"Heiliger Bimbam!" – Wie sicher sind Deutschlands Glocken?
Nächtliches Glockenläuten hat die Bewohner der Wiener Innenstadt Mitte dieser Woche nicht nur um ihren Schlaf gebracht, sondern auch in Sorge versetzt. Vor dem Hintergrund täglicher Schreckensnachrichten aus dem Ukraine-Krieg werden sich Viele gefragt haben, ob etwas Schlimmes passiert sei oder gar die Angriffe ausgeweitet wurden.
Die Entwarnung kam in diesem Fall am nächsten Morgen: Grund für das unvorhergesehene Vollgeläut war ein Hackerangriff. Der Täter hatte sich über die Fernwartungsfunktion Zugang zum digitalen Steuerungssystem der Glocken verschafft. Dompfarrer Toni Faber habe den Hacker nach einiger Zeit händisch aus dem System ausschließen und das Geläut abbrechen können, wie er am Folgetag erklärte. Vermutlich dürfte es sich bei dem Angriff um den Scherz eines Technikfreaks gehandelt haben. Trotzdem zeigt er eindrücklich, welche alarmierende Wirkung Kirchenglocken auch in einer stark säkularen Gesellschaft noch haben können, wenn sie außerhalb der gewohnten Zeiten läuten – insbesondere an einem so symbolträchtigen und identitätsstiftenden Gebäude wie dem Wiener Stephansdom. Stellt sich also unweigerlich die Frage: Wie sicher sind die Glocken an deutschen Kathedralen? Muss man auch hierzulande mit manipuliertem Kirchenläuten rechnen?
Glockensteuerung aus der Kategorie "technisches Museum"
Das lasse sich pauschal nicht beantworten, da es an den Bischofskirchen ganz unterschiedliche Steuersysteme für die Glocken gebe, teilt Andreas Philipp mit, der als Glockensachverständiger für insgesamt drei Bistümer tätig ist. Er vermute aber, dass die Glocken nur in den allerwenigsten deutschen Kirchen über eine Onlinesteuerung verfügten und Angriffe durch Hacker daher äußerst unwahrscheinlich seien. In seinem Zuständigkeitsbereich begegne Philipp sehr viel häufiger Steuerungsanlagen, die er scherzhaft in die Kategorie "technisches Museum" einordnen würde.
Eine fehlende Verbindung der Glocken zum Internet bestätigen etwa die zuständigen Stellen an den Kathedralen von Erfurt und Hildesheim. Dort werde das Geläut wie heutzutage in den allermeisten Pfarreien zwar elektrisch angesteuert und zum Teil digital vorprogrammiert, es gebe aber keine Möglichkeit, von außen auf die Systeme zuzugreifen. Ebenso verhalte es sich auch mit den Glocken des Kölner Domes, wie der dortige Medienreferent Markus Frädrich auf Anfrage von katholisch.de erklärt: "Wir nutzen am Kölner Dom keine Möglichkeit, die Glocken über ein Online-Portal auszulösen oder fernwarten zur lassen. Deshalb sind auch keine Hackerangriffe auf die Kölner Domglocken möglich."
Dass online steuerbare Glockensysteme aber auch in Deutschland existieren, erfährt man von der Glockenfirma, die das Geläut auf dem Erfurter Domberg wartet. Demnach gebe es in Sachsen eine Stadt, in der die Glocken aller Kirchen über ein zentrales System gesteuert werden können. Der Vorteil liege auf der Hand, so ein Mitarbeiter der Firma: An großen Feiertagen wie dem Volkstrauertag sei auf diese Weise die Koordination eines stadtübergreifenden Geläuts möglich. Außerdem ließen sich Glockenspiele fernsteuern und so bei Kirchenführungen etwa per Tablet Liedwünsche aus luftiger Höhe abrufen. Wo diese technische Innovation zuhause ist, will die Firma aus Sicherheitsgründen nicht verraten.
Im Onlinezeitalter scheint man in puncto Glockenläuten auch am Münchener Liebfrauendom angekommen zu sein. Genaue Angaben über das Steuerungssystem werden aber auch hier nicht gemacht. Man wolle schließlich niemanden auf falsche Gedanken bringen, so ein Mitarbeiter der erzbischöflichen Pressestelle. Die zuständigen Techniker hätten aber die bestmöglichen Sicherheitsvorkehrungen ergriffen, um einen externen Zugriff auf die Glocken der Münchener Kathedrale zu verhindern. Deutschland dürfte vor einem überraschten "Heiliger Bimbam!" wegen nächtlichem Vollgeläut also einigermaßen sicher sein. Glockennostalgiker sind ohnehin überzeugt: Die händische Bedienung der Glocken per Knopfdruck kann für größere Abwechslung in der Läuteordnung sorgen – und macht zudem viel mehr Spaß.