Caritas-Chefin: Suizidhilfe darf nicht Normalität werden
Caritaspräsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa fordert vom Staat verstärkte Anstrengungen bei der Suizidvorbeugung. Es müsse verhindert werden, dass sich Sterbe- und Suizidhilfe angesichts von Versorgungslücken in der Pflege zu normalen Formen der Lebensbeendigung entwickeln könnten, schreibt die Chefin des katholischen Wohlfahrtsverbandes am Montag in einem Beitrag für das Internetportal kirche-und-leben.de.
Aus Sicht von Welskop-Deffaa muss das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidbeihilfe vom Februar 2020 im Licht der Pandemie neu gelesen werden. Viele alte Menschen seien im Corona-Lockdown einen einsamen Tod gestorben, weil sie von ihren Angehörigen in Krankenhäusern und Altenheimen nur kurz oder gar nicht besucht werden durften. Das so heftig umstrittene Urteil aus Karlsruhe spreche sich klar für eine lebensbejahende Kultur der Sorge aus und fordere eine bessere Vorbeugung gegen Suizide.
Welskop-Deffaa warnt vor zu schnellem Zugang zu Suizidmitteln
Die Caritas-Präsidentin forderte den Gesetzgeber auf, für Schutz gegen gesellschaftliche Einwirkungen zu sorgen, die "als Pressionen wirken": "Der Gesetzgeber muss verhindern, dass alte und kranke Menschen in Rechtfertigungssituationen geraten können, wenn sie Suizidangebote seitens Dritter ausschlagen wollen."
Welskop-Deffaa warnte vor einem schnellen und problemlosen Zugang zu Suizidmitteln. "Die Einschränkung des Zugangs zu Suizidmitteln bewirkt einen wichtigen Zeitgewinn in der suizidalen Krise." Auch müsse die Versorgung Sterbenskranker in der Palliativmedizin verbessert werden. Die Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen müssten die Freiheit behalten, "sich konzeptionell als 'Schutzraum' zu verstehen, in dem Menschen sich aufgrund einer lebensbejahenden Sorgekultur aufgehoben fühlen - bis zuletzt".
Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung gekippt. Die Selbsttötung gehöre zum Recht auf Selbstbestimmung, so die Karlsruher Richter. Das schließe auch die Hilfe Dritter ein. Ein neues Gesetz, das ein von den Richtern vorgeschlagenes Schutz- und Beratungskonzept ermöglicht, steht noch aus. (KNA)