Wissenschaft dürfe sich nicht nur in "Luftschlössern" der Fakultäten verlagern

Woelki: Theologie muss inmitten gesellschaftlicher Debatten sein

Veröffentlicht am 07.05.2022 um 09:32 Uhr – Lesedauer: 5 MINUTEN

Eichstätt/Köln ‐ Die theologische Wissenschaft steht unter Legitimierungsdruck, konstatiert Kardinal Rainer Maria Woelki. Er plädiert dafür, die Theologie raus aus den Fakultäten in die Öffentlichkeit zu bringen – als kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist.

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Die Theologie gehört nach Ansicht des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki ins Zentrum gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Debatten. Sie dürfe sich nicht nur auf die manchmal als "Luftschlösser" bezeichneten Fakultäten verlagern, sondern müsse sich auch in Zeitungen und den Sozialen Medien bewegen, sagte Woelki am Freitagabend laut Redemanuskript bei einem Vortrag in Eichstätt.

Christen seien aufgerufen, sich mit den Fragen dieser Zeit auseinanderzusetzen, so Woelki. Dabei wünsche er sich "eine konstruktive und kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist – ohne weltfremd beziehungsweise nörglerisch oder moralinsauer zu werden, aber auch ohne dessen Postulate unhinterfragt zu übernehmen".

Der Erzbischof erklärte, die Theologie stehe im Dialog der Wissenschaften unter "Legitimierungsdruck". Für die Zukunft der theologischen Fakultäten seien "die wissenschaftliche Qualität von Forschung und Lehre und der interdisziplinäre Dialog mit den anderen Wissenschaften" entscheidend.

Tradition soll bewahrt werden

Die Tradition, "das Gute, unsere Überzeugungen" sollten bewahrt werden, führte Woelki aus. "Aber nicht statisch, sondern im Austausch, auf der Suche nach einer neuen Sprachfähigkeit, nach neuen Kooperationen mit anderen Hochschulen und Instituten, und, nicht zuletzt, gemeinsam unterwegs, auf vielen synodalen Wegen weltweit, die im nächsten Jahr in die eine römische Synode münden sollen."

Woelki äußerte sich an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Die Bibelwissenschaftler der KU haben bis Sonntag zu einer Tagung über "Katholische Bildung aus biblischer Perspektive" eingeladen. Zu den weiteren Teilnehmenden zählen die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, der österreichische Kurienbeamte und Hochschulexperte Friedrich Bechina sowie der Kirchenrechtler Christoph Ohly, Rektor der von Woelki initiierten Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT).

Blick über den Rhein auf den Kölner Dom
Bild: ©KNA/Adelaide Di Nunzio

Das Erzbistum Köln ist wegen des Umgangs mit Missbrauchsfällen sowie der KHKT in der Kritik.

Das Erzbistum Köln hat die frühere Ordenshochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin zum 1. März 2020 übernommen und nach Köln verlegt. Dem Erzbistum sei es darum gegangen, den Studierenden eine Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen, begründete Erzbischof Woelki das Engagement. Die Einrichtung diene der "Förderung von Vielfalt der Theologie". Die Finanzierung der KHKT, für die keine Kirchensteuermittel verwendet werden sollen, ist aber ungeklärt.

Keine Stellungnahme zu KHKT

Laut Redemanuskript nahm Woelki zu Fragen der KHKT keine Stellung. Er erklärte jedoch erneut die Hintergründe, die ihn zur Übernahme der Hochschule bewegt hätten: Es brauche eine Theologie, die "Strahlkraft" entwickele, die "Gesellschaftswissenschaft" sei und zu einer "Evangelisierung" führe.

Gegen Woelki protestierten laut einem Bericht des "Donaukuriers" (Samstag) rund 100 Studentinnen und Studenten. Zu den Demonstrationen vor dem Universitätsgebäude, die nicht den Vortrag selbst störten, sagte der Kardinal: "Ich habe davon nur gehört, dass es die gibt. Aber wir leben ja in einem wunderbaren Land, wo jeder seine Meinung sagen darf. Und wenn das friedlich ist, dann ist das doch alles gut."

Außerdem verteidigte der 65-Jährige den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln: "Sie können mal auf unsere Internetseite gehen und Sie finden, glaube ich, keine Diözese, die ein so gutes und transparentes Gutachten mit Blick auf Missbrauch veröffentlicht hat wie das Erzbistum Köln", zitiert ihn der "Donuakurier". Man sei ganz transparent und habe lückenlos aufgeklärt.

Neben den Protesten gegen Woelki gab es der Zeitung zufolge auch Solidaritätsbekundungen von etwa zehn Befürworterinnen und Befürwortern. Sie hätten Plakate mit Aufschriften wie "Danke für alles! Wir beten für Sie! " mitgebracht. (cph/KNA)