Assisi-Seelsorger Freidel: Der Papst ist ein ganz unspektakulärer Typ
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Bruder Thomas Freidel OFM Conv. ist Ordensmann, Diakon und Pilgerseelsorger in Assisi. Im Interview erzählt er vom Geburts- und Wirkungsort des Heiligen Franz von Assisi, er berichtet über Papst Franziskus' Beziehung zum Pilgerort und er verrät, wie der italienische Blick auf den Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland ist.
Frage: Vor neun Jahren ist es im Jahr 2013 das erste Mal gewesen, dass sich ein Kirchenoberhaupt nach dem Heiligen Franz von Assisi benannt hat. Was hat das für Sie in Ihrer Gemeinschaft verändert?
Freidel: Zunächst kam am Anfang natürlich die Überraschung, dass es so was überhaupt gibt, dass ein Papst sich nach Franziskus nennt. Er hat seine Namenswahl ja dann auch begründet: Die Entscheidung fiel für Franziskus als Mensch des Friedens, als Mensch, der sich für die Armen einsetzt.
Was uns jetzt auf die Dauer hin immer wieder beschäftigt hat: Papst Franziskus kommt hin und wieder nach Assisi. Es waren jetzt fünf oder sechs Besuche. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Das geht jetzt immer alles relativ schnell. Also er macht eigentlich so etwas Ähnliches, wie es Papst Johannes Paul II. gemacht hatte. Er wählt Assisi als Ort, um ganz bestimmte Akzente zu setzen. Das war einmal – das ist jetzt schon zwei Jahre her – die Unterzeichnung seiner Enzyklika, wo er speziell Assisi gewählt hat.
Der letzte Kurzbesuch war im vorigen Jahr im Herbst, als er sich mit 500 Armen getroffen hat zu diesem Welttag der Armen, den er ja neu eingeführt hat. Der besondere Akzent war unten bei der Portiuncula-Basilika, als ihm 500 Arme und Bedürftige begegnet sind. Also er setzt ganz bestimmte Akzente. Er kommt jetzt nicht einfach so nach Assisi zum Vergnügen oder weil es ihm gefällt, sondern es geht immer um irgendein ganz bestimmtes Thema. Das will er an diesem Ort machen und dadurch ausdrücken, wie er von Franz von Assisi angeregt wird und wie er da seine eigenen Akzente setzen möchte. Der erste große Besuch war ja gleich im ersten Amtsjahr, als er bei uns war, die Messe gefeiert hat und alle wichtigen Stätten besucht hat. Es gab dann immer wieder diese Akzente und ich denke, das wird er wohl weiterhin so tun. Das zeigt, dass ihm das nach wie vor wichtig ist. Er hat sich diesen Namen gewählt und er verbindet mit Franz von Assisi eben ganz bestimmte Haltungen, ganz bestimmte Dinge.
Frage: Hat das auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in Bezug auf Assisi, Franz von Assisi und Ihren Orden verändert, wenn jetzt alle paar Monate die Weltöffentlichkeit zu Ihnen blickt?
Freidel: Am Anfang vor allem war das zu spüren, dass angeregt durch die Namenswahl des Papstes auch noch mal neue, andere Besucher nach Assisi kamen. Leute, die bisher Assisi und Franziskus nicht so auf dem Schirm hatten und die dann kamen und mal schauen wollten: Was hat es denn eigentlich auf sich mit diesem Franz von Assisi, dass sogar der Papst sich diesen Namen wählt? Und mittlerweile, das ist vielleicht auch so ein klein wenig die Absicht von Papst Franziskus, wird es irgendwie unspektakulärer mit seinen Besuchen. Natürlich ist es immer was Besonderes, wenn der Papst kommt. Da sind die Sicherheitsvorkehrungen und die Absperrungen, aber das ist gar nicht mehr so die riesige, aufsehenerregende Sache, wenn er nach Assisi kommt.
Um die Sache geht es ihm natürlich, um das Thema. Das wird hervorgehoben. Aber der Papst selber ist mit seiner Art ja ein ganz unspektakulärer Typ. Ich habe ihn selbst eigentlich bei fast allen Besuchen persönlich erlebt und begrüßt. Beim ersten Besuch durfte ich assistieren als Diakon in der Messe neben ihm. Das läuft alles sehr einfach und zwischendrin macht er seine Bemerkungen mit seinem ihm eigenen Humor. Es läuft recht unkompliziert. Und in der persönlichen Begegnung mit den Menschen ist er immer präsent und authentisch – und das beeindruckt die Menschen schon. Aber das ganze Drumherum wird zunehmend einfacher und das will er wahrscheinlich auch so.
„Papst Franziskus selber ist mit seiner Art ja ein ganz unspektakulärer Typ. Das läuft alles sehr einfach und zwischendrin macht er seine Bemerkungen mit seinem ihm eigenen Humor. Ein Besuch läuft recht unkompliziert.“
Frage: Sie leben nicht bloß in Assisi, sondern damit auch in Italien und haben den italienischen Blick auf das, was in der Weltkirche gerade passiert. Wir haben ja einen großen Reformprozess, einerseits auf weltkirchlicher Ebene mit dem synodalen Prozess, den Papst Franziskus letzten Herbst begonnen hat. Wir haben aber auch in Deutschland den Synodalen Weg, der aus dem Ausland, insbesondere aus Italien, kritisch hinterfragt wird. Wie bekommen Sie das mit?
Freidel: Das mag schon stimmen, dass dieser Synodale Weg, wie er jetzt in Deutschland stattfindet, zunächst mal auf fragende Blicke stößt: Was ist das jetzt eigentlich? Ist das jetzt eigentlich eine Synode? Nein, das ist es im herkömmlichen Sinne nicht. Aber was dann? Man ist vielleicht auch ein bisschen fremd damit und fragt sich: Was wollen die Menschen damit jetzt bezwecken? Andererseits ist es so, dass in Italien viele dieser Themen noch nicht so präsent sind und in der Öffentlichkeit noch nicht so diskutiert werden, bis hin auch zu dem ganzen Thema von Missbrauch, was es ja dort auch gibt, was im Moment aber in der Öffentlichkeit und in den Medien noch nicht so sehr präsent ist. Die Kirche hat auch immer noch eine starke Position. Sie ist präsent in der Gesellschaft und vielleicht ist es in Italien auch eine Frage der Haltung, des Respekts vor der anderen Person – über manche Dinge spricht man nicht. Da sagt man nichts drüber. Man lässt den anderen mal so sein, wie er ist. Andererseits sind diese Themen auch dort vorhanden. Und auch die Frage, was sich in der Kirche ändern sollte oder könnte, das ist in jedem Land in Europa ein Thema, nur in unterschiedlicher Weise, mit unterschiedlichem Tempo und unterschiedlichen Akzenten. Aber das spielt schon auch eine Rolle.
Mit der Sicht auf die Deutschen ist es so: Man bewundert die Deutschen – zum Beispiel unsere ehemalige Bundeskanzlerin ist in Italien sehr respektiert, sehr angesehen. Sie war ja auch in Assisi zu Besuch. Das hat schon sehr beeindruckt, wie jemand es schafft, so viele Jahre die Verantwortung in der Regierung zu tragen. Man schaut auf die Deutschen, weil man sie für fleißig, für akkurat und eben auch für präzise hält – was das bedeutet, versteht man dann, wenn man in Italien lebt. Andererseits ist es schon auch immer eine heikle Sache. Wir haben das in unserer Geschichte ja öfter, wenn wir Deutschen irgendwo hinkommen und den Leuten sagen, was sie tun sollen, was sie zu tun hätten, weil wir es doch irgendwie besser wissen … Das stimmt vielleicht sogar manchmal. Das will ich gar nicht beurteilen. Aber grundsätzlich sollte man da auch ein wenig zurückhaltend sein. Bei aller Ähnlichkeit der Probleme, es sind andere Verhältnisse in den anderen Ländern und jedes Land muss auch so ein bisschen seinen eigenen Weg suchen.
Diese Angst vor einer Spaltung der Kirche in Deutschland hört man manchmal auch. Ich sage den Mitbrüdern immer, wenn ich darauf angesprochen werde: Schau doch mal, es geht um Themen, die auch anderswo eine Rolle spielen, nur vielleicht noch nicht so benannt werden oder so knallhart diskutiert werden. In Deutschland ist man immer sehr direkt und das ist anderswo nicht so. Ich denke, es bleibt ein Anliegen. Auch die Frage: Welche Veränderungen und Entwicklungen muss es in der Kirche noch geben oder wären gut? Braucht es noch lange Zeit dafür? Also, Forderungen zu stellen, die jetzt schnell erfüllt werden sollen, damit wird es nicht gehen, vermute ich mal.
Aber ich schaue dann auch wieder auf unseren Franziskus. Was hat Franz von Assisi für Zeiten erlebt? Er hat Zeiten erlebt, in denen die Kirche ähnlich oder vielleicht sogar noch schlimmer in der Krise war. Und für ihn war der Weg dann nicht, zu gehen, sondern zu bleiben und von innen her die Kirche zu stützen und zu erneuern durch das eigene gelebte Zeugnis. Was war damals der Papst für ein mächtiger Mensch? Franziskus stützt die Kirche von innen, so wie es der Papst in seinem Traum sieht. An das Bild, das wir in unserer Basilika haben und bei jeder Führung den Menschen zeigen, denke ich immer, wenn die Leute fragen: Was würde Franziskus heute sagen? Was würde er uns heute mitgeben, auch in der Situation der Kirche? – Er würde auf jeden Fall sagen: Bleibt und stützt die Kirche von innen her. Ich meine, er selber – und das ist der andere Akzent – hat auch deutlich gesagt, was ihm wichtig ist. Er hat schon gesagt: Der Herr hat mir geoffenbart, dass ich auf diese Art und Weise das Evangelium leben soll. Er hat das schon deutlich und bewusst gesagt, aber eben integrierend und nicht spaltend. Das war sein Weg.