Vom Donauschiff hinter den Altar: Die Welt der Priesterinnen
Es war auf einem Schiff. Nicht in einer Kirche mit Altar, Säulen und Bleiglasfenstern, sondern auf dem gemieteten Schiff "Passau" auf der Donau. Ein merkwürdiger Ort für einen solchen Anlass, doch er schien geeignet: Auf der internationalen Wasserstraße des Flusses gab es keine Diözese, die hätte verhindern können oder sollen, wofür etwa 200 Menschen an diesem 29. Juni 2002 die Leinen los machten: Priesterinnen sollten geweiht werden, katholische Priesterinnen.
Priesterinnen in der katholischen Kirche, das war bereits vor 20 Jahren und ist auch heute noch ein heißes Eisen. Denn bislang dürfen ausschließlich Männer zu Priestern geweiht werden – und zwar, das muss 2022 hinzugefügt werden, ausschließlich Menschen mit einem XY-Chromosomensatz ("Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.", Can. 1024 CIC). Frauen nahmen zwar in den ersten Jahrhunderten des Christentums ähnliche Aufgaben wie Männer wahr, auch Leitungspositionen. Mit der Loslösung vom Judentum musste sich die neue Gemeinschaft allerdings in der damaligen Gesellschaft neu positionieren und passte sich dem damals gültigen Geschlechterbild an. Das hieß: Frauen spielten in der Öffentlichkeit keine große Rolle, die Männer übernahmen die Macht. So ist es geblieben. Bis nicht nur Frauen um das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) vermehrt die Frage stellten, ob das denn so bleiben müsse. Die theologischen Argumente für und gegen die Weihe von Frauen sind in den Jahrzehnten danach erörtert wurden: Einerseits wirkt ein Priester "in persona christi", also eines Mannes. Zudem hat Jesus ausschließlich Männer zu seinen Aposteln berufen. Andererseits sagt der heilige Paulus, dass durch die Taufe alle Menschen auch unabhängig ihres Geschlechts gleichermaßen Nachfolgende Jesu werden (Gal 3,28). Nicht zuletzt Karl Rahner stellte Ende der 1970er Jahre fest, dass die ausschließliche Berufung von Männern durch Christus sich erschöpfend damit erklären lasse, dass die Gesellschaft der damaligen Zeit Frauen nicht so zugehört habe wie Männern. Wer etwas bewirken wollte, musste das wohl oder übel in die Hände von Männern legen.
Rahner mahnte damals noch die Weiterführung der Diskussion um die Frauenweihe an. Es geschah das Gegenteil. Papst Johannes Paul II. stellte im Apostolischen Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" 1994 fest, "daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben". Wie verbindlich diese Positionierung ist, wird bis heute diskutiert.
Umstrittene Weihen
Den Klang des Schreibens hatten die Frauen 2002 noch im Ohr, als sie sich auf den Weg machten, um einen Gegenbeweis anzutreten. In der Mitte des Flusses angekommen, knieten sieben Frauen nieder und Bischöfe weihten sie zu Priesterinnen. Die Bischöfe, das waren unter anderem der Argentinier Romulo Braschi. Er wurde 1966 zum Priester geweiht, spaltete sich jedoch wegen der Kooperation der Bischöfe mit der Militärdiktatur in seinem Land von der katholischen Kirche ab und gründete eine unabhängige christliche Gemeinschaft. Eine Zeit lang hat er behauptet, nach einer ersten freikirchlichen Bischofsweihe ein weiteres Mal durch den zwar suspendierten, jedoch rechtmäßig geweihten argentinischen Bischof Jerónimo José Podestá zum Bischof geweiht worden zu sein. Ob die Weihe tatsächlich stattgefunden hat, ist jedoch umstritten. Einen Monat vor der Aktion auf der Donau hatte er mit Rafael Ferdinand Regelsberger einen weiteren Bischof geweiht, der nun mit ihm die Weihe vollzog.
Die Weihe der Frauen auf der Donau war nicht spontan. Drei Jahre lang hatten sich die sieben Kandidatinnen auf diesen Tag vorbereitet, in etwa vergleichbar mit der Vorbereitung von Männern im Priesterseminar. In einer privaten Feier im März 2002 waren sie, ebenfalls von Braschi, zu Diakoninnen geweiht worden. Viele von ihnen waren studierte Theologinnen, eine ehemalige Ordensfrau. Seit Ende der Weihezeremonie auf dem Donauschiff bezeichnen sie sich als Priesterinnen, eine ließ sich ein Jahr später auch zur Bischöfin weihen, als die sie seitdem weitere Frauen zu Priesterinnen geweiht hat.
Die katholische Amtskirche reagierte erwartbar wie unerbittlich: Den Frauen wurde mit Exkommunizierung gedroht, sollten sie nicht reuig die Ungültigkeit ihrer Weihe bekennen. Das tut aber bislang keine der Frauen, seit 2003 sind sie deshalb alle, sie werden die "Donau Sieben" genannt, gegen ihren ausdrücklichen Protest endgültig exkommuniziert.
Erwartbar wie unerbittlich
Dabei waren diese sieben keineswegs die ersten Frauen, die zu Priesterinnen geweiht wurden. 1995 wurde eine frühere angebliche Priesterinnenweihe bekannt, mit der ein Name verbunden ist: Ludmila Javorová. Sie wurde laut eigenen Angaben 1970 in der damaligen Tschechoslowakei vom Untergrundbischof Felix Davídek mit einer Gruppe von insgesamt etwa fünf Frauen im Geheimen zur Priesterin geweiht. In der Zeit der kommunistischen Herrschaft war die Kirche Verfolgungen ausgesetzt. Javorová durfte nach eigenen Angaben noch nicht einmal ihrem engsten Umfeld von ihrer Weihe erzählen. Ihr Name ist bis heute der einzige der Priesterinnengruppe, der öffentlich geworden ist. Die Weihe der Frauen wurde vom Vatikan ignoriert.
Auch die Donau Sieben wurden nie anerkannt. Das hielt die Frauen aber nicht ab. Sie weihten weitere Frauen, die in sich eine Berufung spürten, für die in der Amtskirche bis heute kein Platz ist. Der Vatikan verkündete 2008, dass alle an einer Frauenweihe beteiligten automatisch sofort exkommuniziert seien. Dennoch gibt es heute knapp 300 Priesterinnen weltweit, die ihre Berufung leben, wenn auch nicht als offiziell katholische Priesterinnen. Vor allem in den USA haben sich unabhängige Gemeinden gegründet, die in Kirchen und Gemeindehäusern anderer Konfessionen wie etwa der Presbyterianer Gottesdienst feiern. Der Umfang reicht von einer Hand voll Anhänger bis zu Gemeinden, die es durchaus mit einer Diasporapfarrei Ostdeutschlands aufnehmen können. Die Lage der Priesterinnen hat sich in gewisser Weise als Parallelströmung zur offiziellen Kirche normalisiert, Aufregung gibt es von Seiten des Lehramts kaum noch. Das liegt wohl nicht zuletzt auch an der großen Zustimmung für Priesterinnen in westlichen Ländern: In Deutschland sind laut einer Befragung von 2019 zwei Drittel der Katholikinnen und Katholiken für Priesterinnen – gegen die Haltung des Lehramts in Rom.
"Wir können fehlerhafte Dogmen nicht einfach akzeptieren", sagt Ida Raming, eine der Donau Sieben, 2019 gegenüber dem Deutschlandfunk. "Unsere Priesterinnen und ordinierten Frauen üben ein geisterfülltes und an Jesus ausgerichtetes Amt aus. Das ist für die Kirche eine Bereicherung. Wobei die Männer, die da im Vatikan sitzen, das gar nicht sehen." Durch die Exkommunikation sei man vielmehr auf einer Stufe mit der Mafia. Die Frauen selbst hingegen verstünden sich durch ihre Weihe als "Stachel im Fleisch" der Kirche.
Hinterfragen des kategorischen Nein
Auch in der offiziellen Kirche gibt es immer mehr, die das kategorische Nein des Vatikan hinterfragen. Die Benediktinerin Philippa Rath sieht in der Ablehnung des Vatikan eine "ungeheure Verschwendung von Charismen". Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte 2020, er nehme wahr, dass die Argumente des Lehramts "immer weniger überzeugen und dass es in der Theologie gut herausgearbeitete Argumente gibt, die dafür sprechen, dass das sakramentale Amt auch für Frauen zu öffnen wäre".
Dass diese Argumente Aussicht auf Erfolg haben, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. "Ordinatio Sacerdotalis" sei ein Dokument, "mit dem Papst Johannes Paul II. für alle offenkundig gemacht hat, dass die Lehre über die Unmöglichkeit der Priesterweihe für Frauen eine unfehlbare Lehre des ordentlichen universalen Lehramts des Bischofskollegiums ist", sagt der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke. Papst Johannes Paul habe in diesem Fall nicht seine Unfehlbarkeit als Papst in Anspruch genommen, "sondern dieses Dokument ist die Feststellung, dass alle Bischöfe mit ihm darin übereinstimmen, dass Frauen nicht zu Priestern und Bischöfen geweiht werden können und dass sie diese Lehre für unveränderlich halten. Gegen diese Feststellung hat es aus den Reihen der Bischöfe keinen Widerspruch gegeben".
Keine neue Lehre
Es wurde also keine neue Lehre formuliert, sondern von einer als bereits existierend angenommenen Lehre der Geltungsstatus für alle Gläubigen erkennbar gemacht. Auch vorher schon sei die Weihe einer jeden Frau kirchenrechtlich ungültig gewesen, so dass auch Ludmila Javorová nicht gültig geweiht war. Seit 1994 sei für alle erkennbar gemacht, dass sich daran auch nichts ändern könne. Weder die Donau Sieben noch irgendeine andere Frau sei aus katholischer Sicht gültig geweiht, so Lüdecke. "Wer das bestreitet, betrügt alle katholischen Frauen mit einer falschen Hoffnung." Das helfe lediglich der Institution Kirche und verhindere, dass sich Frauen mit der Realität der katholischen Lehre in Beziehung setzten.
Auch Papst Franziskus hat wie sein Vorgänger Benedikt XVI. immer wieder betont, dass eine Weihe von Frauen ausgeschlossen ist. Zwar öffnete er erst vergangenes Jahr die Ämter der Akolythen und Lektoren für Frauen, damit verstetigte er allerdings lediglich eine seit Jahrzehnten geübte Praxis. Bewegungen hin zu Priesterinnen oder auch nur Diakoninnen hat er nie gemacht. Was nichts daran ändert, dass katholische Priesterinnen weiter wirken und ihre Berufung umsetzen.