Geistig hellwach
Der hat seit seinem Amtsverzicht im Februar 2013 den Vatikan kaum noch verlassen und ist nur noch ganz selten öffentlich aufgetreten.
Gelegentliche Besucher
Ende April konzelebrierte er bei der Heiligsprechungsfeier für seine beiden Vorgänger Johannes XXIII. und Johannes Paul II. auf dem Petersplatz, und zwei Monate vorher war er auch beim Konsistorium zur Kreierung neuer Kardinäle im Petersdom anwesend. Zur Segnung eines Monuments für den Erzengel Michael in den vatikanischen Gärten, an der er im Juli 2013 teilnahm, hatten nur Vatikanangestellte Zutritt.
Ansonsten verbringt Benedikt XVI. seine Tage im eigens für ihn hergerichteten Kloster " Mater ecclesiae " in den vatikanischen Gärten, keine 200 Meter von seinem Nachfolger Franziskus entfernt. Dort widmet er sich dem Gebet und der Meditation, pflegt eine umfangreiche Korrespondenz und empfängt gelegentlich Besucher in seinen Räumen. Zu seiner Hausgemeinschaft gehören Mitglieder der geistlichen Gemeinschaft "Memores Domini", die ihm bereits im Apostolischen Palast den Haushalt geführt hatten.
Gänswein als Verbindungsmann zwischen Franziskus und Benedikt XVI.
Auch Erzbischof Georg Gänswein wohnt mit im Kloster; er amtiert sowohl als Privatsekretär des emeritierten Papstes als auch als Präfekt des Päpstlichen Hauses für Franziskus. Damit stellt er eine ständige Verbindung zwischen den beiden Päpsten her. Wenn Gänswein in Urlaub fährt – wie in diesen Sommerwochen unmittelbar nach der deutschen Ministrantenwallfahrt mit 50.000 Teilnehmern –, assistieren mehrere deutschsprachige Geistliche abwechselnd im Kloster. Zudem ist in diesen Tagen Prälat Georg Ratzinger (90) zu Besuch, der seinem jüngeren Bruder wieder eine Zeitlang Gesellschaft leistet.
Benedikt XVI. hat einen regelmäßige Tagesablauf: Um sieben Uhr Morgenmesse, dann Frühstück, Gebet, Lektüre, Bearbeiten der reichlich eingehenden Post, dazwischen immer wieder Ruhepausen und Spaziergänge auf der Terrasse oder im Garten; frühe Bettruhe.
Die Spaziergänge werden kürzer
Besucher beschreiben den emeritierten Papst als geistig hellwach. Doch das Gehen fällt dem 87-Jährigen zunehmend schwer. Im Haus nimmt er meist einen Gehstock; kurze Wege legt er ohne Hilfe zurück. Außerhalb der Wohnung benutzt er einen Rollator. Gerade an den heißen Sommertagen verlässt er allerdings immer seltener das Haus.
Der Radius der regelmäßigen Spaziergänge wird immer kleiner. Das Foto, das ein Paparazzo offenbar von der Kuppel des Petersdoms aus geschossen hat und auf dem man schemenhaft Benedikt XVI. und Gänswein beim Spaziergang im Freien erahnt, scheint etliche Monate alt.
Der Kontakt zu Benedikts Nachfolger Franziskus scheint unkompliziert. Bei seinem Rückflug aus Südkorea bestätigte der argentinische Papst noch zu Wochenbeginn: "Wir sehen uns. Vor meiner Abreise habe ich ihn besucht. Vor zwei Wochen hat er mir ein interessantes Schreiben zugeleitet: Er hat mich um meine Meinung gefragt." Mit seinem Vorgänger habe er ein "normales Verhältnis", ja eine "brüderliche Beziehung". Es sei, wie einen weisen Großvater im Haus zu haben. Benedikt ermutige ihn.
Eine Tür geöffnet
Franziskus verteidigt den emeritierten Papst aus Bayern gegen Theologen, die damals dessen Rücktritt kritisierten. Noch vor 70 Jahren habe es kaum emeritierte Bischöfe gegeben; heute sei das normal. Das sollte analog auch für das Papstamt gelten, zeigt sich Franziskus überzeugt. Benedikt XVI. habe mit seiner Geste Größe, Demut und Mut bewiesen – und auch eine Tür geöffnet. Er würde, wenn seine Kräfte für die Wahrnehmung des Amtes nicht mehr ausreichten, das Gleiche tun, versichert der 77-jährige Franziskus.
Wann Benedikt XVI. zum nächsten Mal öffentlich auftreten wird, ist noch nicht bekannt. Jüngste Gerüchte, er werde das Eröffnungsreferat bei der Bischofssynode im Oktober halten, klingen jedenfalls wenig glaubwürdig.
Von Johannes Schidelko (KNA)