Ein Stein des Anstoßes vor katholischen Kirchen
Ein schwarzer Stein, ein ehemaliger Grabstein, steht seit Donnerstagabend vor der katholischen Kirche Sankt Cyriakus in Bottrop. "Wer das Schweigen bricht ... bricht die Macht der Täter" ist auf die polierte Oberfläche eingraviert. Gestaltet wurde er von Markus Elstner, der als Missbrauchsbetroffener seit Jahren für die Aufarbeitung und Anerkennung des Leids in der katholischen Kirche kämpft. Das Mahnmal will er durch Deutschland schicken – an all jene Orte, an denen Peter H. sein Unwesen getrieben hat.
Mit dem Namen Peter H., von dem auch Elstner als Kind missbraucht worden ist, verbindet sich einer der brisantesten Missbrauchsfälle der katholischen Kirche in Deutschland. An mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern verging sich der Geistliche an Minderjährigen – und wurde trotz gerichtlicher Verurteilung und eines Gutachtens, das vor der Arbeit H.s mit Kindern warnte, erneut mit der Gemeindeseelsorge beauftragt. Erst 2010 wurde er von dieser Tätigkeit abberufen.
Wie erinnert man an das Leid von Missbrauchsbetroffenen in der Kirche?
Wie erinnert man an das Leid Betroffener sexuellen Missbrauchs in der Kirche – und auch an das Leid all derer, die nie über die Taten sprechen konnten? Elstner ist nicht der Einzige, der sich diese Fragen stellt. Eine innerkirchliche Erinnerungskultur forderte jüngst der Vorstand des Vereins Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer, Robert Köhler, auf dem Katholikentag in Stuttgart. Bei der Aufarbeitung gehe es nicht nur um Gutachten, sagte er, sondern auch darum, dass Betroffene wieder "erhobenen Hauptes" durch die Türen der Kirche schreiten wollen.
Bottrop sei der Ort, an dem alles begann, sagt Elstner. "Als Betroffener mache ich mir immer wieder Gedanken darüber, wie viele Betroffene den Missbrauch nicht überlebt haben – sei es durch Drogen, Alkohol oder weil sie sich das Leben genommen haben", erklärt er. An sie und an die, die ihr Leid bis heute niemandem mitteilen konnten, soll der Gedenkstein erinnern: "Von ihnen spricht niemand mehr."
Auf dem Stein ist auch ein Bild zu sehen – es symbolisiert einen Papst, der eine rote Maske trägt. Daneben steht der Schriftzug "Darknet". Ungeordnete Ziffern sind auf dem Bild eingraviert. Sie stehen stellvertretend für die bekannten und die unbekannten Opfer des Missbrauchs. Elstner hofft, dass sich durch die Aktion Initiativen in den Gemeinden bilden, die sich für Betroffene einsetzen.
Bei der Enthüllung seien die Gemeindemitglieder von Sankt Cyriakus als Gäste, nicht als Mitveranstalter anwesend gewesen, erklärt Propst Jürgen Cleve. "So nehmen wir das Leid der Betroffenen deutlich in den Blick und stellen uns unserer Verantwortung", fasst der Bottroper Stadtdechant zusammen. "Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass die Betroffenen größtmögliche Gerechtigkeit erfahren können." Am Donnerstagabend ebenfalls anwesend waren auch die Präventions- und der Interventionsbeauftragte der Diözese Essen. Das Ruhrbistum wolle Anteil am Leid der Betroffenen nehmen, indem es Anteil an der Aktion nehme, sagt ein Sprecher. Das Mahnmal wird noch länger auf dem Bistumsgebiet verweilen.
Der Stein soll es bis in den Vatikan schaffen
Elstner wird den Stein nach einigen Wochen in Bottrop vor die Essener Kirche Sankt Andreas stellen – einem weiteren Wirkungsort von Peter H. Danach soll das Mahnmal nach Bayern übersiedeln. Ob das funktioniert, ist noch unklar. Nach dem Willen von Elstner soll es zunächst nach Garching an der Alz gehen. Rund 20 Jahre lang war Peter H. dort Pfarrer. Elstner wird dort an einer Präventionswoche teilnehmen und seine Projekt-Idee vorstellen.
Sein Peiniger lebt derweil wieder im Bistum Essen – zurückgezogen und unter Aufsicht. Ein kirchenrechtliches Verfahren bestätigte 2016 das Berufsverbot. Pfarrer darf Peter H. sich nicht mehr nennen. Aus dem Klerikerstand wurde er jedoch nicht entlassen. Papst Benedikt XVI. war als Joseph Ratzinger Erzbischof in München, als Peter H. in das Erzbistum versetzt wurde. Bis heute bestreitet der Papa emeritus, damals von H.s Vorgeschichte gewusst zu haben. Damit gibt Elstner sich nicht zufrieden. Nach seiner Deutschlandreise, so hofft der Initiator, soll es der Stein bis in den Vatikan schaffen.