Mit Blick auf den Trierer Dom: Warum ein Domkapitular Bier braut
Auch Priester brauchen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, die sie die Sorgen ihres Berufs für einige Stunden vergessen lässt. Diese Erfahrung hat Domkapitular Markus Nicolay in seiner Zeit als Personalreferent im Bistum Trier gemacht – und sich mit dem Bierbrauen selbst ein Hobby zugelegt. Auch in seiner heutigen Tätigkeit als Pfarrer in Trier ist er dem Brauen treu geblieben. Im Interview erzählt der promovierte Theologe, wie er zu seinem Hobby gekommen ist und wie sich Bierbrauen mit der Seelsorge verbinden lässt.
Frage: Herr Nicolay, eines Ihrer Hobbys ist das Bierbrauen. Wie sind Sie dazu gekommen?
Nicolay: Mein Neffe stammt aus München und hat hier in Trier das Winzer-Handwerk gelernt. Vor vier Jahren ist er nach Trier gezogen und hatte anfangs etwas Heimweh, weil er das erste Mal von seiner Familie getrennt war. Da haben wir uns eines Abends in einer bayerischen Wirtschaft am Moselufer getroffen. Nach einigen Gläsern Bier kam uns die Idee, einmal selbst welches zu brauen. Das Bier stellte für den jungen Mann eine Verbindung zwischen seiner Heimat und seinem neuen Beruf her. Im Dezember 2018 haben wir dann das erste Mal gemeinsam Bier gebraut. Natürlich nur in ganz kleinem Umfang.
Frage: Von welcher Menge sprechen Sie?
Nicolay: Es waren nur 20 Liter, die wir in einem Einkocher gebraut haben. Ein Bekannter aus Trier, der selbst schon länger Bier braut, hat uns ein wenig angeleitet. Er riet uns, am Anfang nicht alle Schritte des Brauprozesses selbst zu machen, sondern mit einem Prozessschritt anzufangen. Beim ersten und zweiten Mal haben wir daher mit einem sogenannten Malzextrakt gearbeitet. Das bedeutet, dass der ganze Maische- und Abläutervorgang schon erledigt war. Aus heutiger Sicht war das natürlich ein Witz, aber wir waren sehr froh, dass wir die ersten Schritte auf diese Weise üben konnten.
Frage: War Ihr erstes Bier denn genießbar?
Nicolay: Ja, natürlich. Bisher konnte man alle unsere Biere trinken. Aber es passieren andere "Unfälle": Bei den letzten Brauvorgängen war das Bier etwa stark karbonisiert, es hatte also zu viel Kohlensäure. Als wir die Flasche aufmachten, kam uns das Getränk direkt entgegengeschossen. (lacht)
Frage: Auf Ihrem Blog berichten Sie über die die verschiedenen Sude, die Sie zum Bierbrauen aufgesetzt haben. Dort liest man auch, dass Sie verschiedene Biersorten ausprobieren.
Nicolay: Genau. So wie etwa ein Hobby-Koch befinden wir uns als Freizeit-Brauer in einer ständigen Weiterentwicklung. Anfangs arbeitet man mit vorgegebenen Rezepten, weil man das Verhältnis der verschiedenen Zutaten, die Malz- und Hopfensorten sowie die Hefe, noch nicht so gut einschätzen kann. Nach und nach haben wir aber ein Gefühl dafür bekommen, sodass wir angefangen haben, Rezepte abzuändern oder auch ganz eigene Rezepte zu kreieren. Das ist natürlich ein wenig gewagt, denn wenn etwas nicht stimmt, hat man im schlimmsten Fall den ganzen Tag umsonst gearbeitet. Deswegen bin ich auch nach vier Jahren Erfahrung immer noch etwas zurückhaltend mit Änderungen an den Rezepten. Aber ich modifiziere die Rezepte an der einen oder anderen Stelle doch. Denn das Ergebnis hängt auch stark vom Wasser vor Ort ab. Das Wasser ist eine wichtige Zutat für das Bier und ist in Trier anders als etwa in München oder Düsseldorf.
Frage: Welche Biersorte aus eigener Herstellung hat Ihnen bisher am besten geschmeckt?
Nicolay: Unsere Hausmarke beruht auf einem Kölsch-Rezept – auch wenn man das eigentlich nicht so nennen darf, denn Kölsch darf nur ein Bier heißen, das im Schatten des Kölner Doms gebraut wurde. Deshalb heißt unser Bier "Trierer Dombräu", weil es mit Blick auf den Trierer Dom gebraut wird. Aber es ist nach kölscher Art. Jedes Mal, wenn wir Bier brauen, nutzen wir dieses Kölsch-Rezept, denn es hat allen Gästen bisher immer super geschmeckt – und uns selbst auch. Zusätzlich brauen wir meistens noch einen kleinen Experimentalsud in einem Einkocher von 20 Litern. Da kann man nicht so viel falsch machen.
Frage: Ist das "Trierer Dombräu" eine eingetragene Marke?
Nicolay: Ja, genau. Ich habe mir lange überlegt, welcher Name für unser Bier passen könnte. Bei einem geselligen Abend mit einer evangelischen Kollegin, mit der ich seit vielen Jahren befreundet bin, sind wir dann auf mehrere Ideen gekommen, von denen es schließlich das "Trierer Dombräu" geworden ist.
Frage: Verkaufen Sie Ihr Bier auch?
Nicolay: Nein, denn das darf man als Hobby-Brauer in Deutschland nicht. Selbst das Verschenken ist bei unserem strengen Bierrecht nicht in Ordnung. Man darf aber 200 Liter Bier im Jahr zum eigenen Verzehr und zur Bewirtung von Gästen zuhause herstellen. Das muss man zwar offiziell beim Zoll anmelden, aber es ist steuerfrei. Sobald man das aber im größeren Stil macht oder es in den Verkehr bringen will, gelten wesentlich strengere Regeln – auch in Bezug auf die Hygiene. Da bräuchte man einen gefliesten Brauraum und alles müsste zertifiziert sein. Das bedeutet dann auch, vom Hobby-Brauer zu einem halben Profi zu werden. Aber dazu habe ich weder die Zeit noch die entsprechenden Ambitionen. Wir sind Amateure und brauen im Freien, beim letzten Mal wegen des schlechten Wetters in der offenen Garage. Aber das sind natürlich alles Lokalitäten, die für einen Tag hergerichtet werden und sich sozusagen auf Camping-Niveau bewegen.
Frage: Die Gläubigen in Ihrer Pfarrei konnten sich also bislang noch nicht am Bier ihres Pfarrers erfreuen?
Nicolay: Im Moment leider noch nicht. Wir sind diesbezüglich aber derzeit tatsächlich am Überlegen, weil das "Trierer Dombräu" viele Leute in der Pfarrei interessiert. Letztes Jahr im September habe ich in Trier sogar ein Brau-Seminar angeboten. Das heißt im Amtsdeutsch "Brauen zu Demonstrationszwecken" und musste beim Zoll angemeldet werden. Bei der Veranstaltung haben wir gemeinsam mit zwölf Leuten den ganzen Tag über mehrere Biere gebraut. Auch Gläubige aus der Pfarrei waren dabei. Es gab die Idee, vielleicht zum Pfarrfest ein Bier zu brauen. Dazu müssten wir uns aber nach einer zugelassenen Brauerei umschauen, die entweder nach unserem Rezept für uns braut oder die uns die Gerätschaften und einen Raum zum Brauen zur Verfügung stellt.
Frage: Ist das Bierbrauen für Sie ein Mittel der Seelsorge?
Nicolay: Das Brauen für mich zunächst eine Freizeitgestaltung, die einen wichtigen Ausgleich zu meiner Arbeit darstellt. Aus meiner vorigen Tätigkeit als Personalreferent des Bistums weiß ich, wie wichtig es ist, dass auch Priester ein Hobby haben, bei dem sie gedanklich aus den beruflichen Zusammenhängen herauskommen und einer Passion nachgehen können. Ich habe das mit dem Bierbrauen selbst als sehr heilsam erlebt, denn meine Arbeit als Personalreferent hat mich sehr gefordert und mir viel Kraft abverlangt. Ich habe dort auch viel Belastendes erfahren, etwa wenn es um das Thema Missbrauch ging. Ich war sehr froh, dass ich einen Bereich hatte, der mit meinem Beruf nichts zu tun hatte. Das Schöne ist auch, dass man beim Brauen immer mit Menschen zusammen ist: Anfangs mit meinem Neffen, aber auch jetzt sind meist Bekannte dabei, die sich für mein Hobby interessieren und mithelfen.
Frage: Hat diese Freizeitbeschäftigung auch Einfluss auf Ihre Arbeit als Pfarrer oder auf Ihren Glauben?
Nicolay: Da könnte ich auch von meinen Hühnern berichten – mein zweites Hobby, zu dem ich während der Corona-Pandemie gefunden habe. Grundsätzlich ist es so, dass man eine größere Ehrfurcht vor dem bekommt, was man isst und trinkt, wenn man selbst Lebensmittel herstellt. Denn man weiß, wie viel Arbeit darin steckt und welches Wissen zur Herstellung notwendig ist. Es ist keine Trivialität, dass man aus Getreide vom Feld ein sprudelndes, nahrhaftes und wohlschmeckendes Getränk herstellen kann. Da steht viel Erfahrung von Generationen dahinter. Bei mir sind die Ehrfurcht vor der Schöpfung und dem weitergegebenen Wissen der Menschheit gewachsen. Und natürlich: Ein Brautag ist lang. Man ist einen ganzen Tag von 9 bis 18 Uhr intensiv mit den Leuten zusammen, hat dabei aber nicht ständig so viel zu tun, dass man sich nicht gut miteinander unterhalten könnte. Insofern ergeben sich ganz viele Gespräche nebenbei und manchmal auch eine seelsorgliche Situation, obwohl ich das nicht erwarte oder intendiere. In meiner Heimat, dem Saarland, nennt man diese Erfahrung Thekenpastoral. (lacht) Beim Frühschoppen am Sonntag kommt man recht einfach ins Gespräch, manchmal eben auch über persönliche Themen oder Fragen, weil die Menschen dann lockerer sind und vielleicht auch froh, wenn sie einmal einen Pastor bei sich haben, der ihnen zuhört.