Frater Magnus Morhardt im Interview

Vom Brautkleid zum Messgewand – Schau zu 400 Jahren Barmherzige Brüder

Veröffentlicht am 20.03.2022 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 

Neuburg an der Donau ‐ Die Barmherzigen Brüder gehören zu den bekanntesten Krankenpflegeorden der Kirche. Bereits seit 400 Jahren sind sie in Deutschland aktiv. Eine Ausstellung erinnert an dieses Jubiläum – und erklärt, was ein ganz besonderes Brautkleid damit zu tun hat.

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Unter dem Titel "400 Jahre Barmherzige Brüder Bayern" widmet sich das Stadtmuseum in Neuburg an der Donau einem Ordensjubiläum - und einem besonderen Stoff. Die Schau erinnert vom 20. März bis 13. November an die Ankunft der ersten Barmherzigen Brüder in Deutschland. Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg holte den katholischen Krankenpflege-Orden 1622 nach Neuburg bei Ingolstadt. Seine Frau Magdalene schenkte dem Orden später ihr Brautkleid - umgenäht zum Messgewand. Warum das früher Brauch war, sagt Frater Magnus Morhardt, Sekretär der Bayerischen Ordensprovinz, im Interview.

Frage: Frater Magnus, eigentlich heißt es ja: Brautkleid bleibt Brautkleid. Wie wurde denn eins zum Messgewand?

Morhardt: Vorweg etwas Geschichte: Der Wittelsbacher Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg war als Protestant aufgewachsen. Er trat 1613 zum Katholizismus über und heiratete die papsttreue Herzogstochter Magdalene von Bayern. Dies war auch politischem Kalkül geschuldet, denn Wolfgang Wilhelm versprach sich dadurch Unterstützung bei Gebietsansprüchen im Rheinland. Magdalenes Bruder war schließlich der mächtige Herzog und spätere Kurfürst Maximilian I. von Bayern. Sodann holte Wolfgang Wilhelm diverse katholische Orden zur Gegenreformation in sein Gebiet, darunter die Barmherzigen Brüder.

Frage: Warum erhielten gerade sie das besondere Stoff-Geschenk?

Morhardt: Sie bekamen es 1626. Damals weihte der Bischof von Augsburg die Krankenhauskirche Sankt Wolfgang. Denn Wolfgang Wilhelm hatte die Gemeinschaft nicht nur aus religiösen Gründen angesiedelt, sondern auch, um im Sinne christlicher Nächstenliebe die Gesundheitsversorgung seiner Untertanen zu verbessern. Der Orden war und ist ja bis heute für seinen Einsatz in der Krankenpflege bekannt. Sodann entstand ein Hospital mit zwölf Betten, in dem zunächst Brüder aus Italien, Spanien und Österreich wirkten. Dass sie nun das Kleid als Erstausstattung für ihre neue Kirche geschenkt bekamen, war zum einen sicher Ausdruck des Dankes für das wohltätige Engagement.

Frage: Und zum anderen?

Morhardt: Ich kann mir vorstellen, dass dadurch auch nach außen hin betont werden sollte, dass die Barmherzigen Brüder und ihr Hospital nur dank des Herzogs und seiner Frau nach Neuburg gekommen waren. Dass das Geschenk also auch der Machtdemonstration und Eigenwerbung diente. Schließlich hat Wolfgang Wilhelm viel Zeit in Düsseldorf verbracht. Deshalb war ihm in Neuburg an guten Verhältnissen für sein Volk gelegen. So konnte er seine Herrschaft dort stabil halten.

Bild: ©Bill Perry/Fotolia.com

Ein Kirchenfenster in der Kathedrale von Granada zeigt den heiligen Johannes von Gott, den Gründer der Barmherzigen Brüder.

Frage: Wer hat denn dann was genau mit dem Brautkleid gemacht, sodass es zum Messgewand wurde?

Morhardt: Magdalene hat zwar das Brautkleid mit angefertigt - das war damals Brauch -, es aber dann wohl von einem Schneider umschneidern lassen. Sie hat aus dem einen Textil mehrere Einzelstücke gefertigt. So besteht das Gewand heute aus Kasel, Stola, Velum und Manipel. Umgefärbt wurde der Stoff indes nicht: Auch das Brautkleid war schon mit goldenen Ornamenten verziert und feuerrot - nicht etwa weiß, wie man heute erwarten würde.

Frage: Brautkleid-Schenkung - das klingt ungewöhnlich. Oder gibt es ähnliche Fälle?

Morhardt: Ja, früher haben adelige Frauen ihr Hochzeitskleid immer wieder für kirchliche Zwecke umgearbeitet. Berühmtestes Beispiel ist die österreichische Kaiserin Sisi. 1854 gab sie ihr zu einem Vespermantel umgeschneidertes Kleid an die Basilika Maria Taferl in Niederösterreich. Hinter dem Brauch stand mutmaßlich eine Mischung aus dem Willen nach geistlicher Absicherung in Sachen ewiges Seelenheil und dem Wunsch nach Ausdruck des angeblichen Gottesgnadentums in Bezug auf die eigene Herrschaft. Dieser Brauch dürfte spätestens mit dem Ersten Weltkrieg versandet sein. Aus der Gegenwart ist er mir jedenfalls nicht bekannt.

Frage: Zurück nach Neuburg: Wie wertvoll ist der Stoff eigentlich?

Morhardt: Sehr, aber eine Zahl kann ich nicht nennen. Das Gewand besteht aus seidenartigem Atlasgewebe, ist also sehr fein und teuer. Daher ist es auch nur selten benutzt worden, vermutlich bloß an wichtigen Feiertagen wie dem Johannes-von-Gott-Fest zu Ehren unseres Ordensgründers oder Weihnachten.

Frage: Und heute?

Morhardt: Wenn es aus der Neuburger Ausstellung zurückkehrt, kommt es wieder nach Regensburg in die Sakristei des dortigen Krankenhauses der Barmherzigen Brüder. Ein Teil ist sowieso dageblieben, weil in Neuburg aus Platzgründen nicht das ganze Messgewand gezeigt werden kann.

Frage: Das heißt, dieses ungewöhnliche Textil ist der Öffentlichkeit normalerweise gänzlich verborgen?

Morhardt: Ja, leider. Es wäre natürlich schön, es dauerhaft präsentieren zu können. Aber dazu bräuchte es eine entsprechende Vitrine. Dafür fehlt derzeit das Geld.

Von Christopher Beschnitt (KNA)

Der Orden der Barmherzigen Brüder

Seine Wurzeln hat der "Hospitalorden des Heiligen Johannes von Gott" im 16. Jahrhundert in Spanien. Johannes von Gott errichtete 1539 in Granada ein Hospital. Er war der Erste, der Patienten nach ihrer Erkrankung trennte und jedem ein eigenes Bett gab. Damit gilt er als Erfinder des modernen Krankenhauses. Jedes Ordensmitglied absolviert eine Ausbildung im pflegerisch-sozialen Bereich. In Bayern zählen die Barmherzigen Brüder zu den Pionieren der Hospizbewegung. Sie eröffneten 1991 in München die erste Palliativstation im Freistaat. Heute hat der Orden in Bayern 20 Brüder und rund 10.000 weltliche Beschäftigte. Er betreibt unter anderem sechs Krankenhäuser.