Ein Gelehrter mit dem militanten Geist der Gegenreformation

Papst der Kalenderreform: Vor 450 Jahren wurde Gregor XIII. gewählt

Veröffentlicht am 13.05.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Papst Gregor XIII. war ein typisches Kind seiner Zeit. Der exzellente Jurist wirkte im Sinne von Bildung und Gegenreformation. Verbunden ist sein Name aber vor allem damit, dass er einen Fehler Julius Caesars korrigierte.

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Er stand schon im achten Lebensjahrzehnt, als er nach kurzem Konklave am 13. Mai 1572, vor 450 Jahren, zum Papst gewählt wurde. Dennoch hatte Gregor XIII., wie er sich nannte, da noch 13 Jahre zu regieren; ein Papst der Gegenreformation. Seine Amtszeit verschaffte den Dekreten des Trienter Konzils (1545-1563) volle Wirkung.

Spaniens König Philipp II., damals mächtigster Herrscher in Europa, hatte den Italiener Ugo Boncompagni ins Papstrennen geschickt – und die Wahl dauerte auch keine 24 Stunden. Geboren am 1. Januar 1502, hatte Boncompagni erste Lorbeeren als Rechtsprofessor seiner Heimatstadt Bologna eingeheimst, die zum Kirchenstaat gehörte.

Ein Papst mit Sohn

Zehn Jahre vor seinem Eintritt in den Priesterstand 1558 wurde dem lebenslustigen Juristen ein Sohn geboren, Giacomo, den er legitimierte und später als Papst "standesgemäß" versorgte. Doch Familiensinn mit Grenzen: einen krassen Nepotismus wie die Renaissancepäpste kannte er nicht.

Der glänzende Rechtsgelehrte mit reicher Erfahrung in kurialer Verwaltung und Diplomatie war beeindruckt von Karl Borromäus (1538-1584), Sekretär Papst Pius' IV. Borromeo, das Musterbild eines tridentinischen Reformbischofs, wurde ein einflussreicher Ratgeber auch von Gregor XIII.

Der neue Papst und König Philipp II. wussten, dass Papsttum und katholische Vormacht aufeinander angewiesen waren. Gregor XIII. stützte sich auf neue Orden, um an die "Ketzer" verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Er förderte die Jesuiten für die Erziehung des Adels und die Kapuziner für "Volksmissionen", um systematisch das geistliche Leben in Pfarreien zu beleben.

Bild: ©Fotolia.com/jorisvo

Gregor XIII. war ein großer Bewunderer von Karl Borromäus.

Durch die Spaltung des christlich-abendländischen Kulturraums waren seinem Wirkkreis allerdings enge Grenzen gesetzt. Das erfuhr Gregor auch bei jener Kalenderreform, die bis heute mit seinem Namen verbunden sind. Das Bedürfnis zur Korrektur des Kalenders war seit langem erkannt. Große Geister wie Nikolaus von Kues hatten eine Überarbeitung gefordert; Martin Luther nannte die Reform eine politische, nicht religiöse Frage.

Hintergrund: Der gültige, von Julius Caesar in Kraft gesetzte Julianische Kalender war mit 365,25 Tagen länger berechnet worden, als die Erde benötigt, die Sonne zu umkreisen: nämlich 365,2422 Tage. Inzwischen hinkte die Zeitrechnung dem Sonnenjahr im Lauf der Jahrhunderte um zehn Tage nach – und verursachte Unordnung im kirchlichen Festkalender.

Ablehnung in der ostkirchlichen Welt

Ostern, das nach den Beschlüssen des Konzils von Nicäa am Sonntag nach Frühlingsvollmond gefeiert wird, entfernte sich von den Jahreszeiten. Um astronomische Beobachtungen zu ermöglichen, ließ Gregor einen 73 Meter hohen Turm bauen; die Geburtsstunde der päpstlichen Sternwarte. Er berief eine internationale Kommission – die erstaunliches Gelehrtengezänk präsentierte. Strikte Ablehnung kam aus Paris von der Sorbonne.

Theologen fürchteten Machtverlust: Durch die Kalenderreform mache sich die Kirche vom Sachverstand der Astronomen abhängig und verliere an Autorität mit dem Eingeständnis, beim Konzil von Nicäa im Jahr 325 geirrt zu haben. In der orthodoxen, ostkirchlichen Welt lehnte man die Reform gleich ganz ab – zum großen Teil bis heute. Auch aus protestantischen Ländern gab es, modern gesprochen, einen Shitstorm gegen die Kalenderreform. Stimmen der Wissenschaft wie Tycho Brahe oder Johannes Kepler gingen unter im Feldgeschrei gegen den "Antichrist" in Rom, der den Religionsfrieden stören wolle.

In Rom teilte man solch engherzige Ansichten nicht; dieser Papst war selbst Wissenschaftler gewesen. Er korrigierte den Kalender durch einen Zeitsprung vom 4. auf den 15. Oktober 1582. Eine Kuriosität der Kirchengeschichte: Die heilige Teresa von Avila erlag am 4. Oktober gegen neun Uhr abends in Alba de Tormes bei Salamanca einer Krankheit. Tags darauf – wegen der Kalenderreform der 15. Oktober – wurde sie beigesetzt.

Außenansicht der Päpstlichen Universität Gregoriana
Bild: ©Fotolia.com/lamio

Das darbende Collegium Romanum stellte Papst Gregor XIII. finanziell auf solide Füße. Bis heute lebt es Universität Gregoriana fort.

Mit Rücksicht auf den Frieden erließ Kaiser Rudolf II. erst im September 1583 eine Verordnung zur Kalenderkorrektur. Ängstlich vermied er einen Bezug auf die Bulle, um nicht die "Neugläubigen" vor den Kopf zu stoßen. Erst 1700, im Zeichen von Toleranz und Aufklärung, erkannten die protestantischen Souveräne den Kalender des Papstes an.

Den militanten Geist der politisch wie religiös erregten Zeit konnte Gregor XIII. kämpferisch vertreten. Er fieberte dem Sturz der englischen Königin entgegen, die sein Vorgänger Pius V. – in Überschätzung der päpstlichen Autorität – mit dem Bann belegt hatte. Er drängte Philipp II. zu gewaltsamem Vorgehen gegen Elizabeth I.; selbst Meuchelmord schien Gregor XIII. denkbar.

Schwerpunkt in der Wissenschaft

Der Schwerpunkt des Rechtsgelehrten lag aber im Bereich Bildung und Wissenschaft. Fruchtbar kooperierte Gregor XIII. mit den Jesuiten. Gemeinsames Ziel war, einen sittenstrengen, gut ausgebildeten Klerus zu formen. Der Papst gilt als der zweite Stifter des Collegium Romanum. Er stellte die darbende Gründung des Ignatius von Loyola finanziell auf solide Füße, die als Universität Gregoriana fortlebt.

Auch das Collegium Germanicum et Hungaricum, Elite-Schmiede für die Reichskirche, dotierte er mit üppigen Geldspritzen. In Rom errichtete er das englische, griechische, armenische und maronitische Kolleg. Er begünstigte die Mission in Übersee, oft in Spannung zur spanischen Kolonialmacht.

Schwer fiel ihm, aus machtpolitischen Erwägungen eine unkanonische Pfründenhäufung von fünf Bischofssitzen zu erlauben: Ernst von Bayern, zwar Jesuitenschüler, aber ungeeignet für ein geistliches Leben, erkämpfte in einem Krieg den Kölner Bischofsstuhl nach Absetzung des evangelisch gewordenen Gebhard Truchseß von Waldburg. Die Kölner Kurstimme sicherte die gefährdete Reichskirche und das katholische Kaisertum – und dem Haus Wittelsbach eine Machtposition auf fast 200 Jahre.

Von Anselm Verbeek (KNA)