"Ich bin nicht würdig"
Dabei ist sie die Frau, die blieb, als Enver Hodscha das kleine Land in eine atheistische Diktatur verwandelte. Während Geistliche getötet wurden und jede Form religiöser Betätigung ins Gefängnis führen konnte, taufte die Franziskanerin still und heimlich mehr als 100 Kinder. In ihrem 1.000-Einwohner-Dorf Pistull in den albanischen Bergen, rund 20 Kilometer von Shkodre entfernt, ist sie eine Legende.
Vor kurzem überraschte die Albaner eine Nachricht aus Rom: Papst Franziskus wird am 21. September das arme, kleine Land besuchen. Und als wäre das nicht schon erstaunlich genug, erhielt Schwester Maria von ihrem Bischof eine persönliche Einladung: Sie soll als eine von wenigen Gläubigen dem Heiligen Vater in einem persönlichen Gespräch von ihrer Lebensgeschichte berichten.
Wie viele Bewohner des kleinen Landes staunt sie immer noch, dass der Heilige Vater als erstes europäisches Land ausgerechnet Albanien besucht. Zwar war schon mal ein Papst da, doch das ist lange her: Der inzwischen heiliggesprochene Johannes Paul II. hatte 1993 das kleine Albanien besucht. Kurz nach dem Sturz des Kommunismus war das, und auch Schwester Maria stand damals in der Menge, als der Pontifex die junge, im Aufbau befindliche Kirche stärkte.
"Habt keine Angst"
"Heute ist der Tag der Auferstehung und des Lebens! Habt keine Angst!", rief Johannes Paul II. den Menschen zu, die Jahrzehnte der Angst und des Terrors in einem Staat hinter sich hatten, der das Religiöse bekämpfte. Sie sollten wieder die Freude am Gebet spüren, riet der Pontifex. Diese Freude hatte Schwester Maria nie verloren.
Die Frau aus dem kleinen Dorf Nenshet, zehn Kilometer von ihrem jetzigen Wohnort Pistull entfernt, war mit zehn Jahren als Schülerin zum franziskanischen Konvent der stigmatisierten Schwestern gekommen.
Dort wollte sie ihr Leben verbringen. Doch das Weltgeschehen wollte es anders. 1946 schlossen die Kommunisten den Konvent, warfen ihren Onkel Antonio, der dort Priester war, für acht Jahre ins Gefängnis.
Maria kehrte zu ihrer Familie nach Nenshet zurück, aus der Schwester wurde wieder eine Zivilistin - nach außen hin zumindest. Während das Land von religionsfeindlichen Pogromen heimgesucht wurde und Diktator Enver Hodscha den "ersten atheistischen Staat der Welt" ausrief, arbeitete sie in der Landwirtschaft.
Doch im Stillen blieb Schwester Maria ihrem Glauben treu. "Die Messe mussten wir im Geheimen feiern, wie früher in den Katakomben Roms", erinnert sie sich. Mit den Leuten aus dem Dorf betete sie den Rosenkranz, in bestimmten Abständen schmuggelte sie Hostien zu einem Priester, der sie konsekrierte. "So konnte ich den Leib Christi heimlich zu den kranken Leuten bringen", erinnert sich Maria.
Und noch ein Risiko ging die Ordensfrau ein: "Ich habe in diesem Dorf jedes Kind getauft", berichtet sie. Als sich das in den umliegenden Orten herumgesprochen hatte, brachten viele Gläubige ihre Kinder zu der Nonne ohne Habit. Sie hinterließ keine Aufzeichnungen, damit die Polizei bei einer Durchsuchung nichts finden konnte. Einmal sprach sie eine Mutter von Zwillingen auf der Straße an. "Sie war aus einer kommunistischen Familie und wollte, dass ich ihre Kinder taufe. Doch ich hatte nichts bei mir. In der Nähe war aber ein Fluss, also zog ich meinen Schuh aus und taufte die Kinder damit", erzählt Maria. Mehr als 100 Kinder waren es am Ende.
"Nie ist etwas passiert"
Das Erstaunliche: Manche Kommunisten wussten, was da vor sich ging. "Ich hatte Angst, aber nie ist etwas passiert", sagt sie dankbar. Nur ein Mal wurde es brenzlig: In Shkodre wurde sie eines Tages von einem Polizisten kontrolliert, der in der Tasche einen Rosenkranz fand. "Ich sagte: Das war ein Geschenk von meinem toten Onkel, und er ließ mich wieder gehen", erzählt Schwester Maria, und es klingt, als könne sie das bis heute nicht glauben.
Auch das, was jetzt auf sie zukommt, kann sie noch nicht richtig fassen. "Ich habe nur meine Pflicht getan", sagt sie und betont: "Ich bin nicht würdig, den Papst zu treffen, es gibt Leute, die viel mehr getan und gelitten haben." Maria Kaleta ist dankbar, dass das Weltgeschehen, das ihr Leben einst so durcheinandergewirbelt hatte, sie 1990 wieder vom Joch des Kommunismus befreite.
So konnte sie, die nach dem Tod ihrer Mutter 1985 allein gelebt hatte, mit zwei jüngeren italienischen Nonnen den kleinen Konvent in Pistull gründen. Ihr Holzhaus ist in der ganzen Region bekannt. Doch zu viel Trubel um ihre Person ist ihr unangenehm. Maria Kaleta schaut zu ihrem Bild der Mutter Teresa auf. Dann spricht sie einen Satz, den die italienischen Schwestern, ihren Blicken nach zu urteilen, auch über Maria Kaleta sagen würden: "Sie ist sehr wichtig für mich. Ihr zu folgen, ist sehr schwierig."
Von Michael Merten (KNA)