Schwester Jakoba Zöll über das Sonntagsevangelium

Inmitten der Kriege dem Friedenskönig zujubeln?

Veröffentlicht am 09.04.2022 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 
Palmstock, palmzweig
Bild: © KNA
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Olpe ‐ Im Lukasevangelium jubeln die Jünger Jesus zu – und niemand jubelt mit. Auch Schwester Jakoba Zöll geht das freudige "Hosanna!" nicht leicht über die Lippen. Der Widerspruch zwischen Verheißung und Realität erscheint zum Zerreißen groß. Vielleicht darf es aber auch genau darum gehen.

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Impuls von Schwester Jakoba Zöll

Der Einzug Jesu nach Jerusalem eröffnet für uns heutige Leserinnen und Leser die Kar- und Osterfeierlichkeiten. Wir lesen die Geschichte als Auftakt für all das, was danach kommen wird: für Abendmahl, Verrat, Leiden, Tod und Auferstehung Jesu.

Der Evangelist Lukas schreibt sein Evangelium zwar mit genau dem gleichen Vorwissen um Jesu weitere Geschichte, allerdings wissen die Jünger von den drohenden Geschehnissen noch nichts. Sie haben zwar die Leidensankündigungen aus Jesu Mund gehört, verstehen aber nicht, was er ihnen da prophezeit. Folgt man der lukanischen Ausgestaltung des Einzugs in Jerusalem, erwarten die Jünger etwas vollkommen anderes: Sie jubeln Jesus zu und erzählen von den heilvollen Dingen, die sie bisher mit Jesus erleben durften. Um ihren Jubel zu beschreiben, greift Lukas auf die antiken Gepflogenheiten bei der Ankunft einer wichtigen Persönlichkeit zurück. Diese wurden nämlich bereits vor den Toren der Stadt empfanden und dann bis zum Tempel der jeweiligen Stadt begleitet. Kleider vor dem Ankommenden auf dem Boden auszubreiten, sodass sein Reittier darüber geht, war eine Huldigungsgeste.

Vermengt wird diese Darstellung der Ankunft einer hochrangingen Person mit deutlichen Verweisen auf die Salbung Salomos zum König, der ebenfalls auf einem Fohlen reitet, und auf die Prophetie des Sacharja: "Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir: Gerecht und siegreich ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin. Und ich rotte die Streitwagen aus Ephraim und die Pferde aus Jerusalem aus, und der Kriegsbogen wird ausgerottet." (Sach 9–10) Die Jünger Jesu jubeln ihrem König zu, den sie als Friedenskönig in Jerusalem begrüßen.

Aber außer Ihnen fällt niemand mit ein in diesen Jubel, zumindest beim Evangelisten Lukas nicht. Die Pharisäer und symbolisch ganz Jerusalem verweigern Jesus hier ein letztes Mal die Anerkennung als den Bringer des Gottesreiches, als den Friedenskönig. Die Jünger aber können nicht schweigen von dem, was sie mit Jesus erlebt haben und als wen sie ihn erkannt haben. Sie geben ihrem festen Glauben und ihrer Hoffnung Ausdruck, dass mit Jesus der in Jerusalem einzieht, von dem Sacharja schreibt, "er verkündet Frieden den Nationen".

Wir erleben in den letzten Wochen auf besonders schmerzhafte Weise, dass die Erwartung und Hoffnung der Jünger nicht mit dem Einzug in Jerusalem erfüllt worden ist. Der Widerspruch, unseren Friedenskönig und Retter als den Herrscher der Welt zu begrüßen und zu feiern und gleichzeitig größtenteils ohnmächtig dem Kriegsgeschehen in der Ukraine, im Jemen, in Myanmar, in Nigeria und an so vielen anderen Orten der Welt gegenüberzustehen, scheint zum Zerreißen groß. Und bleibt es auch. Egal wie sehr wir unsere Hoffnung auf das Wiederkommen Jesu, auf das Leben nach dem Tod oder in unsere eigenen Handlungen legen.

Vielleicht kann es an diesem Palmsonntag genau darum gehen: Die Hoffnung auf Frieden, den irdischen und den, den die Welt nicht geben kann, nicht zu verlieren und ihr Ausdruck zu verleihen. Und gleichzeitig die furchtbare, verstörende Realität anzublicken und auch ihr eine Stimme zu verleihen.

Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 19,28–40)

In jener Zeit ging Jesus nach Jerusalem hinauf. Und es geschah: Er kam in die Nähe von Bétfage und Betánien, an den Berg, der Ölberg heißt, da schickte er zwei seiner Jünger aus und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt! Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort ein Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her! Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr es los?, dann antwortet: Der Herr braucht es.

Die Ausgesandten machten sich auf den Weg und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. Als sie das Fohlen losbanden, sagten die Leute, denen es gehörte: Warum bindet ihr das Fohlen los? Sie antworteten: Weil der Herr es braucht. Dann führten sie es zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Fohlen und halfen Jesus hinauf.

Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf dem Weg aus. Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, begann die Schar der Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Machttaten, die sie gesehen hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe!

Da riefen ihm einige Pharisäer aus der Menge zu: Meister, weise deine Jünger zurecht! Er erwiderte:
Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.

Die Autorin

Schwester Jakoba Zöll ist Novizin bei den Olper Franziskanerinnen. Sie arbeitet an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und schreibt an Ihrer Promotion.

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Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bieten wir jeden Sonntag den jeweiligen Evangelientext und einen kurzen Impuls an. Die Impulse stammen von Ordensleuten und Priestern.