Bischof Oster: Kirche wird noch lange von Benedikts Vermächtnis zehren
Der Passauer Bischof Stefan Oster hat die Bedeutung des theologischen Lebenswerks Benedikts XVI. unterstrichen. Er sehe sehr viel, was darin eine Orientierungshilfe für die aktuelle Zeit biete, sagte Oster in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost". Am meisten freue er sich immer wieder darüber, wie der emeritierte Papst die Bibel auslegt "mit einem tiefen theologischen und philosophischen Blick – der aber immer auch in der Lage ist, die konkrete, existenzielle Relevanz für die Fragen des heutigen Menschen, vor allem die Sinnfragen, zu deuten". Von Benedikts geistlichem und intellektuellen Vermächtnis werde die Kirche "noch lange zehren können". Im Zuge des Münchener Missbrauchsgutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), das Benedikt XVI./Joseph Ratzinger in seiner Zeit als Münchner Erzbischof (1977–1982) in vier Fällen mutmaßlich fehlerhaftes Verhalten vorhält, war eine Debatte entbrannt, inwiefern das Lebenswerk des ehemaligen Pontifex beschädigt sei.
Beim Synodalen Weg spüre er eine starke Dynamik der großen Mehrheit in der Synodalversammlung, die bisher eingeschlagene Richtung zu Ende zu bringen, so Oster weiter. Er sei daher gespannt, ob oder wann sich der Vatikan oder der Papst dazu äußerten. Im Blick behalten müsse man allerdings auch den weltweiten synodalen Prozess: "Am Ende wird die Frage stehen: Welche Ergebnisse aus Deutschland lassen sich in diesen Prozess positiv einbringen und welche nicht?"
Bischöfe "runter vom Balkon"
Zu den Debatten über eine Reform des Bischofsamts sagte Oster, dass Papst Franziskus bereits viele Vorschläge zu diesem Thema mache. Ihn persönlich beschäftige seit längerem ein Bild, das "runter vom Balkon" heiße. Dies lasse sich in viele Richtungen deuten, etwa im Hinblick auf den Umgang mit Macht, Besitz oder Nähe zu den Menschen. Papst Franziskus habe zuletzt von "vier Nähen" gesprochen, die ein Priester leben sollte: "zu Gott, zum Bischof, zu den Mitbrüdern im Priesteramt und zu den Menschen. Alles das würde ich auch für Bischöfe so sehen", betonte der Passauer Bischof.
Als Zeichen der Zeit, "für die wir auch vom Evangelium her nach Antworten suchen", macht Oster die Klima- und Umweltkrise, die globalen Migrations- und Fluchtbewegungen, die Geschlechterfragen, die digitale Revolution sowie die "massive Entkonfessionalisierung mit dem Relevanzverlust des christlichen Glaubens in den westlichen Ländern" aus. Diese könnten allerdings auch positiv gelesen werden: "Die Menschen bekommen einen neuen Sinn für Gottes Schöpfung, sie öffnen vielfach ihre Herzen für Menschen auf der Flucht, sie fragen neue nach der Identität des Menschen; sie suchen nach einer neuen Orientierung – und hier hat der Glaube viel anzubieten." (mal)