands in der Ukraine zu wenden.
Auch müsse die Moskauer Kirchenleitung die vielen Stimmen von Gläubigen, Priestern und Bischöfen in der Ukraine und in Russland berücksichtigen, die sich für ein Ende des Krieges und die Respektierung der ukrainischen Souveränität und der Grenzen des Landes einsetzten, so der Magdeburger Bischof. Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I., hatte die Gegner Russlands zu Beginn der Woche als "Kräfte des Bösen" bezeichnet.
Feige verurteilte die Gewalt und Zerstörung durch die russische Armee in der Ukraine scharf. Er hoffe zutiefst, dass der Krieg bald ein Ende nehme und ein weiteres Blutvergießen verhindert werde, sagte er. "In der Ukraine leiden Gläubige aller Religionen und Konfessionen unter dem Krieg, und ich sehe es als pastorale Verantwortung des Moskauer Patriarchats an, für sie Partei zu ergreifen und einzutreten", sagte der Magdeburger Bischof.
70 Prozent der Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum
Der Bischof verwies auf umfangreiche Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen. Dazu gehöre seit vielen Jahren auch der bilaterale theologische Dialog der katholischen Kirche mit der Russischen Orthodoxen Kirche, in den auch immer Repräsentanten der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchates eingebunden gewesen seien. Feige befürchtet, dass der Krieg auch zu massiven Verwerfungen in den bislang schon komplizierten interkonfessionellen Beziehungen zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche, den anderen orthodoxen Kirchen weltweit, der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche und der römisch-katholischen Kirche führen wird.
Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der eigenständigen Orthodoxen Kirche der Ukraine. Diese entstand Ende 2018 aus dem 1992 gegründeten Kiewer Patriarchat und der 1921 ins Leben gerufenen Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche. Kyrill I. sieht die ihm unterstehende ukrainisch-orthodoxe Kirche in der Ukraine durch die konkurrierende Kirche bedroht.
Auch der Vorsitzende der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in Deutschland, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, äußerte sich mit Blick auf die "innige Beziehung" zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und der politischen Macht in Russland kritisch. Es sei grundsätzlich problematisch, "politische Macht mit theologischen Motiven zu fundieren". Krieg und Gewalt gegen andere könnte nie theologisch gerechtfertigt werden, betonte er am Freitag im "Deutschlandfunk". Angesichts des russischen Krieges in der Ukraine gebe es zudem ein "friedensethisches Dilemma": Einerseits stünden die Kirche und die katholische Friedensethik "immer für eine gewaltfreie Lösung". Andererseits gebe es aber auch die Verpflichtung dazu, Menschen zu helfen, sich zu verteidigen.
"Wir sind schon in dem Dilemma, Menschen dürfen befähigt werden, sich selbst zu verteidigen, ihre Familien, ihre Dörfer und Städte zu verteidigen. Ich glaube, das darf man auch als katholischer Bischof und auch als Friedenethiker sagen", so der Mainzer Bischof. Zugleich müsse man sich jedoch die Frage stellen, inwieweit eine waffenmäßige Verteidigung eine Verhältnismäßigkeit der Mittel gefährde. Derzeit sei es daher wichtig, "alle deeskalierenden Möglichkeiten auszuschöpfen", etwa Sanktionen, Verhandlungen und soziale Hilfen.
"Das Böse darf und wird nicht das letzte Wort haben"
Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck betonte ebenfalls, dass alles getan werden müsse, um nicht noch mehr Opfer zuzulassen. "Es ist deshalb wichtig, dass es erste Schritte gibt, dem anderen zu zeigen, es ist Schluss mit der Gewalt. Es muss jetzt Frieden werden." In diesen Sinn sei auch Deutschland in der Pflicht, "alles dafür zu tun, was wir im Hintergrund tun können, um in diesem Konflikt deeskalierend zu wirken. Aber auch deutlich machen – und das hat die Bundesregierung jetzt auch mit der Lieferung von Waffen getan – dass wir dem ukrainischen Volk beistehen", sagte der Essener Bischof der "Bild"-Zeitung (Freitag). In der "Rheinischen Post" betonte er, die Menschen seien durch den Angriff in einer "neuen Realität" angekommen. "Andere Länder zu erobern, Menschen zu ermorden, Recht zu brechen, die Würde der Menschen mit Füßen zu treten – ein solcher Krieg kann niemals gerecht sein." Es gelte zu bekennen: "Das Böse darf und wird nicht das letzte Wort haben."
In seinem Fastenhirtenbrief rief auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx zum Einsatz für den Frieden auf. Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Krisen in der Welt schreibt er, die Botschaft Jesu von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden richte sich "nicht exklusiv an eine ausgewählte Gemeinschaft, sondern an alle Menschen". Das Gebet um Frieden in der Welt sowie "um Frieden zwischen den Menschen und unsere tatkräftige Hilfe für Menschen, die durch den Krieg bedroht sind, soll uns in der Zeit bis Ostern leiten". (cbr/KNA)