Bischof Hanke: Gesellschaft hat den Umgang mit Schuld verlernt
Aus Sicht des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke hat die Gesellschaft verlernt, mit Schuld umzugehen. Es gebe einen "Reinheitswahn", durch den "kein Fehler öffentlich passieren" dürfe, sagte Hanke der Zeitschrift "Ruf in die Zeit" (Aktuelle Ausgabe). "Wenn ich Schuld verdränge, kommt es zum Sündenbockmechanismus. Das schreckt viele ab, heute in die Verantwortung zu gehen", so der Bischof. Wo Schuld keinen Platz im Leben habe, dort gebe es umso mehr Sündenböcke. "Als Verantwortungsträger wird man schnell zum Sündenbock. Da werden alle dunklen Empfindungen und negativen Seiten, die Menschen selber in sich tragen, auf den Sündenbock gelegt."
Hanke verwies dabei auch auf den Abbruch des Bußsakraments in der Kirche. "Schuld kann ich nur bekennen in einem Raum der Barmherzigkeit", sagte Hanke, der vor seiner Zeit als Bischof Abt der Benediktinerabtei Plankstetten war. "Wo es keine Barmherzigkeit gibt, macht es keinen Sinn, Schuld zu bekennen. Das ist dann Hinrichtung." Dabei gehe es nicht darum, dass Gott Verfehlungen einfach so verzeihe, sondern vielmehr um Bekehrung. "Das ist nicht Umkehr zurück, sondern Ausgreifen nach der Zukunft, die Gott uns schenkt und verheißt."
Bei der Übernahme von Verantwortung warb der Bischof für Gottvertrauen. Er habe in seinem klösterlichen Leben die Erfahrung gemacht, dass die "geistlich kostbarsten Etappen" diejenigen gewesen seien, als ihm Dinge aufgetragen wurden, die er zunächst nicht tun wollte. Am Ende sei ihm klargeworden: "Der liebe Gott wusste, was er mir zumutet. Und was er mit mir vorhat", so Hanke. Verantwortung zu übernehmen heiße für ihn nicht, alles im Griff zu haben. "Das wäre schlimm, wenn ich alles im Griff hätte. Dann wäre ich ja ein Diktator!" Die Gesellschaft, die geistlichen Gemeinschaften und die Kirchen bräuchten Menschen, die Dinge ermöglichten und Räume schafften, um lebendig zu sein. "Im Prinzip sind Verantwortungsträger Hebammen. Sie helfen neuem Leben zum Durchbruch." (cbr)