Berufung auf Staatssekretär Parolin im Streit mit Pell

Kardinal Becciu beteuert in Finanzprozess Unschuld – "Infame Vorwürfe"

Veröffentlicht am 06.05.2022 um 10:05 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Er sei das Opfer "infamer" und "haltloser" Anschuldigungen: Kardinal Giovanni Angelo Becciu verlas im vatikanischen Finanzprozess am Donnerstag eine fast 50 Seiten lange Erklärung. Auch der Streit mit Dauerwidersacher Kardinal George Pell war Thema.

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Kardinal Giovanni Angelo Becciu stellt sich im vatikanischen Finanzprozess als Opfer "infamer" und "haltloser" Anschuldigungen dar. In einer fast 50 Seiten langen "spontanen Erklärung", die der Kardinal in rund zweieinhalb Stunden verlas, bekräftigte er am Donnerstag seine Unschuld und Erschütterung über alle Vorwürfe gegen ihn. "Jedes kirchliche Amt wurde mir aberkannt; ich wurde an den Rand der Kurie und der Kirche gedrängt", klagte Becciu mit teils brüchiger Stimme. Ganz zu schweigen vom Leid, das seine Familie erlitten habe. Er frage sich: "Warum wurden diese falschen Anschuldigungen dem Heiligen Vater gemeldet? Zu welchem Zweck?"

Becciu, bis 2018 als Substitut an einer Schaltstelle im Staatssekretariat tätig, werden im großen vatikanischen Finanzprozess Veruntreuung und Amtsmissbrauch sowie Verleitung zur Falschaussage vorgeworfen. Im Kern geht es in dem Prozess mit weiteren neun Angeklagten um finanzielle Unregelmäßigkeiten und Verluste von rund 270 Millionen Euro beim Erwerb einer noblen Londoner Immobilie. Hierbei sollen Berichten zufolge auch Spenden aus der päpstlichen Sammlung "Peterspfennig" benutzt worden sein; ein Vorwurf, den Becciu ausdrücklich zurückwies.

Dem Kardinal werden zudem fragwürdige Überweisungen in sein sardisches Heimatbistum an eine karitative Kooperative unter Leitung seines Bruders angelastet, außerdem Zahlungen an die ebenfalls angeklagte Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna. Auch hier wies Becciu alle Vorwürfe sowie Spekulationen über eine private Beziehung der beiden zurück. Es sei eine rein professionelle Zusammenarbeit gewesen. Alle anderen Behauptungen zeugten "von mangelnder Rücksichtnahme auf Frauen im allgemeinen".

Kardinal George Pell liest in einem Buch am 1. Dezember 2020 in seiner Wohnung nahe dem Vatikan in Rom.
Bild: ©KNA/Francesco Pistilli (Archivbild)

Ebenfalls Thema waren Vorwürfe Kardinal George Pells gegen Becciu.

Besonderes Augenmerk legte der 73-Jährige in seinem Monolog auf Alberto Perlasca. Dieser überblickte als Verwaltungsleiter im Staatssekretariat bis 2019 dessen Finanzaktionen. Gegen ihn wurde nicht Anklage erhoben; vielmehr ist er Hauptzeuge. Der Streit über Einsicht in Audio- und Videoaufnahmen von Befragungen Perlascas hatte den Prozess monatelang verzögert. Erstmals war ein Anwalt Perlascas beim Prozess anwesend.

Perlasca habe sich als Leiter des Verwaltungsbüros quasi wie das Oberhaupt "eines kleinen Reiches" gefühlt, er sei "jähzornig" und "empfindlich" gewesen. Als er im Zuge der Ermittlungen von allen Aufgaben entbunden wurde, habe er mit Selbstmord gedroht. Dennoch habe er sich stets auf die große fachliche Expertise Perlascas verlassen und ihm vertraut, so Becciu. Der Kontakt sei freundlich gewesen – bis zu einem Abendessen 2020. Da sei er von Perlasca quasi verhört worden. Dass er bei diesem Gespräch von seinem ehemaligen Untergebenen wohl auch abgehört wurde, treffe ihn sehr, so Becciu.

Becciu beruft sich im Streit mit Pell auf Parolin

Im Streit mit Dauerwidersacher Kardinal George Pell berief sich Becciu auf eine Bestätigung seiner Position durch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Becciu zitierte aus einem Brief von Ende April, in dem Parolin bestätigt habe, dass es keine fragwürdige Überweisung im Auftrag Beccius rund um den Missbrauchsprozess von Kardinal Pell gegeben habe. Die "schändlichen und unerträglichen Unterstellungen" Pells hörten einfach nicht auf, klagte Becciu.

Pell hatte dem früheren Kurienkardinal indirekt vorgeworfen, für fragwürdige Überweisungen des Vatikan nach Australien 2017 verantwortlich gewesen zu sein. "Ich habe eine Frage an Kardinal Becciu: Wird er uns sagen, wofür das Geld bestimmt war?", so Pell in einem Interview voriges Jahr. Sie seien genau in der Zeit geflossen, als Pell sich wegen Missbrauchsvorwürfen vor der australischen Justiz verantworten musste. Konkret soll es um 2,3 Millionen Australische Dollar (rund 1,5 Millionen Euro) gehen. Diese seien, so Becciu am Donnerstag, nachweislich für die Bezahlung der Internet-Domain ".catholic" eingesetzt worden. Dabei zitierte er nach eigenen Angaben Parolins Ausführungen in besagtem Brief.

Der australische Kardinal Pell war wegen Missbrauchsvorwürfen 2019 zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Nach 404 Tagen im Gefängnis wurde der ehemalige Vatikan-Finanzchef 2021 vom höchsten Gericht Australiens aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Becciu verbindet eine jahrelange Rivalität mit Pell. Der Australier hatte sich einst als Präfekt des 2014 errichteten Wirtschaftssekretariates um eine stärkere Finanzkontrolle bei den Kurienbehörden bemüht, war dabei allerdings auf starken Widerstand Beccius gestoßen. (tmg/KNA)