Brasilianischer Kardinal leitet Ordenskongregation seit 2011

Braz de Aviz wird 75: Koordinator für prophetischen Teil der Kirche

Veröffentlicht am 23.04.2022 um 12:10 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Seit elf Jahren leitet Joao Braz de Aviz die vatikanische Ordenskongregation. Er und rund 40 Mitarbeiter sind zuständig für eine Million Ordensleute – davon 80 Prozent Frauen. Am Sonntag wird der Brasilianer 75 Jahre alt.

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Im Medientrubel rund um den Vatikan kommt Joao Braz de Aviz selten vor. Gelegentlich tritt der gutmütig wirkende Brasilianer zwar öffentlich auf, versieht seine Arbeit aber weitgehend unbehelligt von Kontroversen. Dabei hat Braz de Aviz als Leiter der vatikanischen Ordensbehörde kein leichtes Arbeitsfeld. Dieses beackert er seit über elf Jahren mit rund 40 Mitarbeitern. Übrigens mehr Frauen als Männer. Am 24. April wird Braz de Aviz 75 Jahre alt.

So müssen Braz de Aviz und seine Leute darauf achten, dass die weltweit 2.000 bis 3.000 Orden, Institute und andere Gemeinschaften allein päpstlichen Rechts ihre Statuten und andere Vorgaben einhalten. Während traditionelle Orden wie Benediktiner, Franziskaner oder Jesuiten damit weniger Probleme haben, fehlt jüngeren Gemeinschaften mitunter die Erfahrung und gemeinschaftliche Praxis.

Dem Vernehmen nach wird an der Ordenskongregation eine Untersuchung koordiniert, wie sich jüngere Gemeinschaften seit den Aufbrüchen im 20. Jahrhundert bis heute entwickelt haben. Anlass dazu sind diverse Skandale um charismatische Gründer- und Führungsgestalten, die vom rechten Weg abkamen. Nicht nur deswegen rückt der Chef der Ordensbehörde von der Vorstellung ab, ein Leben im Orden sei eine perfektere Form des Christseins als die normaler Priester oder Laien. "Es gib nur eine Heiligkeit, die der Getauften", so der Kardinal. Ordensfrauen und -männer sollten vor allem prophetisch sein.

Kulturelles Erbe der Ordensgemeinschaften sichten und bewahren

Zusätzlich soll der Brasilianer, der selber keinem Orden angehört, mit seiner Behörde helfen, das kulturelle Erbe von Ordensgemeinschaften als Teil des Kirchen- und Menschheitserbes zu sichten und zu bewahren: Archive, Bücher, künstlerische und liturgische Werke sowie Gebäude. Angesichts des drohenden Aussterbens etlicher Gemeinschaften eine beachtliche Aufgabe

Erschwert wird diese dadurch, dass Klöster und Ordensgemeinschaften in der katholischen Kirche eine größere Selbstständigkeit haben. Und dann ist da oft noch die jeweilige Ordensleitung, die ebenfalls in Rom sitzt. Das verlangt zumindest viel Koordination und Absprache.

Zudem hat der Papst mit seinem Erlass "Vos estis lux mundi", die Ordensbehörde 2019 damit beauftragt zu überwachen, ob Ordensobere mit Fällen von Missbrauchsverdacht richtig umgehen. Nicht nur dem von Minderjährigen. Auch der sexuelle und geistliche Missbrauch von Ordensfrauen sowie deren Ausbeutung ist ein Thema, bei dem die Kirche einiges aufzuarbeiten hat.

Bild: ©KNA

Lange musste Joao Braz de Aviz nicht auf seine Kardinalsernennung warten: 2011 holte Benedikt XVI. den Erzbischof nach Rom, schon ein Jahr später wurde ernannte er den Brasilianer zum Kardinal. Anfang März erhob Papst Franziskus Braz de Aviz in den Ehrenrang eines Kardinalpriesters.

Unter den rund eine Million Ordensmitgliedern der katholischen Weltkirche bilden Frauen die deutlich stärkere Fraktion: Ihren Anteil bezifferte Braz de Aviz jüngst mit 80 Prozent. Um die katholische Kirche weniger klerikal und auch weiblicher zu machen – ein Ziel zu dem sich der Kardinal mehrfach bekannte –, steht somit in Frauenorden ein großer Fundus von Kompetenz, Talenten und Idealismus zur Verfügung. Ein Indiz dafür: die Besetzungen etlicher höherer Kurienposten in jüngster Zeit mit Ordensfrauen.

Darüber hinaus setzen Franziskus und andere Kirchenverantwortliche auf Ordensleute, um die katholische Kirche weniger klerikal und priesterzentriert zu machen. So sind gerade Ordensleute – meist Frauen – an den existenziellen Rändern der Gesellschaft und der Kirche im Einsatz. Das soll von Rom aus weiterhin möglichst gut unterstützt werden, weswegen Franziskus' Kurienreform die Ordensbehörde weitgehend unverändert lässt.

Den Auftrag, die "Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften Apostolischen Lebens" zu leiten, erhielt Joao Braz de Aviz Anfang 2011 von Benedikt XVI. Der holte den damals 63 Jahre alten Erzbischof von Brasilia nach Rom, ernannte ihn gut ein Jahr später zum Kardinal. Unmittelbar nach seiner Wahl zum Papst bestätigte Franziskus den lateinamerikanischen Mitbruder auf dem Posten.

"Das ist Betrug, eine Täuschung"

Geboren wurde Joao Braz de Aviz am 24. April 1947 in Mafra im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina. Wie viele spätere Kuriale und Bischöfe studierte er einige Jahre in Rom. Nach der Priesterweihe 1972 war Braz de Aviz 22 Jahre lang als Pfarreiseelsorger, Leiter eines Priesterseminars und Hochschuldozent tätig. 1994 ernannte ihn Johannes Paul II. zum Weihbischof in Vitoria (Espirito Santo) und vier Jahre später zum Bischof von Ponta Grossa (Parana). 2002 wurde er Erzbischof von Maringa; zwei Jahre später schickte Benedikt XVI. ihn in die brasilianische Hauptstadt.

Dort war er einer der ersten, der sich gegen die zunehmend erfolgreichen Wohlstandsprediger unter Brasiliens Evangelikalen aussprach. "Ich liebe Gott, weil er mich reich macht. Das ist Betrug, eine Täuschung", sagte Brasilias Erzbischof damals. Eine gewisse Nähe zu Lateinamerikas Befreiungstheologie war bei ihm schon länger spürbar.

Anfang März erhob der Papst den Brasilianer – zusammen mit anderen Kardinälen – in den Ehrenrang eines Kardinalpriesters. Sollte Franziskus Anfang Juni, wenn die neue Kurienverfassung in Kraft tritt, Leitungsposten neu vergeben, wäre eine Versetzung von Braz de Aviz vorstellbar. Laut der neuen Ordnung ist für Kurienpräfekten erst mit 80 Schluss. Braz de Aviz hätte dann noch fünf Jahre, um als vielgedienter Kirchenmann eine weitere Aufgabe zu übernehmen.

Von Roland Juchem (KNA)