Bischof Ackermann setzt Kentenich-Seligsprechung vorerst aus
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat das Seligsprechungsverfahren des Gründers der Schönstatt-Bewegung, Pater Josef Kentenich, ausgesetzt. Wie das Bistum am Dienstag mitteilte, werde der Bischof das Verfahren "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" nicht "aktiv fortführen". Mit der Aussetzung des Verfahrens sei kein Urteil über Leben und Wirken von Kentenich verbunden. Ackermann könne aber nicht einen Seligsprechungsprozess für eine Person fortführen, "gegen die Anschuldigungen vorliegen, die derzeit nicht sicher entkräftet werden können", so der Bischof gegenüber katholisch.de. Sollten neue Erkenntnisse vorliegen, die die offenen Fragen zufriedenstellend beantworten, sei es nicht ausgeschlossen, dass das Verfahren wieder aufgenommen werden könne, so Ackermann weiter. Mit der Aussetzung des Prozesses werde es aber keine Aktivitäten von Seiten des Bistums mehr geben. Im Sommer 2020 hatte die Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach erstmals Missbrauchsvorwürfe gegen den Schönstatt-Gründer veröffentlicht, die sie anschließend mit einer Archivdokumentation untermauerte.
Das Generalpräsidium des Schönstatt-Werks kündigte ebenfalls am Dienstag an, die Aussetzung des Seligsprechungsverfahrens für "weitere intensive Aufarbeitung der geschichtlichen Zusammenhänge" zu nutzen und bezeichnete die Entscheidung als "Impuls" für die Bewegung: "Die weitere Erforschung der Zusammenhänge kann helfen, den Gründer Schönstatts noch besser zu verstehen, auch als Persönlichkeit, die im Bewusstsein ihrer Sendung für die Kirche Widerstände hervorruft und aushalten kann."
Keine Ergebnisse der Expertenkommission
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Ackermann zunächst angekündigt, eine zweite Historikerkommission zur Auswertung neu zugänglicher Akten aus den vatikanischen Archiven einzurichten. Statt einer Historikerkommission nach den kirchenrechtlichen Vorgaben für Selig- und Heiligsprechungsprozesse wurde im März 2021 eine mit Experten verschiedener Disziplinen besetzte Kommission zur Untersuchung der Vorwürfe eingerichtet, von der jedoch keine Ergebnisse vorliegen. Die Zusammensetzung der Kommission ist offiziell nicht bekannt. Nach Informationen von katholisch.de handelte es sich um einen Pallottiner sowie zwei Mitglieder der Schönstatt-Bewegung. Daneben gehörten neben Kirchenhistorikern auch Vertreter von Pastoraltheologie und Religionspädagogik zu den Experten, nicht jedoch Teuffenbach, deren Forschungen erst zur Neubewertung führte. Ackermann zeigte sich nun überzeugt, dass es zur Bewertung Kentenichs freie Forschung brauche. "Die Diskussionen der letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass es eine vertiefte Forschung zu Person und Wirken von Josef Kentenich braucht", so der Bischof.
Neben den Anschuldigungen, die von Schwestern der von Kentenich gegründeten Gemeinschaft im Seligsprechungsverfahren unter Eid zu den Unterlagen gegeben wurden, wurde im vergangenen Jahr ein weiterer Vorwurf bekannt. In den USA wurde Kentenich vorgeworfen, zwischen 1958 bis 1962 einen Menschen sexuell missbraucht zu haben. Ackermann hatte diesen Vorwurf erneut prüfen lassen, um festzustellen, ob die damalige Untersuchung auch nach heutigen Kriterien als ausreichend betrachtet werden könne. "Das anwaltliche Gutachten kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis, sondern regt an, diese Frage im Kontext mit den weiteren noch zu klärenden Aspekten zu bewerten", so die Mitteilung des Bistums. Das Schönstatt-Generalpräsidium teilte ohne weitere Bewertung mit, dass es dieses Ergebnis "zur Kenntnis" nehme.
Weitere Vorwürfe und Unklarheiten bekannt geworden
Die ursprünglichen Vorwürfe gehen auf eine Visitation der Schönstatt-Bewegung durch den Jesuiten Sebastian Tromp in den Jahren 1951 bis 1953 zurück. Teuffenbach war in Akten aus der Zeit von Papst Pius XII. (1939-1958) auf Unterlagen der Visitation gestoßen, weitere von ihr veröffentlichte Dokumente stammen aus dem Provinzialarchiv der Pallottiner und zeigen, dass die Vorwürfe bereits der ersten Historikerkommission des bereits 1975 eröffneten Seligsprechungsverfahrens bekannt waren. Im Zuge der Diskussion über die Funde wurde außerdem die Frage aufgeworfen, warum Kentenich sich 1952 nach Milwaukee begeben musste und ob seine Rückkehr nach Deutschland zu der von ihm gegründeten Bewegung im Jahr 1965 mit einer formellen Rehabilitierung verbunden war.
Das Generalpräsidium der Schönstattbewegung und die Marienschwestern hatten die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen, zeigten sich aber in ihren Mitteilungen stets offen für eine transparente Aufklärung. Schönstatt hoffe, "dass auf diesem Weg bezüglich Person, Leben und Werk ihres Gründers so bald wie möglich weitere Transparenz und Klarheit geschaffen werden kann", so die erste Erklärung zur ursprünglich geplanten Einrichtung der neuen Historikerkommission. Die Kentenich-Biographin Schwester Doria Schlickmann hatte in einem Interview auf der Webseite des Schönstatt-Werks unmittelbar nach den ersten Veröffentlichungen die Vorwürfe gegen Kentenich als "Missdeutungen und fälschliche[] Anklagen" bezeichnet. Der Postulator des Seligsprechungsverfahrens bezeichnete die Vorwürfe als "unseriös". Der Versuch der Marienschwestern, die Veröffentlichung von Teilen von Teuffenbachs Archivdokumentation mit einem Unterlassungsantrag zu verhindern, scheiterte vor Gericht. (fxn)