Bedrückende Zeiten für die Kirche: Woher kommt Hilfe?
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In wenigen Tagen beginnt in Stuttgart der Deutsche Katholikentag. Motto: "leben teilen". Es ist der 102. Katholikentag – vielleicht wird das Treffen vom 25. bis 29. Mai 2022 eines der kleinsten in der langen, historischen Reihe.
Hinter den Planerinnen und Planern liegen bange Wochen und Monate, denn viele der angefragten Prominenten haben abgesagt. Diese Abkehr ist neu. Sie markiert den Niedergang der Institution katholische Kirche, vertreten vornehmlich von den Bischöfen, im öffentlichen Meinungsbetrieb der Bundesrepublik. Ihnen rechnet man sexuelle Gewalttaten durch Kleriker an. An ihnen haftet mittlerweile das Image, sie stünden einer autoritäre Institution vor, die Freiheit, Geschlechtergerechtigkeit und religiöse Mündigkeit einschränkt.
Zeitweise sah es so aus, als würde selbst von der politischen Prominenz in Berlin kaum jemand kommen. Doch diese Drohung scheint nun abgewendet. Denn in Zeiten des Krieges in der Ukraine wollen Politikerinnen und Politiker die erste große Chance nutzen, ihre Politik vor großem Publikum zu erklären und die Bürgerinnen und Bürger im direkten Austausch um Unterstützung zu bitten. Es ist seltsam – doch so spielt der Angriffskrieg von Putins Russland dem Deutschen Katholikentag in die Hände.
Das Leitwort "leben teilen" ist gut gewählt. Denn genau dies tun viele aktive Katholikinnen und Katholiken an der Basis, in den Gemeinde. "Lebbe geht weider" wäre angesichts Kölner Ereignisse, die die Kirche ganz besonders in eine Abwärtsspirale reißen, wohl ein noch treffenderes Motto des Katholikentags als "leben teilen". Mit dem legendären Bonmot "Lebbe geht weider" hatte der serbische Trainer der Frankfurter Eintracht, Dragoslav Stepanovich, das Verpassen der deutschen Fußballmeisterschaft 1992 durch Auswärtsniederlage im letzten Spiel kommentiert. So formuliert sich in einem bedrückten Moment Mut zur Zukunft.
Bedrückende Zeiten in der katholischen Kirche in Deutschland. Woher kommt Hilfe? Am wenigsten wohl von den Oberhirten. Der Religionssoziologe Detlef Pollack, der als Nichtkatholik die katholische Kirche nicht gänzlich ohne Sympathie betrachtet, analysiert: "Die Handlungsmöglichkeiten der Kirchenspitze sind tatsächlich gering. Alles, was sie sagt, wird sofort unter Verdacht gestellt. Heilung und Aussöhnung werden vermutlich nur möglich sein, wenn Menschen, denen der Glaube etwas bedeutet, von den guten Erfahrungen mit der Kirche erzählen. Wie wichtig die seelsorgerische Begleitung war, wie schön eine Jugendfreizeit..." Hierfür gibt es beim Katholikentag in Stuttgart Raum.
Und wer hilft der Kirche? Der Protestant Pollack weiß vorsichtigen Rat. "Möglicherweise können nur die Gläubigen die Kirche aus ihrem Tief holen." Dafür kann Stuttgart einen Anstoß liefern.
Der Autor
Thomas Seiterich ist Ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift "Publik-Forum".Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.