Theologe und Musikwissenschaftler starb vor 20 Jahren

Reformer mit Traditionsbezug: Der "Musik-Prälat" Johannes Overath

Veröffentlicht am 24.05.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Der Kirchenmusikexperte und Priester Johannes Overath
Bild: © KNA

Bonn ‐ Heute ist er nur wenigen bekannt, in der Zeit nach dem Konzil war er einflussreich – und streitbar: Johannes Overath hat dessen Aussagen zur Kirchenmusik ebenso geprägt wie die Durchsetzung kirchlicher Anliegen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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Er war Priester, Musiker und Lobbyist – Johannes Overath. Das "ewige" Mitglied im Rundfunkrat des WDR, starb am 24. Mai vor 20. Jahren. Der am 15. April 1913 im Sieglar geborene Rheinländer studierte in Bonn und Tübingen Theologie und Musikwissenschaften, 1938 wurde er zum Priester geweiht. Overath war streitbar und mitunter scharfzüngig. Doch sein Intellekt, seine Auffassungsgabe und insbesondere seine Kondition empfahlen ihn seinen Vorgesetzten für verantwortungsvolle Aufgaben.

Zunächst am Priesterseminar in Bensberg, das er nach dem Krieg wieder im Schwung brachte und dem er als Homiletik und Kirchenmusikdozent erhalten bleiben sollte. Nachdem seine erste theologische Dissertation vor Abgabe während seiner Zeit als Kaplan in der Kölner Innenstadt verschüttet worden war, wurde er 1952 mit einer musikwissenschaftlichen Arbeit über Kasper Ulenbergs Liedpsalter promoviert.

Zu diesem Zeitpunkt war er schon multifunktional mit verschiedenen Aufgaben betraut worden: So gehörte er der Kommission für das Kölner Diözesangesangbuch an, wurde beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk für den Hörfunk ausgebildet. 1954 stieg er an die Spitze des Allgemeinen Cäcilienverbands auf.

Einsatz im Rundfunkrat und für traditionelle Kirchenmusik

1955 wurde Overath dann Mitglied des WDR-Rundfunkrats – und er sollte sein dienstältestes Mitglied werden. Die nordrhein-westfälischen Bischöfe versuchten zum damaligen Zeitpunkt, Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nehmen: Rundfunk galt ihnen als Kommunikationsmittel christlicher Verkündigung. Aber aufgrund der Konstruktion des WDR, der damals als Staatsrundfunk angelegt war, waren zunächst keine Vertreter der Kirchen vorgesehen. Für die Besetzung fand man den Kompromiss, dass der Erzbischof von Köln in Rücksprache mit den anderen Bischöfen des Landes einen Vertreter ernennt, der einen Platz der CDU einnimmt. Erst 1985 schied Overath aus dem Gremium aus.

Zur gleichen Zeit stellte sich sein Interesse für Fragen des Urheberrechts ein. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass die Sensibilität für die Frage in den Kirchen geweckt und juristische Klarheit auf kirchenmusikalischem Terrain geschaffen wurde. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Qualitätssicherung der Kompositionen, indem Kirchenmusiker angemessen für ihr künstlerisches Schaffen entlohnt werden.

Theologisch blieb Overath bei seiner Vorstellung der Förderung und Weiterentwicklung der Kirchenmusik ganz dem Ideal verpflichtet, wie es Pius X. zu Beginn des 20. Jahrhunderts festgeschrieben hatte. Der gregorianische Choral galt damit als normativ. Das hatte auch liturgiewissenschaftliche Konsequenzen, die Overaths Einfluss auf einschlägige Passagen der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils erklären, an dem er als Berater teilnahm.

„Elektronische Musik, ich scheue mich, das Wort in den Mund zu nehmen, ist im Gottesdienst eine Fälschung. Gott braucht keine Apparate, sondern lebendige Menschen.“

—  Zitat: Johannes Overath

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verschrieb er sich ganz der buchstabengetreuen Umsetzung der Konzilsbeschlüsse – die seinem Ideal entsprachen. Das führte zu Konflikten mit jenen, die einer amusischen Auffassung von Liturgiegestaltung folgten. Gerade das mit der Ausführung der Liturgiekonstitution beauftragte "Consilium" unter Führung Annibale Bugninis stand aber unter starkem Einfluss anderer Strömungen, was Konflikte vorzeichnete.

Overath sprach sich nicht grundsätzlich gegen die Reform aus. Seine kritische Haltung bezog sich auf ein liturgisches Ideal der Kirchenmusik und einen künstlerischen Anspruch. Das Eindringen der Populärmusik in den kirchlichen Raum lehnte er somit ebenso ab wie die elektronischen Orgeln. "Elektronische Musik, ich scheue mich, das Wort in den Mund zu nehmen, ist im Gottesdienst eine Fälschung. Gott braucht keine Apparate, sondern lebendige Menschen", erklärte er einmal.

Strenge Orientierung an Konzilsvorgaben

Trotz des vorgezeichneten Dissenses ernannte Papst Paul VI. Overath zum Präsidenten der Consociatio Internationalis Musicae Sacrae (CIMS), einer Vereinigung von Musikwissenschaftlern, die den Vatikan in Fragen liturgischer Musik beraten sollte. Mit Kirchenmusikkongressen, Studienwochen und Publikationen sollte die Reform der liturgischen Musik im Zuge des Konzils weltweit gefördert werden. Für Overath bedeutete dies, dass die Kirchenmusik getreu der Liturgiekonstitution auszurichten sei. Das führte nach dem Konzil zu einem veritablen Konflikt mit progressiv ausgerichteten Kirchenmusikern, die sich zu einer Konkurrenzvereinigung zusammengeschlossen hatte, aber das Vertrauen Bugninis genossen.

Doch Overath teilte auch die Überzeugung des Konzils, dass bei aller Wahrung der Tradition, wie sie der gregorianische Choral darstellt, gewachsene einheimische Kulturelemente aller Völker einzubeziehen sind. Das bezieht den Respekt ein, den er indigenen Kulturen und ihrer Musiktradition entgegenbrachte. 1980 organisierte er eigens einen kirchenmusikalischen Kongress in Bonn. Seiner Grundüberzeugung folgend, sollte jede Kultur ihren eigenen Ausdruck kirchenmusikalisch finden. Sein Kriterium auch hier: liturgischer und künstlerischer Ernst.

Von Simon Kajan (KNA)