Die Bischöfe bei den 14 Nothelfern: Ringen um den Weg aus der Krise
In den oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen mit seiner prächtigen Basilika kommen Pilger mit vielfältigen Anliegen und Sorgen, um bei den 14 Nothelfern, die dem Ort den Namen gaben, um Beistand zu beten. Mit den deutschen Diözesan- und Weihbischöfen war in diesen Tagen eine ganz besondere Pilgergruppe zu Gast, die zurzeit besonders große Sorgen hat. Die Vertrauenskrise, die die Kirche in Deutschland erlebt, hat ein enormes Ausmaß erreicht. Aktuell brisante Themen wie die Diskussionen um die Zukunft von Kardinal Rainer Maria Woelki in Köln oder das Münchner Missbrauchsgutachten setzen nicht nur diesen beiden Erzdiözesen zu, sondern wirken sich auf die gesamte katholische Kirche in Deutschland aus. Den Ernst der Lage machen die stetig wachsenden Kirchenaustritte klar – inzwischen sogar von Gläubigen, die der Kirche lange Zeit die Treue gehalten haben.
Den Weg aus dieser Vertrauenskrise soll, gerade aus den Erkenntnissen des Missbrauchsskandals heraus, eigentlich der Synodale Weg weisen. Doch der Reformprozess droht zunehmend zu einer Zerreißprobe innerhalb des deutschen Episkopats zu werden. Die Konfliktlinien unter den Bischöfen traten zuletzt immer deutlicher zu Tage. Zudem scheint der Prozess vor allem in der unmittelbaren Nachbarschaft Deutschlands für immer mehr Unwohlsein zu sorgen. Nachdem die Polnische Bischofskonferenz dies bereits vor wenigen Wochen getan hatte, meldete sich während der Vollversammlung auch die Nordische Bischofskonferenz zu Wort und betonte, sie sei besorgt über "die Richtung, die Methodik und den Inhalt" des Synodalen Wegs. Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), räumte ein, dass ihn diese Schreiben "irritieren" – er will aber antworten und nochmal erklären, worum es bei dem Reformprozess geht.
Die Bischöfe nahmen sie sich bei der Frühjahrsvollversammlung bewusst viel Zeit, um das Fortschreiten des Synodalen Wegs zu besprechen. Zum einen stellten sie sich die Frage, wie das, was von der Synodalversammlung beschlossen worden ist, bereits umgesetzt werden kann. Darüber hinaus wurde thematisiert, wie weit die einzelnen Bischöfe bei möglichen kommenden Beschlüssen der Synodalversammlung mitgehen können.
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Gerade bei theologischen Grundsatzfragen, in den Bereichen Anthropologie und Ekklesiologie, habe es kontroverse Debatten gegeben, so Bätzing zum Abschluss der Vollversammlung. Dennoch ist die Rede von einer konstruktiven Gesprächsatmosphäre und einem guten Austausch. Der DBK-Vorsitzende betonte, die Mitbrüder hätten die Diskussionen als "gut investierte Zeit" bezeichnet. Das Verständnis für Positionen, die man selbst nicht teile, sei gewachsen.
Für die Umsetzung aller Beschlüsse, die auch ohne römische Zustimmung möglich sind, will man ein einheitliches Vorgehen ermöglichen. Hierzu werde es ein "Monitoring" geben, um die Umsetzung zu bündeln. Wie das im Detail aussehen kann, ließ Bätzing offen. Wichtig sei aber, dass die Bischöfe sich mehrheitlich auf einen solchen Schritt verständigt hätten. Dies zeige, dass man ernst mache. Doch werden alle Bischöfe das in ihren Diözesen umsetzen, was der Synodale Weg beschließt? Bätzing betonte, er sei als Vorsitzender nicht dazu da, um das Gewissen der Bischöfe zu "beugen". Jeder einzelne Oberhirte müsse das für sich klären. Wenn er Beschlüsse nicht umsetzt, werde er sich allerdings seinem Bistum erklären müssen.
Kardinal Woelki sprach über seine Auszeit
Einer war wieder dabei, der zuletzt fünf Monate von der Bildfläche verschwunden war: Auch die Situation von Kardinal Woelki, quasi der Symbolfigur der momentanen Krise der Kirche in Deutschland, war Gesprächsthema unter den Bischöfen. Auch nach seiner Auszeit ist die Lage im Erzbistum Köln weiterhin ziemlich verfahren. In Vierzehnheiligen legte er seinen Mitbrüdern dar, was die vergangen Monate, in denen er sich zurückzog, in ihm ausgelöst haben. Woelki hatte sich am Aschermittwoch mit einem Fastenhirtenbrief aus seiner Auszeit zurückgemeldet und darin um einen Neuanfang geworben – um gleichzeitig bekannt zu geben, dass er Papst Franziskus seinen Amtsverzicht angeboten hat. Bätzing betonte sowohl bei seinem Auftaktstatement als auch bei der Abschlusskonferenz, er wünsche dem Kardinal und dem Erzbistum einen Neubeginn. Ansonsten sei der Papst am Zug. Den Pontifex nahm Bätzing in die Pflicht: Mit dem Rücktrittsangebot Woelkis trage nun auch er eine Mitverantwortung für die weitere Entwicklung in Köln.
Druck auf dem Kessel ist auch beim kirchlichen Arbeitsrecht. Ende Januar outeten sich 125 Mitarbeitende der Kirche im Rahmen der Aktion "#OutInChurch" als queer – also als homo-, bisexuell, transgender, nicht-binär. Nach der aktuell geltenden Grundordnung, die Loyalität zur kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre verlangt, müssen etwa Mitarbeiter, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, um ihren Arbeitsplatz bangen – auch wenn die Bistümer bislang bereits versuchten, für jeden "Einzelfall" gemeinsam mit den Beschäftigten eine individuelle Lösung zu finden. Die Bischöfe sind sich der Brisanz des Themas bewusst. Der Fahrplan für die Änderung der Grundordnung sieht so aus, dass eine konkrete Beschlussvorlage zur ersten Lesung im Juni vorliegen soll. Im Hinblick auf Loyalitätspflichten soll es darum gehen, kirchlichen Mitarbeitenden nicht mehr Vorschriften für die persönliche Lebensführung zu machen, sondern gemeinsame Werte und Ziele in der Dienstgemeinschaft zu definieren. Mehrfach betonte Bätzing allerdings, dass es bei der Reform Prozesstreue und Sorgfalt brauche.
Vertreter von "#OutInChurch" begrüßten die geplante Reform des Arbeitsrechts. Für queere Mitarbeitende in der Kirche gehe es vor allem um Rechtssicherheit. Eine Änderung der Grundordnung könne aber nur ein erster Schritt sein: Die Aktivisten fordern eine spürbar queer-freundlichere Kirche. Dazu übereichten sie Bischof Bätzing in Vierzehnheiligen ihr Manifest – samt einer Petition mit rund 118.000 Unterschriften. Viele der Forderungen werden auch auf dem Synodalen Weg verhandelt. Doch Rainer Teuber, einer der Mitorganisatoren der Initiative, machte deutlich: "Unsere Geduld neigt sich dem Ende zu." Das ginge auch anderen Gläubigen so. Der Faden, mit denen manche noch mit der Kirche verbunden seien, sei sehr dünn.
Es sind nicht nur kirchenpolitisch, sondern auch weltkirchlich unruhige und schwierige Zeiten. Deshalb hat auch der Krieg in der Ukraine die Bischöfe intensiv beschäftigt. Doch bei der bloßen Verurteilung des russischen Angriffs, Aufforderungen zum Frieden und einem Appell an den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., sich vom Krieg zu distanzieren, blieb es nicht. So erklärten die Bischöfe, dass Rüstungslieferungen an die Ukraine aus ihrer Sicht legitim seien, wenn diese dazu dienten, "dass das angegriffene Land sein völkerrechtlich verbrieftes und auch von der kirchlichen Friedensethik bejahtes Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen kann". Auch der Plan der Bundesregierung zu einer besseren Ausstattung der Bundeswehr sollte "nicht pauschal mit Begriffen wie 'Aufrüstungspolitik' oder 'Militarisierung der Außenpolitik' belegt werden".
Ob den Bischöfen die Fürsprache der 14 Nothelfern bei ihren Anliegen und Sorgen geholfen hat, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Doch der Franziskanerpater Maximilian Wagner, Wallfahrtsrektor der Basilika, weiß: Viele Pilger verlassen Vierzehnheiligen guten Mutes. "Eine Wallfahrt hierher hilft ihnen, in schweren Zeiten ein Stück Hoffnung zu bewahren."