Pilgern auf den Spuren der Gastfreundschaft und des Friedens
Bereits zur Zeit der Kelten und Römer existierte eine Handelsstraße vom Rhein durch die Pfalz gen Westen nach Frankreich. Sicher ist, dass im Mittelalter diese Römerstraße auch von Jakobspilgern als Zubringer nach Santiago de Compostela in Nordspanien und damit zum Grab des heiligen Jakobus gewählt wurde. Bei den Recherchen und der Revitalisierung des Jakobswegs durch die Jakobusgesellschaft Rheinland-Pfalz Saarland e.V. in Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Lothringen diente der Nachweis über das Vorhandensein vieler Klöster zur damaligen Zeit als weiterer Beweis, dass es sich auch um einen Pilgerweg gehandelt haben muss. Denn im Mittelalter war das Unterwegssein gefährlich. Diebe und Halsabschneider lauerten im unwegsamen Gelände und den einsamen Abschnitten, die es selbst auf den Handelsstraßen gab. Des Nachts war es noch riskanter, und so war das Übernachten bei Mönchen und Nonnen hinter dicken Klostermauern ein Segen für die Pilger, die meist in der Gruppe unterwegs waren.
Die alten Gebäude strahlen Ruhe und Kraft aus
Auf dem Jakobsweg Klosterroute folgen die Pilgernden heute den alten Klöstern, und die Hinterlassenschaften in Form von Geschichten, Klosterkirchen, Ruinen oder sogar Fischteichen ist reichhaltig und macht Lust, auf Erkundungstour zu gehen. Der Weg beginnt am jüngsten der drei rheinischen Kaiserdome, St. Peter in Worms, der 1181 fertiggestellt wurde. Die Dome in Mainz und Speyer sind jeweils rund 100 Jahre älter. Vom Bergkloster, das sich mal in der Nähe des Wormser Doms befand, zeugt heute nur noch der Straßenname „Altes Bergkloster“. Der Jakobsweg führt zunächst von Worms nach Göllheim, dann in einer Nord- und Südspange bis nach Landstuhl, und weiter über Saarbrücken durch Lothringen bis nach Metz zur Kathedrale, die als die Laterne Gottes bezeichnet wird.
Geschichte ist hier überall spürbar
Die mächtigen Klosterkirchen, wie sie in Otterberg oder Enkenbach-Alsenborn stehen, sind beeindruckend, doch auch die vielen kleinen Kirchen haben ihren Reiz: Oft hat man sie ganz für sich alleine und spürt die Ruhe und Kraft, die die geschichtsträchtigen Gebäude ausstrahlen.
Die Klosterruinen Rosenthal und Wörschweiler sind absolute Höhepunkte auf dem Weg. Das Zisterzienserinnenkloster St. Maria in Rosenthal wurde 1241 vom Grafen Eberhard II. von Stauf gegründet. Die Kirche wurde im frühgotischen Stil erbaut und 1261 geweiht. Das Kloster hatte viele Privilegien: Die Nonnen durften die Vorsteherin frei wählen und waren von jedem weltlichen Gericht und jeder geistlichen Besteuerung befreit. Der Legende nach soll es zur Namensgebung gekommen sein, als man bei Rodungsarbeiten mitten im Winter blühende Rosen vorgefunden hat. Die Klosterruine ist frei zugänglich. Zwischen den verbliebenen Mauern der Kirche umherzustreifen und an den Grabplatten der Äbtissinnen zu verweilen, ist fast schon magisch. In der ehemaligen Zelle, die der Äbtissin vorbehalten war, befindet sich heute eine Pilgerunterkunft.
Die Klosterruine Wörschweiler auf der Etappe von Kirrberg nach Blieskastel liegt versteckt im Wald. Wenn man Glück hat, ist außer dem Rauschen der Bäume und Vogelgezwitscher nichts zu hören. Die beeindruckende Anlage war zunächst ein im 12. Jahrhundert vom Benediktinerkloster Hornbach gegründetes Priorat. Im 13. Jahrhundert übernahmen die Zisterzienser vom Kloster Villers-Bettnach in Lothringen dieses Kloster als eines ihrer Tochterklöster. Durch unachtsames Handeln kam es zu einem Unglücksfall. Der Klosterschaffner zündete im Jahr 1614 die Brombeerhecken an, um das Ungeziefer in den Hecken zu bekämpfen. Doch der Wind drehte, und die Flammen erfassten das Kloster.
Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein
Nicht nur Kirchen und die Überreste von Klöstern säumen den Weg. Man kann ein Römermuseum entdecken, den alten Gollenstein, einen fast sieben Meter hohen Stein aus vorkeltischer Zeit, den Eiswoog, einen Fischweiher, der von den Nonnen aus dem Kloster Ramosa angelegt wurde, und unzählige kleine Dörfer und schöne Städtchen, in denen die Zeit stehen geblieben scheint. In St. Arnual, dem ältesten Stadteil Saarbrückens, steht die unzerstörte gotische Stiftskirche aus dem 13. Jahrhundert. Das Grab des heiligen Arnualdus war ein wichtiges Pilgerziel bis zur Reformation. Erhalten sind die Grabmäler der Gräfin Elisabeth von Lothringen (1395-1456) und aller ihrer Nachfolger bis zum Dreißigjährigen Krieg. Bei archäologischen Untersuchungen im Kreuzgang wurde als Grabbeigabe eine Perle aus Gagat (Halbedelstein aus fossilem Holz) gefunden, verziert mit ausgeschnitzten Jakobsmuscheln. Ein Beleg dafür, dass auch im Mittelalter Pilger hier vorbeikamen.
Zeichen für ein friedliches Europa säumen den Weg
Wenn die Pilger bei Saarbrücken die Grenze nach Frankreich überschreiten, betreten sie geschichtsträchtigen Boden. Die Spicherer Höhe war Schauplatz des deutsch-französischen Krieges von 1870/71. In der Schlacht am 6. August 1870 verloren 1200 Menschen ihr Leben. Heute ist die Spicherer Höhe ein Ort der Besinnung und eine Mahnstätte für die Sinnlosigkeit von Kriegen. Symbole für ein friedliches Europa sowie die deutsch-französische Verständigung finden sich hier. Auf der ersten Etappe in Lothringen sind es nicht Klosterruinen oder historische Kirchen, sondern Soldatenfriedhöfe und alte Bunker, die zum Nachdenken anregen.
Der Jakobsweg Klosterroute bietet für Pilgerinnen und Pilger, die sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf den Weg machen, viele Möglichkeiten. Durch Lothringen ist man besser auf Schusters Rappen unterwegs, da die Feldwege mit dem Fahrrad nicht gut zu befahren sind. Dafür finden sich in diesem französischen Teil des Weges schöne Unterkünfte in Naturfreundehäusern und sehenswerte Kirchen, kleine Dörfer und eine wunderbare Landschaft. Mit der Ankunft an der gotischen Kathedrale in der malerischen und autofreien Altstadt von Metz endet die Klosterroute, doch der Jakobsweg geht weiter. Von Metz aus sind es nur noch etwas über 2.000 Kilometer bis nach Santiago de Compostela.
Hinweis: Magazin "der pilger – Magazin für die Reise durchs Leben"
"Urlaub für die Seele – die Welt entdecken und zu sich selbst finden" ist ein Thema in der aktuellen Ausgabe des Magazins "der pilger – Magazin für die Reise durchs Leben", das bundesweit am Kiosk erhältlich ist. Weitere Beiträge in der Sommerausgabe: "Permakulturgarten – gärtnern im Einklang mit der Natur, "Mit der Angst leben" und Schwester Birgit aus dem Franziskanerinnen-Kloster Reute verrät, wie vielfältig die Ringelblume in der Klostermedizin eingesetzt wird. In dieser Ausgabe finden Sie zudem ein 16-seitiges Spezial rund um den Martinusweg.
Buchtipp
In "Jakobsweg - Klosterroute" beschreibt Beate Steger detailliert die Wege von Worms nach Metz. Zahlreiche Fotos und Karten helfen dabei, den richtigen Weg zu finden. Mit Tipps zu Sehenswürdigkeiten, Einkehr- und Unterkunftsmöglichkeiten. Der Pilgerführer erscheint ca. Ende Mai im Pilgerverlag. 1. Auflage 2022, ca. 220 Seiten, ISBN: 978-3-946777-21-2, 16,95 Euro