Trennung der Debatten um Abtreibungsparagraphen macht keinen Sinn
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Die Bundesfrauenkonferenz des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat die geplante Abschaffung des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs begrüßt. Der Paragraf regelt das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche und war erst vor drei Jahren deutlich gelockert worden. Eine Streichung sei "überfällig", meinen die weiblichen BDKJ-Mitglieder. Es sei "nicht hinnehmbar, dass die bloße Information darüber, wo und wie Abtreibungen durchgeführt werden, strafbar sein soll", heißt es in einem Beschluss des BDKJ-Gremiums von Anfang April. "Die Gleichsetzung von 'Information' mit 'Werbung'" sei "frauenfeindlich und feindlich gegenüber schwangeren Menschen", so der Beschluss weiter. Das Papier fährt sodann schwerste Geschütze auf: Das Werbeverbot gehe auf "nationalsozialistische Gesetzgeber" zurück und sei Ausdruck eines "faschistischen Frauenbildes". Die bisherige Regelung befördere zudem die "Einschüchterungskampagnen radikaler Abtreibungsgegner*innen".
Angesichts dieser Positionierung würde man gerne wissen, wie die BDKJ-Bundesfrauenkonferenz denn zur Abtreibung selbst steht. Derartige Nachfragen würde man sich wahrscheinlich verbitten: "Wir stellen uns entschieden gegen alle Argumente, die die Debatte um §219a und §218 StGB vermischen", so der Beschluss. Doch eine solche Trennung ergibt keinen Sinn. Das Werbeverbot ist integraler Bestandstand des Schutzkonzeptes, das der Gesetzgeber laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993 zu gewährleisten hat. Das Katholische Büro in Berlin hat das erst kürzlich mit einer Stellungnahme wieder in Erinnerung gerufen. 1995 beschloss der Bundestag ein neues Abtreibungsrecht. Laut dem damals neugefassten Paragrafen 218 gilt eine Abtreibung als rechtswidrig, aber straffrei, wenn sie innerhalb der ersten drei Monate und nach einer Konfliktberatung durchgeführt wird. Die Abtreibungsärztin Kristina Hänel hat ganz bewusst immer wieder gegen den Paragrafen 219a verstoßen – nach eigenem Bekunden mit dem Ziel, dass ihr Fall vor dem Bundesverfassungsgericht landet und es zu einer höchstrichterlichen Neupositionierung in Sachen Abtreibung kommt.
Im öffentlichen Bewusstsein hat der Kompromiss der Neunzigerjahre längst dazu geführt, dass viele die Abtreibung schlicht für erlaubt halten oder meinen, es gebe ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Für viele Befürworter ist klar, dass die Streichung des Paragrafen 219a nur der Anfang sein kann. Auch die Grünen fordern eine "Entkriminalisierung von selbstbestimmten Abbrüchen" und die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Ob da aus den Reihen des BDKJ Widerspruch zu erwarten ist?
Der Autor
Benjamin Leven ist Redakteur der "Herder Korrespondenz".Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.