Standpunkt

Versagen der Orthodoxen ansprechen – aber auch das Gute sehen

Veröffentlicht am 07.03.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Mit dem Krieg in der Ukraine rückt auch das Verhalten der russisch-orthodoxen Kirche in den Blickpunkt. Pater Nikodemus Schnabel stört, dass zwar Patriarch Kyrill berechtigterweise kritisiert wird, andere Stimmen aber nicht beachtet werden.

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Hier in Jerusalem – und wohl auch in Deutschland – gibt es gerade ein alles bestimmendes Thema: Der Krieg in der Ukraine, der dort seit 2014 wütet, aber in den letzten Tagen in erschütternder Brutalität eine völlig neue Dimension erreicht hat, so dass er nicht mehr wegdiskutiert werden kann!

Neben der unfassbaren Menschenverachtung dieses Krieges, der das Selbstbestimmungsrecht des ukrainischen Volkes mit Füßen tritt, beschäftigen mich als Ökumeniker gerade einige westliche Äußerungen im Hinblick auf die Orthodoxie, und ganz speziell im Hinblick auf die Russische Orthodoxe Kirche (ROK). Ja, es ist vollkommen richtig, dass das Schweigen des derzeitigen Patriarchen von Moskau unerträglich ist – und es wird noch unerträglicher, wenn er mal den Mund aufmacht, um sich zum Krieg zu äußern, den er ja tunlichst nicht "Krieg" nennt. Ja, all dies und noch vielmehr kann einen nur traurig machen: Führende Vertreter der ROK scheitern gerade in erschütternder Art und Weise. Richtig ist aber auch – und das vermisse ich sehr schmerzlich bei manchen, die sich hierzu öffentlich äußern – dass es mehrere Metropoliten gibt, die sehr klar und eindeutig in ihrer Sprache sind und zu einem sofortigen Ende des Krieges aufrufen, dass es viele Priester gibt, die über Konfessionsgrenzen hinweg öffentliche Friedensgebete organisieren und dass es eine sehr große Zahl von Gläubigen gibt, die aus dem Glauben heraus auf die Straße gehen, um gegen die Aggressionspolitik Putins zu demonstrieren und dabei bereit sind, ihr Leben zu riskieren. Ganz zu schweigen von der autonomen Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats in der Ukraine, die angefangen von ihrem Oberhaupt Metropolit Onufrij bis hin zu den einzelnen Getauften um eine klare Sprache nicht verlegen sind und zu helfen versuchen, wie und wo es nur geht, und damit der von Moskau unabhängigen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine und der mit Rom in Gemeinschaft stehenden Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche um nichts nachstehen.

Meines Erachtens hat jede Ökumenikerin und jeder Ökumeniker eine große Verantwortung, wie er in diesen Tagen über die ROK spricht: Das Versagen deren Kirchenspitze gerne klar und deutlich ansprechen, aber bitte auch das Gute nicht unerwähnt lassen. Die ROK ist eine synodale Kirche: Warum wird sie auf ihren Patriarchen reduziert?

Von Pater Nikodemus Schnabel

Der Autor

Der Jerusalemer Benediktinermönch Nikodemus Schnabel OSB ist Lateinischer Patriarchalvikar für alle Migranten und Asylsuchenden und Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft (JIGG).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.