Gastgeber der DBK-Frühjahrsvollversammlung im Interview

Erzbischof Schick: Kirche muss "wirklich geschwisterlich" werden

Veröffentlicht am 07.03.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bamberg ‐ Bambergs Erzbischof Ludwig Schick ist Gastgeber der DBK-Frühjahrsvollversammlung. Zuletzt plädierte er mehrfach für kirchliche Erneuerung und Reformen. Im katholisch.de-Interview erklärt Schick, welche Haltung er sich in der Kirche wünscht und was er von den Debatten mit seinen Mitbrüdern erwartet.

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An diesem Montag beginnt im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Dieses Mal ist es also der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der dazu seine Mitbrüder in seinem Bistum begrüßen darf. Ob Priesterweihe von verheirateten Männern oder Evaluation kirchlicher Leitungsämter nach einer gewissen Zeit: Schick hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach für konkrete Reformen in der Kirche ausgesprochen. Katholisch.de sprach mit ihm über seine Vorschläge, seine Beweggründe sowie über einige weitere Themen, die die Oberhirten und die Gläubigen in Deutschland aktuell besonders beschäftigen – und auch bei der Vollversammlung Gesprächsgegenstand sein werden.

Frage: Herr Erzbischof, der Synodale Weg wird eines der zentralen Themen der Frühjahrsvollversammlung sein. Was genau steht bei den Gesprächen im Vordergrund?

Schick: Wir wollen noch einmal über die vier Foren sprechen und uns damit über die vier Themen – Macht und Vollmacht in der Kirche, priesterlicher Dienst und priesterliche Lebensform, Frauen in der Kirche und ihre Partizipation am kirchlichen Leben und Wirken sowie über die Fragen der Sexualität – austauschen und uns verständigen. 

Frage: Wie kontrovers wird unter den Bischöfen diskutiert werden?

Schick: Ich denke schon, dass es kontroverse Diskussionen geben wird. Das ist normal und kann fruchtbar sein, damit vertiefte, gute und von möglichst vielen akzeptierte Lösungen gefunden werden. Das erhoffe ich mir. Ich fürchte nicht die kontroversen Positionen, allerdings muss die Verständigung das Ziel sein. Eigentlich geht es ja darum, die Kirche zu erneuern, damit sie wirklich das ist, was sie sein soll: eine Lebensgemeinschaft, in der der Glaube gelebt und das Evangelium verkündet wird, in der die Gottesdienste gefeiert werden und auch ein Beitrag für das Gemeinwohl geleistet wird. Die Kirche wird gebraucht, und deshalb ist Erneuerung unbedingt nötig. Der Synodale Weg behandelt dafür wichtige Themen.

Frage: Gerade im Hinblick auf den Reformprozess treten die Konfliktlinien innerhalb des Episkopats immer deutlicher zu Tage. Inwiefern ist da eine einheitliche Linie überhaupt noch möglich?

Schick: Wir haben bei der letzten Synodalversammlung schon einige Texte verabschiedet. Die sind immer mit der nötigen Mehrheit beschlossen worden, auch unter den Bischöfen. Das ist durchaus ein hoffnungsvolles Zeichen. Es gibt immer unterschiedliche Positionen, aber wenn man seine eigene nicht durchbekommt, muss man tolerant genug sein und die Mehrheitsentscheidung hinnehmen. Das ist in einem demokratischen Prozess, aber auch in einer synodalen Kirche eigentlich Voraussetzung.

Frage: Wenn wir einmal weiterschauen: Befürchten Sie also nicht, dass es bei solchen Reformen, für die es keine Zustimmung aus Rom braucht, zu einem Flickenteppich in den deutschen Diözesen kommt?

Schick: Nein, das befürchte ich nicht. Auch wenn es bei manchen Themen unterschiedliche Auffassungen gibt: Ich habe die Hoffnung, dass wir Bischöfe auf einer gemeinsamen Linie bleiben und die wichtigen Reformen gemeinsam durchführen.

Das gelochte Metallkreuz und das Logo des Synodalen Weges
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Symbolbild)

"Es gibt immer unterschiedliche Positionen, aber wenn man seine eigene nicht durchbekommt, muss man tolerant genug sein und die Mehrheitsentscheidung hinnehmen", sagt Erzbischof Schick mit Blick auf die ersten verabschiedeten Texte beim Synodalen Weg.

Frage: Sie selbst sind besonders in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder mit konkreten Änderungsvorschlägen an die Öffentlichkeit gegangen. Beispielsweise plädierten Sie dafür, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Woran liegt das? Hat sich Ihre Denkweise im Blick auf Reformen verändert?

Schick: Eigentlich nicht. Ich habe schon vor zehn Jahren gesagt, dass man darüber nachdenken sollte, bewährte verheiratete Männer zur Priesterweihe zuzulassen. Ich bin aber gleichzeitig nach wie vor der festen Überzeugung, dass es Priester geben muss, die um des Himmelreiches willen zölibatär leben. Ich lehne eine Abschaffung des Zölibats absolut ab. Das kann es auch gar nicht geben. Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen gehört unabdingbar zur Kirche.

Frage: Sie schlagen auch mit Nachdruck vor, dass etwa Bischöfe oder Pfarrer nach einer gewissen Zeit von den entsprechenden Gremien evaluiert werden sollen und ihnen gegebenenfalls eine andere Aufgabe übertragen werden sollte. Sie sagen, kirchenrechtlich wäre das denkbar. Aber wie praktikabel ist das wirklich, weil dabei auch der Papst mitspielen muss – gerade im Blick auf die Bischöfe?

Schick: Dass der Papst mitspielen muss, ist richtig. Aber ich gehe von einer Kirche aus – und das will auch Papst Franziskus mit seinem synodalen Prozess –, in der möglichst viele partizipieren und kooperieren. Sie soll eine wirklich geschwisterliche Kirche werden. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht von der Kirche als "Familie Gottes". Und in einer solchen Kirche sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass man die Amtsträger begleitet und evaluiert – und nach einer bestimmten Zeit entweder zu der Erkenntnis kommt, dass die Ausübung des Amtes gut war und weitergeführt werden soll – oder sich die Frage stellt, ob es vielleicht besser wäre, wenn dieser Amtsträger eine andere Aufgabe übernimmt. Ich sehe da gar nicht so viele Probleme. Wenn wir eine solche Haltung verinnerlichen würden, wäre es aus meiner Sicht gar nicht so schlimm, wenn jemand gesagt bekommt, er wäre an einer anderen Stelle besser aufgehoben.

Frage: Sie glauben also, dass der Papst da im Boot wäre?

Schick: Der Papst muss ja auch immer evaluieren. Er schickt zum Beispiel Visitatoren in Bistümer, um zu sehen, wie es vor Ort läuft. Und auch wir Bischöfe haben die "visitatio ad limina", unsere Besuche im Vatikan, wo wir dem Papst Rechenschaft ablegen. Evaluation ist also nichts Neues. Das muss nur neu umschrieben und institutionalisiert werden.

Frage: Ist es nicht auch gefährlich, wenn ein Bischof oder ein Pfarrer vom Wohlwollen der Gremien abhängig ist?

Schick: Das wird dann zum Problem, wenn man sich von vornherein in einer Art Gegnerschaft sieht. Wenn wir den Geist einer geschwisterlichen, kooperativen und partizipativen Kirche besser verinnerlichen, sind wir keine Kontrahenten, sondern erkennen, dass wir im gleichen Boot sind und das gleiche Ziel ansteuern: nämlich die Kirche lebenswert, aktiv und zukunftsträchtig zu erhalten. Da hilft man sich und schmeißt sich nicht gegenseitig über Bord.

Frage: Sie zeigen sich offen für verheiratete Priester, auch für das Diakonat der Frau – Themen, die auch beim Synodalen Weg ganz oben stehen. Kritiker betonen häufig, bei solchen Reformvorhaben müsse man die Weltkirche im Blick haben. Sie waren in der Bischofskonferenz viele Jahre lang für die Weltkirche zuständig und verfügen daher über profunde Einsichten: Inwiefern spielen solche Reformvorschläge auch in anderen Teilen der Welt eine Rolle?

Schick: Die spielen woanders genauso eine Rolle wie bei uns. Natürlich ist der kulturelle Background anders. Aber die Fragen, wie Amtsträger mit den Gläubigen umgehen, die Frage nach der Rolle von Frauen in der Kirche oder die nach den Herausforderungen des priesterlichen Dienstes, sind die gleichen. Sie werden andernorts auch diskutiert.

Kirchliches Arbeitsrecht
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

Welche Reformen wird es beim kirchlichen Arbeitsrecht geben? Spielt das Beziehungsleben der Mitarbeitenden bald keine Rolle mehr? "Die Kirche hat immer gesagt, dass ihre Glieder mit ihrem Leben für das Evangelium Zeugnis geben", betont Erzbischof Schick. Das müsse aber differenzierter bei den verschiedenen Anstellungsverhältnissen betrachtet werden.

Frage: Ein weiteres Thema, das die Kirche in Deutschland aktuell sehr beschäftigt, gerade im Zuge der Aktion "#OutInChurch", ist das kirchliche Arbeitsrecht. Das Erzbistum Bamberg hat – wie mehrere andere Bistümer – betont, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen für homosexuelle oder wiederverheiratet geschiedene Mitarbeitende ausgesetzt sind. Andere Diözesen sind da eher zurückhaltender, warnen vor vorschnellen Schritten und wollen abwarten, bis die Neufassung der Grundordnung kommt. Können Sie diese Haltung nachvollziehen?

Schick: Ja, kann ich. Ich gehöre ja selbst zur Arbeitsrechtlichen Kommission. Hier im Erzbistum Bamberg haben wir zunächst einmal nur gesagt, dass es bis zur Revision der Grundordnung keine Kündigungen aus solchen Gründen gibt. Das ist in der Realität auch kein großes Problem. Aber natürlich muss es eine ordentliche arbeitsrechtliche Veränderung der Grundordnung geben. Wir haben in diesem Bereich auch mit weltlichen Gerichten zu tun. Wir müssen auch insgesamt in Deutschland eine gleiche Linie haben, wie wir mit diesen Angelegenheiten umgehen.

Frage: Eine der Hauptfragen ist, inwiefern das Beziehungsleben der Mitarbeiter noch eine Rolle bei den sogenannten Loyalitätsobliegenheiten spielen soll. Es gibt Stimmen, die sagen, sie könnten sich nicht der Haltung anschließen, dass jeder Aspekt des Privatlebens ohne dienstrechtliche Relevanz sei. Wie sehen sie das?

Schick: Die Kirche hat immer gesagt, dass ihre Glieder mit ihrem Leben für das Evangelium Zeugnis geben. Leben und arbeiten gehören also schon zusammen. Das muss aber differenzierter bei den verschiedenen Anstellungsverhältnissen betrachtet werden. Zeugnis ablegen tut man aber nicht nur mit der Sexualität.

Frage: Bis wann ist mit einer überarbeiteten Grundordnung zu rechnen?

Schick: Wir kommen jetzt bald zusammen. Ich hoffe, dass wir das bis Mitte des Jahres oder spätestens Herbstanfang hinbekommen. Wir können nicht mehr lange warten.

Frage: Überschattet wird die Vollversammlung vom Krieg in der Ukraine. Dieser wird auch ein großes Thema in den Gesprächen sein. Sie verfügen über viele Kontakte. Was hören Sie über die Lage in der Ukraine?

Schick: Ich stehe ständig in Kontakt mit ukrainischen Bischöfen. Mich hat auch ein Erzbischof aus Polen angerufen, wo zurzeit viele Flüchtlinge ankommen. Ich bin eng befreundet mit dem Bischof von Odessa, der bis vor zwei Jahren Bischof in Charkiw war. Ich bekomme ständig Nachrichten. Die Situation der Menschen ist einfach furchtbar. Ich leide selbst daran. Die Menschen, die dort sind, leiden extrem, sie haben Angst. Ihr Leben wird zerstört. Es muss alles dafür getan werden, dass dieser Krieg bald aufhört.

Frage: Der Westen hat harte Sanktionen gegen Russland beschlossen und liefert Waffen an die Ukraine. Handelt er damit richtig?

Schick: Man muss die Aggression stoppen, um dann zu Friedensverhandlungen zu kommen. Aber wenn ein Land sich so aggressiv verhält wie Russland, dann sind die diplomatischen Möglichkeiten einfach nicht gegeben. Sie müssen geschaffen werden. Verhandeln kann man nur in einer Atmosphäre des Waffenstillstandes und der Dialogbereitschaft. Die gibt es im Augenblick nicht. Die muss man gegebenenfalls erzwingen. Von daher sage ich, dass der Westen aktuell richtig handelt. Aber es muss dazu führen, dass wieder diplomatische Verhandlungen aufgenommen werden. Wir als Christen müssen alles tun, was den Opfern und Betroffenen hilft: Für sie beten, Kontakt halten, Lebensmittel und andere Hilfsgüter schicken – und die, die zu uns kommen, freundlich aufnehmen.

Von Matthias Altmann