Verfügungen gegen mutmaßliche Täter im Bistum Dresden-Meißen aufgehoben

Betroffene entsetzt über Entscheidung der Kleruskongregation

Veröffentlicht am 07.03.2022 um 16:30 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Bischof Heinrich Timmerevers darf zwei beschuldigte Priester nicht vom Seelsorgedienst in seiner Diözese ausschließen – die Betroffene zeigt sich entsetzt: Die Entscheidung zeige, dass Rom keinen Wert auf Betroffenenschutz lege.

  • Teilen:

Die Betroffene eines Missbrauchsfalls hat sich angesichts der Aufhebung von Verfügungen des Dresdner Bischofs Heinrich Timmerevers gegen die mutmaßlichen Täter durch die vatikanische Kleruskongregation empört gezeigt. Gegenüber katholisch.de erklärte die Frau über ihren Anwalt am Montag, dass die Entscheidung der Kongregation die deutschen Bischöfe desavouiere, "macht sie doch mehr als deutlich, dass Rom die Festlegung der Deutschen Bischofskonferenz, die einen deutlich weitergehenden Schutzraum für Schutzbefohlene vorsieht, als irrelevant einordnet".

Das Bistum Dresden-Meißen hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass die Verfügung Timmerevers', den beiden beschuldigten Pallottiner-Patres den Seelsorgedienst in seinem Bistum zu untersagen, von der Kleruskongregation nach einer Beschwerde der beiden Priester aufgehoben wurde. Dies sei damit begründet worden, dass die handelnden Personen zum Zeitpunkt des Geschehens nicht minderjährig gewesen seien und die Betroffene nicht als schutz- und hilfebedürftige Person anzusehen sei, so das Bistum. Da keine andere Entscheidung zu erwarten sei, habe Timmerevers die Entscheidung akzeptiert. Der Anwalt der Patres betonte gegenüber katholisch.de, dass die Kleruskongregation die Vorwürfe der Betroffenen inhaltlich geprüft habe. "Hier wurde somit sogar positiv festgestellt, dass kein Missbrauch im Sinne des kirchlichen Rechts vorliegt", so der Anwalt. Die beiden Patres seien somit vollständig entlastet.

Vorwürfe auch gegen das Bistum

Nach Angaben des Anwalts der Betroffenen sei die Presseerklärung des Bistums veröffentlicht worden, ohne seine Mandantin, die nur unter dem Pseudonym Ellen Adler bekannt ist, vorab zu informieren: "Wir verurteilen dieses Vorgehen scharf. Einmal mehr wurde Ellen Adler zum Objekt kirchlichen Handelns gemacht." Die Behauptung, Betroffene sexueller Gewalt stünden im Mittelpunkt kirchlichen Handelns, sei auf diese Weise durch den Bischof von Dresden-Meißen widerlegt worden, so der Anwalt weiter. Auf Anfrage teilte ein Sprecher des Bistums Dresden-Meißen mit, dass das Informationsschreiben an die Betroffene am 2. März versandt worden sei, die Presse wurde am 4. März informiert. "Wenn der Betroffenen das Schreiben des Bistums zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugegangen war, bedauern wir das außerordentlich", so der Sprecher.

Die Entscheidung der Kleruskongregation sei allerdings "auf dem Hintergrund des weltkirchlichen Rechtes vollkommen korrekt", gab der Anwalt zu. Das kirchliche Recht ordne nach seiner Darstellung Vergewaltigungen erwachsener Frauen als "weniger schwerwiegende Form des Zölibatsverstoßes" ein, die nach wenigen Jahren verjährt. Die Betroffene war zum Tatzeitpunkt im Jahr 1990 22 Jahre alt. Einem der heutigen Patres wurde Missbrauch vorgeworfen, dem zweiten, die Tat gedeckt zu haben. Der mutmaßliche Täter war zum Tatzeitpunkt allerdings noch Novize, das kirchliche Strafrecht konnte damals nur gegen Kleriker angewandt werden.

Ein weitergehendes Schutzinteresse scheine der Apostolische Stuhl nicht erkennen zu können, beklagte der Anwalt anlässlich der jüngsten Änderung des kirchlichen Strafrechts: "Nach wie vor kennt die Kirche kein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung!", betonte der Anwalt und forderte die Deutsche Bischofskonferenz auf, "in Rom nachdrücklich für einen angemessenen Schutz vor sexueller Gewalt in der Kirche einzutreten und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung im Kirchenrecht zu verankern".

Es sei nun die Aufgabe des Erzbischofs von Freiburg, in dessen Diözese sich die beiden mutmaßlichen Täter aufhalten, sich zu entscheiden, wie er mit dem Vorgang umgehe. Der Anwalt der Patres wies die Darstellung des Betroffenen-Anwalts zurück, dass die Staatsanwaltschaft einen Missbrauch angenommen habe. "Die Verfügung der zuständigen Staatsanwaltschaft stellt die Verjährung der Tatvorwürfe fest und trifft keine weitere Aussage darüber, ob die Vorwürfe begründet sind oder nicht", so der Anwalt der Pallottiner.

Der Pallottiner-Orden hatte die Vorwürfe gegen seine beiden Patres bereits zuvor auf Anfrage zurückgewiesen. Von Missbrauch könne keine Rede sein. Zugleich warf der Orden Zeitungen, die über den Fall berichtet hatten, eine "völlig vorverurteilende Berichterstattung" ohne hinreichende "Tatsachen- und Beweisgrundlage" vor. Die Berichte hätten die Existenz und die Persönlichkeitsrechte der zwei Ordensleute "auf ungerechtfertigte Weise verletzt und teilweise zerstört". (fxn)

8. März 2022, 11.50 Uhr: Stellungnahme des Bistums Dresden-Meißen ergänzt, Ergänzungen zur kirchenrechtliche Bewertung.

14. März 2022, 14.10 Uhr: Stellungnahme des Anwalts der Pallottiner-Patres ergänzt.