Ein Besuch, der länger wirkt
Erstmals werden die vier Reisen von Paul VI. (1964), Johannes Paul II. (2000), Benedikt XVI. (2009) und Franziskus (2014) jetzt zusammen in einem Buch präsentiert. Sein Titel: "Franziskus im Heiligen Land. Päpste als Botschafter des Friedens". Der deutsche Publizist und Nahost-Kenner Matthias Kopp hat die Besuche chronologisch dargestellt, Reden und Gesten analysiert und im Kontext der vatikanischen Nahost-Diplomatie erläutert.
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat ein Vorwort geschrieben. Das Buch weise nach, wie mit jeder Reise "wesentliche, neue und dem jeweiligen besonderen Charisma des Pontifex entsprechende Impulse gegeben wurden, die dann in der Folgezeit aufgegriffen und praktisch ausgewertet werden konnten, um weitere Meilensteine zu setzen auf dem Weg zu Aussöhnung und Frieden".
34 Jahre vergingen zwischen zwei Besuchen
Anlass der Reise von Paul VI. 1964 war sein Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen Athenagoras. Es brachte einen Durchbruch für die Ökumene. Kopp zeigt auf, wie in jenen Pioniertagen der Papstreisen improvisiert wurde. Weder Jordanien noch Israel unterhielten diplomatische Beziehungen zum Vatikan. "Trotz der extrem geringen Vorbereitungszeit ist ihm der Spagat gelungen: dem Wesen der Reise als Pilger treu zu bleiben und gleichzeitig die Autonomie gegenüber den besuchten Staaten zu bewahren", so der Autor.
Erst 34 Jahre später kam wieder ein Papst in die Region. Der Sechs-Tage-Krieg 1967 hatte die Landkarte verändert, der Vatikan hatte mit Israel und Jordanien Botschafter ausgetauscht und mit den Palästinensern ein Grundsatzabkommen geschlossen. Fortschritte wie Ernüchterungen gab es in der Ökumene und im interreligiösen Dialog.
Auch Johannes Paul II. deklarierte seine Reise im Jahr 2000 als "Pilgerfahrt". Aber im Vordergrund standen die Aussöhnung mit dem Judentum, der Dialog mit dem Islam, und der Friedensprozess. Als Sternstunde beschreibt Kopp die Gedenkzeremonie an der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, missglückt war der Versuch eines christlich-jüdisch-islamischen Trialogs durch eine unversöhnliche Rede des Islam-Vertreters.
Franziskus nahm bei seinem Besuch kein Blatt vor den Mund
Beim Heilig-Land-Besuch von Benedikt XVI. neun Jahre später war die Friedenseuphorie verflogen. Besonderes Augenmerk richtete der Papst aus Deutschland auf die Aussöhnung mit dem Judentum. Die theologische Ansprache in Yad Vashem über Erinnern und die Gefahr des Vergessens fand breite Beachtung. Insgesamt wirkte die Reise politischer als die des Vorgängers. Mit deutlichen Worten warb Benedikt XVI. für einen gerechten Frieden und eine Zwei-Staaten-Lösung. Er äußerte sich tief betroffen über die Trennmauer. Und er mahnte Religionsfreiheit an. Kopps Fazit: Die Begegnungen des pilgernden Papstes "in Jordanien, Israel und Palästina - kirchlich, gesellschaftlich, interreligiös und politisch - wurden zu Meilensteinen der Verständigung, Versöhnung und Vermittlung".
Franziskus baute darauf auf. Die Reise im Mai war kurz, das Protokoll vereinfacht, das Programm dicht gedrängt. Anlass war die Ökumene , die bei beiden Vorgängern nachgeordnet war. Franziskus wollte zusammen mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios an das historische Treffen von 1964 erinnern und dem Dialog neuen Schub geben. Dabei, wie auch beim Besuch in Yad Vashem und dem Treffen mit dem Großmufti konnte Franziskus weiteres Vertrauen schaffen. In seinen Äußerungen zur Lage in Nahost nahm der Papst aus Argentinien kein Blatt vor den Mund. Seine Worte hätten "ihre Wirkung nicht verfehlt, denn dieser Papst hat eine Vision für das Heilige Land", resümiert Kopp. Mit seiner Spontaneität und Herzlichkeit habe er die Herzen der Menschen in Nahost erobert. "Seine Gesten und Worte werden länger wirken, als sie gedauert haben."
Von Johannes Schidelko (KNA)