Die falschen Worte des Papstes zur Ukraine
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Es ist ein Rundumschlag. In seinem großen Interview mit Vertreterinnen und Vertretern jesuitischer Zeitschriften äußert sich Papst Franziskus in persönlichem, narrativen Ton zu aktuellen Fragen. Und erneut nimmt er Stellung zur russischen Invasion in die Ukraine.
Aber schon wieder irritieren bei diesem Thema die Wortwahl und die Bewertung des Papstes. Das fängt schon mit der Terminologie an. Franziskus spricht mehrmals von "Krieg", einmal von "Kriegsbeginn". Aber das Geschehen des 24. Februar war in der Tat kein Kriegsbeginn, sondern ein Überfall, eine Aggression. Und Krieg beginnt nicht einfach, sondern Verantwortliche beginnen einen Krieg. Russland hat ein Land angegriffen, das bis zu diesem Moment mit ihm diplomatische Beziehungen unterhielt. Letztlich weist der Beginn der Aggression – was in der päpstlichen Schilderung ganz unter den Tisch fällt – zurück ins Jahr 2014, den Konflikt auf der Krim, deren Annexion, den Bruch des Völkerrechts durch Russland.
Das zumindest zu erwähnen wäre weit mehr gewesen als die Bekundung von Respekt gegenüber der Ukraine. Denn nun lässt der Papst einen wichtigen Aspekt, das seit 2014 andauernde Leiden der Ukrainer, unter den Tisch fallen. Auch die existenzielle Angst eines Volkes.
Weit gravierender scheint mir noch, mit welcher Selbstverständlichkeit das Kirchenoberhaupt die als "imperial" geschilderte Haltung Moskaus hinnimmt und sich an die These eines namentlich nicht genannten Staatschefs anlehnt, die Nato wolle sich als "fremde Macht" Russland nähern. Die katholische Kirche setzt gerne auf das Völkerrecht, um durch Konkordate eigene Rechte und Strukturen abzusichern. Nichts dagegen. Aber hier blendet ihr oberster Repräsentant völkerrechtliche Grundlagen und das Selbstbestimmungsrecht des ukrainischen Volkes aus.
Und ja – Papst Franziskus spricht in hoher Anerkennung vom Leid und vom Zusammenhalt der Ukraine. Er besingt das Heldentum des ukrainischen Volkes. Er beschwört eine "geopolitische Vereinnahmung, die ein heldenhaftes Volk zum Märtyrer macht". Was allein fehlt bei all diesen Wendungen – das Wort "Opfer" taucht nie auf. Dabei bleibt der Satz gültig, der bald nach Beginn der Kampfhandlungen geprägt wurde: Wenn die Ukraine aufhört, zu kämpfen, hört sie auf zu existieren. Wenn Russland zu kämpfen aufhört, ist dieser Krieg vorbei.
Sicher – das klärt nicht geopolitische Erwägungen, das sagt nichts zu strategischen Fragen. Aber sie gehören auch nicht ins Repertoire eines Papstes. Dessen Zuständigkeit, dessen Kompetenz gilt beispielsweise den Fragen, warum es einen gerechten Krieg (nicht mehr/noch) gibt oder ob Rüstungsindustrie immer unethisch ist. Dann soll er es sagen. Aber die Art und Weise, wie er ins politische Geschäft wechselt und im Gespräch der Nato eine Rolle zuschiebt, irritiert. Leider scheint die Propaganda-Vorlesung des Kriegspredigers Kyrill doch gewirkt zu haben.
Der Autor
Christoph Strack ist Leiter des Bereichs Religionen der Deutschen Welle.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.