Prager Erzbischof zieht Bilanz seiner Amtszeit

Kardinal Duka: Lage der Kirche weniger dramatisch als oft dargestellt

Veröffentlicht am 11.04.2022 um 16:16 Uhr – Lesedauer: 

Prag ‐ Die Amtszeit von Prags Kardinal Dominik Duka neigt sich dem Ende zu – in einem Interview zieht er Bilanz: Er sieht einige "wirkliche Erfolge", die er als Erzbischof verbuchen konnte. Ein düsteres Bild zeichnet er mit Blick auf den Ukraine-Krieg.

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Der tschechische Kardinal Dominik Duka hält die Lage der Kirche im Land für weniger dramatisch als medial dargestellt. Im Erzbistum Prag habe die Zahl bekennender Katholiken bei der Volkszählung im Vorjahr sogar zugenommen, sagte der bald 79-jährige Erzbischof im Interview der Zeitung "Lidove noviny" (Wochenende).

Die katholische Kirche habe in der Tschechoslowakei im 20. Jahrhundert eine statistische Katastrophe durchgemacht, sagte Duka. Nach dem Ersten Weltkrieg habe ein Viertel der Katholiken seine Zukunft in der neuen hussitischen Kirche und in protestantischen Kirchen oder der Glaubenslosigkeit gesehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Kirche durch die Vertreibung der Deutschen ein weiteres Viertel ihrer Mitglieder abhandengekommen.

Duka begann am Wochenende sein 13. Jahr als Erzbischof in der tschechischen Hauptstadt. Schon zum 75. Geburtstag 2018 hatte der Ordensmann der Dominikaner dem Papst, wie vom Kirchenrecht vorgesehen, seinen altersbedingten Amtsverzicht angeboten, den Franziskus bis dato aber nicht angenommen hat. Er könne sagen, so Duka im Interview, dass sein Nachfolger "wahrscheinlich noch nicht ernannt" sei. Er verfüge aber über Nachrichten, "wonach die zuständige Institution dies bis Ostern weitergeben dürfte". Irgendwann bis Ende Juni sollte es soweit sein, sagte Duka.

"Wirkliche Erfolge"

Als "wirkliche Erfolge" seiner Amtszeit verbucht er nach eigener Aussage die Lösung der zwei Jahrzehnte lang schwelenden Frage der Eigentumsrechte am Prager Veitsdom sowie die Heimholung des Leichnams des "Bekenner-Kardinals" Josef Beran (1888-1969) aus Rom.

Unsicher sei er hingegen in der Bewertung seiner politischen Verhandlungen um die Rückgabe der von den Kommunisten enteigneten Kirchengüter, sagte Duka. Manch einer denke, "dass die Restitution ein großer Erfolg" gewesen sei. Sie sei aber "um den Preis großer persönlicher Kontroversen und manchmal auch Enttäuschungen" geschehen; und mit den zurückerstatteten Gütern zu wirtschaften, sei "eine sehr schwere Aufgabe".

US-Präsident Joe Biden
Bild: ©picture alliance/AP Photo/jelswick (Archivbild)

Für US-Präsident Joe Biden findet Kardinal Duka lobende Worte.

Weiter sieht Duka im russischen Angriffskrieg in der Ukraine den Beginn einer neuen geopolitischen Ära. Sowohl die "bipolare" als auch die "unilaterale Welt" seien abgetreten und ganz Osteuropa "gleichsam ins 18. Jahrhundert zurückgekehrt", sagte der Prager Erzbischof. Skeptisch äußerte er sich über pazifistische Positionen der Friedensbewegung, die einem Aggressor sein Handeln in gewissem Ausmaß erst ermöglichten.

Mit Blick auf die geopolitische Lage und den Ukraine-Krieg warnte Duka vor einer Entwicklung wie nach dem Ersten Weltkrieg. Damals habe Unruhe geherrscht, "weil ein Großteil der Länder mit der neuen Lage unzufrieden war, die der Krieg auf der Europakarte gezeichnet hatte".

Im Ringen zwischen Russland und dem Westen sind aus Sicht des Kardinals nun auch in der jüngeren Vergangenheit "einige Schritte auf beiden Seiten nicht ganz ordentlich gesetzt worden". Die jetzige "Lösung" durch Russlands Präsident Wladimir Putin sei freilich "schlecht", eine "solche Art von Krieg nicht zu rechtfertigen", betonte der böhmische Primas. "Seien wir ehrlich", meinte Duka: "So ähnlich hat der Zweite Weltkrieg begonnen"; in Berlin wie in Moskau habe man "die eigenen Interessen verteidigt".

Pazifismus werde Krieg nicht lösen

"Wir sind damit aufgewachsen, dass Krieg überflüssig" ist, so der Kardinal weiter; und auch der Ruf von Papst Franziskus nach Abrüstung und Beseitigung von Atomwaffen sei berechtigt. Pazifismus aber werde den gegenwärtigen Krieg nicht lösen, zeigte sich Duka überzeugt. Frankreich beispielsweise habe "von Hitler so rasch überrannt werden können, weil es total unvorbereitet war". Das sei auch heute zu bedenken. Europa könne sich "nicht von den USA trennen".

Für US-Präsident Joe Biden fand der Kardinal lobende Worte. Zu Recht habe dieser jüngst seine Rede in Warschau mit den Worten Johannes Pauls II. "Habt keine Angst" eingeleitet. Angst sei ein schlechter Ratgeber; man gebe "nach, wo man nicht nachgeben dürfte", und erliege völlig "destruktiven Emotionen", befindet Duka. Im Übrigen eröffnet sich aus Sicht des Kardinals derzeit auch ein "Raum für eine große Rehabilitierung Mittel- und Osteuropas". Der gefallene Eiserne Vorhang wirke nämlich nach wie vor "mental in den Köpfen vieler Politiker in Westeuropa weiter fort, die Europa in Ost und West aufteilen".

Mit Blick auf die vom Ukraine-Krieg ausgelösten Flüchtlingsbewegungen rät Duka zu "einem gewissen Pragmatismus". Was man den Flüchtlingen heute gebe, gäben sie später zurück. Der Kardinal zog zudem einen Vergleich zum Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg: Dieser sei "nicht nur ein Gewinn für Deutschland und Westeuropa gewesen, sondern auch ein Impuls für die Entwicklung der amerikanischen Industrie und des Handels". (tmg/KNA)