Bonn ‐ Johannes XXIII. und Johannes Paul II. sind nun Heilige. Mit Porträts, Bildergalerien und interaktiven Grafiken erzählt katholisch.de die spannenden Lebensgeschichten der beiden und erklärt alles Wissenswerte zu Heiligsprechungen.
Begeben Sie sich auf eine Reise in die Vergangenheit und entdecken Sie die beiden Päpste, die am 27. April 2014 heiliggesprochen wurden: Johannes XXIII. und Johannes Paul II. Klicken Sie sich durch, lesen Sie die Lebensgeschichten der beiden am Stück oder springen Sie von Kapitel zu Kapitel.
Kapitel I - Johannes Paul II. (Gedenktag: 22. Oktober)
Sein Pontifikat dauerte 26 Jahre - dabei war am Anfang nicht mal sicher, ob er überhaupt Priester werden würde. Dabei mag im Rückblick sogar mancher meinen, dass sich die Heiligsprechung Johannes Paul II. (1978-2005) schon in jungen Jahren abgezeichnet hat. Während des Studiums hatten sich Kommilitonen über die große Frömmigkeit und den Ernst Karols lustig gemacht. Eines Tages klebte dann ein Zettel an seinem Pult mit den Worten "Heiliger in Ausbildung".
Doch sie ahnten wohl nicht, wie Recht sie mit ihrem Spaß über den Mann haben würden, der später als Johannes Paul II. Geschichte schrieb, der mit 26 Jahren das zweitlängste Pontifikat der Geschichte verzeichnet. Dabei war am Anfang gar nicht sicher, ob er überhaupt Priester werden würde. Kurz vor dem Tod seines Bruders 1932 versprach Wojtyla ihm, nie Arzt oder Geistlicher zu werden, wie die "Bonner Rundschau" wenige Tage nach seiner Wahl zum Papst berichtete. Doch der Drang der Berufung war offensichtlich stärker als das Wort an den sterbenden Bruder.
Seine Kindheit hatte der am 18. Mai 1920 geborene Wojtyla im südpolnischen Wadowice verbracht, gemeinsam mit seinen Eltern Karol und Emilia sowie Bruder Edmund. Nach dem Tod der Mutter zog Wojtyla Junior mit seinem Vater 1938 nach Krakau, wo er sich zum Studium der Philosophie und Polnischen Literatur einschrieb.
Entbehrungsreiche Kriegsjahre
Während des Krieges arbeitete Wojtyla in einem Steinbruch und in einer Chemiefabrik. Seine große Leidenschaft – das Schauspielern – musste er fortan im Untergrund ausüben. Heimlich gründete er mit einem Freund das "Rhapsodische Theater", das zu einer festen Größe in der Krakauer Kulturlandschaft wurde. Über 20 Aufführungen brachte das kleine Schauspielensemble zusammen.
Doch es gab einen Faktor im Leben des Karol Wojtyla, der noch größer war als seine Lust am Schauspiel: der Ruf Gottes. 1942, ein Jahr nach dem Tod seines Vaters, trat Wojtyla heimlich in das Krakauer Priesterseminar ein. Am 1. November 1946 weihte ihn der Erzbischof von Krakau, Kardinal Adam Stefan Sapieha, zum Priester.
Schon mit 38 Jahren wurde Karol Wojtyla jüngster Weihbischof Polens in Krakau, 1963 Erzbischof der Diözese. Ironischerweise sind es die Kommunisten gewesen, die Wojtyla damals für das Amt des Erzbischofs haben wollten – sie hielten ihn für "relativ unpolitisch". Nicht einmal drei Jahrzehnte später, als der Eiserne Vorhang fiel, sollten sie ihre Entscheidung bitter bereuen. Der Wahlspruch Johannes Paul II. - "Totus tuus – ganz dein" - war wohl schon damals eine Ankündigung seines Amtsverständnisses. Für den späteren Papst gab es keinen Höheren als Christus und seine Kirche; ihr und ihrem Wohl allein sah er sich verpflichtet. Dass dazu auch unpopuläre Entscheidungen gehörten, sollte sich später zeigen.
Keine Angst vor den Machthabern
Wojtyla, mittlerweile zum Kardinal erhoben, blieb seiner Linie treu. Immer wieder schaffte er es, die kommunistischen Machthaber zu ärgern. Sei es mit der Ausweitung der Fronleichnamsprozession oder als er den Bau einer Kirche in Nowa Huta durchsetzte. Doch diese Situation sollte nicht ewig dauern.
Als Papst Johannes Paul I. 1978 nur 33 Tage nach seiner Wahl starb, galt es, ein neues Oberhaupt für die katholische Kirche zu finden. Die Entscheidung fiel nicht sofort, doch im achten Wahlgang stand es schließlich fest: Der 264. Papst hieß Karol Wojtyla. Nicht nur, dass er mit 58 Jahren einer der jüngsten Päpste der Geschichte war, er war auch der erste Pole auf dem Stuhl Petri und der erste Nicht-Italiener seit 455 Jahren. Fast hätte er sich übrigens einen anderen Namen gegeben: Gerüchten zufolge liebäugelte Wojtyla mit den Namen Stanislaus I.; die Kardinäle überzeugten ihn jedoch davon, dass dies kein lateinischer Name sei.
Entsetzen bei Protokollvertretern
Es war wohl die unkonventionelle Art Wojtylas, die die Kurie erstaunte und manch einen wohl auch verärgerte. So kümmerte Karol Wojtyla das höfische Protokoll herzlich wenig. Der Papst raffte auch schon mal sein Gewand und hastete so die Treppen hinauf. Als ein etwas füllig geratener Kurienkardinal fragte, ob diese Art zu gehen mit der Würde des Amtes zu vereinbaren sei, soll er geantwortet haben: "Ich für meinen Teil habe Bewegung nötig, und ich denke, Sie auch." Zudem verließ Johannes Paul II. auch mal unerlaubt den Vatikan oder – sehr zum Schrecken der Protokollverfechter – stapfte einfach so barfuß über den Rasen der umliegenden Gärten statt die Wege zu benutzen.
Schon bald nach seinem Amtsantritt stoppte Johannes Paul II. die um Kompromisse bemühte vatikanische Ostpolitik und schlug eine härtere Gangart ein. Einige Monate nach seiner Wahl zum Papst bereiste Johannes Paul II. sein Heimatland Polen. Er hatte den Machthabern vorab ein Redemanuskript zugeschickt. Doch bei seiner Ansprache musste es den kommunistischen Herrschern wohl gedämmert haben: Dieser Mann würde ihnen noch Ärger machen. Johannes Paul II. forderte in diesen Tagen vor insgesamt zehn Millionen Menschen Freiheit und Menschenrechte für sein Volk – das hatte so nicht auf dem Manuskript gestanden.
Schwierige Analyse
In den ersten Wochen und Monaten nach seinem Amtsantritt versuchten die Medien weltweit diesen Papst aus dem Osten zu analysieren. Wer war er? War er ein Hardliner, wie es viele konservative Gruppen hofften, der die Wucht des Zweiten Vatikanischen Konzils zu mindern wusste? Oder war er einer, der die Basisgemeinden unterstützte? Die Antwort lautete: weder noch. Es war – wie die "Frankfurter Rundschau" 100 Tage nach seiner Wahl feststellte – die Disziplin, die Johannes Paul II. über alles stellte. Es zeigte sich, dass sich unter ihm an bestimmten kirchlichen Lehrmeinungen nicht rütteln ließ. Und dazu gehörte für Johannes Paul II. die Nicht-Ordination von Frauen genauso wie eine deutliche Verurteilung eines gesetzlich legitimierten Schwangerschaftsabbruchs. Doch auch Erzkonservative hatten ihren Mühen mit diesem Papst. Die Exkommunikation des Erzbischofs Marcel Lefebvre, Gründer der Piusbruderschaft, geschah auf Geheiß Johannes Paul II.
Einen Schreckensmoment erfuhr der Papst 1981. Es war der 13. Mai, kurz nach 17 Uhr. Wojtyla fuhr mit seinem offenen Papamobil über den Petersplatz, als plötzlich Schüsse über den Platz hallten. Drei Kugeln trafen das Oberhaupt der katholischen Kirche, eine drang in den Unterleib ein, sodass sich das weiße Gewand bald rot vom Blut färbte. Während der Papst im Krankenhaus operiert wurde, beteten die Menschen zu Tausenden für seine Genesung. Johannes Paul II. hatte Glück. Schon vom Krankenbett aus, vergab er dem türkischen Attentäter Ali Agca und besuchte ihn später sogar im Gefängnis.
Obwohl die schwere Verletzung des Attentates ihre Spuren hinterlassen hatte, ließ es sich der Papst nicht nehmen, Katholiken in aller Welt zu besuchen: 104 Auslandsreisen hat Johannes Paul II. während seines Pontifikats unternommen – nicht umsonst bekam er den Spitznamen "Reisepapst". Dabei scheute er auch nicht vor unangenehmen Begegnungen zurück; so traf er beispielsweise den kubanischen Machthaber Fidel Castro sowie einige afrikanische Diktatoren. Nicht jedes Gespräch endete mit Verbesserungen für die Lebenssituation der Menschen im Land, doch ein Zeichen war gesetzt. Vielleicht war es auch seine eigene Biographie, die unter dem Zeichen gleich zweier Diktaturen stand, die ihn zu seinem politischen Engagement trieb.
Schwanken zwischen Lob und Tadel für den Papst
Kein anderes Land – abgesehen von Italien – hat Johannes Paul II. jedoch so oft besucht wie Polen. Immer wieder verstand er es, seinen Ruf nach Freiheit und Menschenrechten geschickt zu verpacken; deutlich blieben die Botschaften trotzdem. Johannes Paul II. schaffte es, in den Menschen das Selbstbewusstsein zu wecken, ihre Rechte einzufordern. 1989 wählte das polnische Parlament den ersten nichtkommunistischen Regierungschef, die anderen Ostdiktaturen folgten. Dass der Kommunismus im Osten Europas besiegt war, hieß für Johannes Paul II. jedoch nicht, sich politisch zur Ruhe zu setzen: Er fand genauso deutliche Worte gegen einen zu mächtigen Kapitalismus wie er sie zuvor beim Kommunismus gefunden hatte.
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Die Beurteilung des immer länger andauernden Pontifikats schwankte indes zwischen den Extremen: So gab es Menschen, die ihn fast abgöttisch verehrten; in diese Kategorie fällt wohl eine kalabresische Nonne, die ihm bei einer Begegnung ins Ohr biss – nur, um dann vor Verzückung in Ohnmacht zu fallen. Andererseits gab es auch solche, die Papst Johannes Paul II. für sein konservatives Verständnis hart angingen. Unverständnis erntete er beispielsweise angesichts seines Rates an während des Balkankrieges vergewaltigte und schwanger gewordene Frauen, die Kinder zu behalten und den Akt der Gewalt in einen "Akt der Liebe und der Aufnahme" zu verwandeln.
Die letzten Jahre des Papstes waren zunehmend von Krankheit und Schwäche geprägt. Besonders die Parkinson-Erkrankung schränkte ihn stark ein. Unvergessen sind die Bilder eines des Sprechens fast nicht mehr mächtigen Papstes; seinen letzten "Urbi et Orbi"-Segen am 27. März 2005 spendete er stumm. Doch ein Rücktritt kam für Karol Wojtyla bis zum Schluss nicht in Frage – sein Schicksal sollte allein in Gottes Hand liegen. Wenige Tage später, am Abend des 2. Aprils, starb er. 84 Jahre wurde der Mann alt, der die höchsten Ehren der katholischen Kirche erfahren hat: die Heiligsprechung.
Kapitel II - Johannes XXIII. (Gedenktag: 11. Oktober)
"Priesterchen, Priesterchen!" Angelo Guiseppe Roncalli war Ministrant bei einer Beerdigung, als ihn seine Freunde mit diesen Worten provoziert haben sollen. Der Sechsjährige sei darüber dermaßen erzürnt gewesen, dass er heftig mit dem Weihrauchfass schwenkte und einen der "Übeltäter" am Kopf traf. Daraufhin habe er sich bei allen Trauergästen entschuldigen müssen.
Auch wenn es den kleinen Angelo geärgert hat, war ihm eigentlich damals schon klar: Er wollte Pfarrer werden. Rund 70 Jahre später bestieg er den Stuhl Petri als Johannes XXIII. – und sollte zum Heiligen werden.
Als Roncalli am 25. November 1881 in Sotto il Monte, einem kleinen Dorf in der italienischen Diözese Bergamo, geboren wurde, war sein späterer Weg noch keinesfalls abzusehen. Denn als drittes von dreizehn Kindern – und erster Sohn – eines Bauernehepaars sah es die Tradition vor, dass er irgendwann den heimischen Hof und damit die Verantwortung für die Familie übernehmen würde. An das Abitur oder gar ein Studium war nicht zu denken. Doch es kam anders.
Roncalli wurde durch den Pfarrer seiner Heimatgemeinde gefördert
Auch wenn er seine Fähigkeiten zunächst nicht immer für die Schulaufgaben nutzte, erkannten die Lehrer sein Potenzial schon früh, bezeichneten ihn als "klug", "fähig" und einen "lebendigen Geist". Gefördert vom örtlichen Gemeindepfarrer besucht der junge Angelo nach der Dorfschule das bischöfliche Internat im Nachbarort Celana. Allein für den Fußweg zur Schule und zurück benötigte er täglich rund sechs Stunden. Da seine Mitschüler im Gegensatz zu ihm aus der städtischen Mittelschicht stammten und fast drei Jahre älter waren als er, wurde Roncalli zum Außenseiter.
Das wurde dem jungen Angelo zuviel. Mit elf Jahren wechselte er in das Priesterseminar in Bergamo - zu dieser Zeit fast die einzige Option, in Italien eine höhere Schulbildung zu erhalten. Diese Episode seines Lebens hat den späteren Johannes XXIII., der für seine tiefe Frömmigkeit bekannt war, geprägt. Nach seinem Schulabschluss begann er um 1900 das Studium der Theologie am römischen Apollinare-Seminar, das er fünf Jahre später als promovierter Kirchenhistoriker verließ.
Am 10. August 1904 wurde Roncalli mit gerade einmal 23 Jahren in der römischen Kirche Santa Maria in Monte Santo zum Priester geweiht. Bei einer seiner ersten Messen begegnete er Papst Pius X., der dem jungen Geistlichen gesagt haben soll: "Bravo, mein Segen sei mit dir! Ich hoffe, du wirst dieser hohen Berufung Ehre machen."
1905 wird Roncalli Sekretär des Diözesanbischofs von Bergamo
Roncalli tat sein Bestes, um dem Wunsch des Papstes nachzukommen. Bereits ab 1905 war er Sekretär des neuen Diözesanbischofs von Bergamo, Radini Tedeschi, der ihm vor allem sozialpolitisch ein Vorbild war. So berichtete Johannes XXIII. später, was sein Mentor ihm mit auf den Weg gab: "Die Katholische Aktion muss vor allem dort eingreifen, wo Gerechtigkeit und Nächstenliebe offensichtlich missachtet werden."
Diese Gedanken finden sich unter anderem in seiner Enzyklika "Pacem in terris" von 1963 wieder, in der er "über den Frieden unter allen Völkern in Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit" schreibt. Der Papst warb später aber auch deshalb so intensiv für den Frieden, weil er als junger Mann den Krieg kennenlernte. Er diente 1915 zunächst als Sanitätssoldat und wurde ein Jahr später Militärseelsorger.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs – Roncalli war mittlerweile 37 Jahre alt – arbeitete er zunächst als Jugend- und Studentenpfarrer, bevor er 1925 Erzbischof und Apostolischer Visitator in Bulgarien wurde. Seinem Wahlspruch "Oboedientia et Pax" (Gehorsam und Frieden) verschrieb er sich für den Rest seines Lebens. In Sofia machte der gebürtige Italiener erstmals persönliche Erfahrungen mit der Ökumene - und ihren Problemen. Das Verhältnis zu den orthodoxen Christen befand sich zu dieser Zeit auf einem Tiefpunkt. Der Papst sollte sich später daran erinnern und das Thema "Ökumene" auf die Agenda für das Zweite Vatikanische Konzil setzen.
Zunächst brauchte man Roncalli jedoch noch an anderer Stelle: als Apostolischen Delegaten für die Türkei und Griechenland. Während er in der Türkei wieder verstärkt als Seelsorger tätig war, leistete er während des Zweiten Weltkriegs der bedrängten griechischen Bevölkerung Hilfe. Er verhinderte unter anderem die Deportation vieler Juden, indem er im Namen der Apostolischen Delegation Reisevisa ausstellte, die ihnen die Flucht ermöglichten.
Das Zweite Vatikanische Konzil
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) ist das wichtigste kirchliche Ereignis des 20. Jahrhunderts. Es leitete umfangreiche Reformen der katholischen Kirche ein. Dazu zählen Gottesdienste in der Muttersprache, die Anerkennung der staatlichen Religionsfreiheit, ein stärkeres Miteinander der christlichen Konfessionen (Ökumene) und der Dialog mit nichtchristlichen Religionen. Erfahren Sie im Dossier mehr darüber.
Gegen Ende des Krieges berief Papst Pius XII. den mittlerweile 63-Jährigen zum Apostolischen Nuntius in Paris – einen der bedeutendsten, aber auch schwierigsten Posten der vatikanischen Diplomatie. Erzbischof Roncalli selbst wusste: Für den Job wurde eine politisch unbelastete Persönlichkeit, eine "schwarze Soutane mit weißer Weste" gesucht. Dabei ging es vor allem um die Aufarbeitung der kirchlichen Beziehungen zum französischen Vichy-Regime. Später meinte Johannes XXIII. zu seiner Berufung: "Wenn die Pferde nicht mehr können, nimmt man die Esel."
Vor allem in Paris, aber auch schon zu seiner Zeit in Istanbul traf Roncalli Menschen anderer Traditionen und Weltanschauungen, sprach mit Juden und Orthodoxen, mit Atheisten und Marxisten. Dabei wurde ihm der wachsende Graben zwischen der katholischen Kirche und der modernen Welt bewusst. Kirchliche Riten, Traditionen und Lehren wurden von immer größer werdenden Teilen der Bevölkerung nicht mehr verstanden. Das musste sich in den Augen des späteren Papstes ändern.
Kardinal Roncalli kehrt zu seinen Wurzeln zurück
Am 12. Januar 1953 wurde Roncalli schließlich zum Kardinal erhoben und drei Tage später zum Erzbischof und Patriarchen von Venedig ernannt. Bei seiner Ankunft begrüßte er die Venezianer mit folgenden Worten: "Seht in eurem Patriarchen nicht den Politiker und nicht den Diplomaten, sondern seht in ihm ausschließlich den Seelenhirten." Diese Rückkehr zu seinen Wurzeln sei eine nützliche und gute Schule für die Hirtensorge und "gleichsam eine Vorbereitung auf das Papsttum" gewesen, sagte der italienische Kurienkardinal Alfredo Ottaviani später über Johannes XXIII.
Auch wenn er der restlichen Welt nur wenig bekannt war, hatte sich der Italiener kirchenintern einen guten Ruf erarbeitet: als politisch versierter Diplomat und bodenständiger Seelsorger. So kam es, dass Roncalli am 28. Oktober 1958 - es war der vierte Tag des Konklaves - zum Papst gewählt wurde. Dem Vernehmen nach erhielt Roncalli 38 Stimmen - bei zu dieser Zeit gerade einmal 51 wahlberechtigten Kardinälen. Als 261. Oberhaupt der katholischen Kirche nannte er sich Johannes XXIII.
Doch wurden dem Pontifex auch zahlreiche andere Namen gegeben: zum Beispiel "Papa Buono" (Guter Papst), Konzils- oder Übergangspapst. Ja, Johannes XXIII. war ein "Papa Buono", der durch seine Menschlichkeit und Volksnähe an den heutigen Papst Franziskus erinnert. Er schaffte beispielsweise den Fußkuss und die bislang vorgeschriebenen drei Kniefälle bei Privataudienzen ab.
Und ja, er war auch ein Übergangspapst. Fakt ist, dass er selbst nur mit einem kurzen Pontifikat gerechnet hat. Mit dem Namen Johannes XXIII. stellte er sich in die Tradition seiner 22 Vorgänger, von denen nur Wenigen eine lange Amtszeit vergönnt war. Fakt ist aber auch, dass sich der Papst mit diesem Namen, der seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr gewählt wurde, ebenso bewusst in eine andere Tradition stellte: in die der einen Kirche, die vor dem Zerfall in die römisch-katholische und die orthodoxe existiert hatte.
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Am bekanntesten ist wohl der Satz, den Johannes XXIII., bürgerlich Angelo Roncalli, über seine eigene Rolle als Papst sagte.
Er war ein Papst des Übergangs – aber nicht so, wie es viele von ihm erwartet hatten. Die Zahl der Kurienmitglieder, die unter Pius XII. stark geschrumpft war, sollte wieder wachsen. Durch den neuen Oberhirten erhofften sich die Kardinäle also vor allem eine Stärkung ihres Einflusses. Johannes XXIII. wollte jedoch mehr, als lediglich alte Verhältnisse wieder herzustellen: nämlich die Kirche erneuern und so den Übergang in eine neue Epoche einleiten. Sie sollte in der Gesellschaft wieder wahr- und ernstgenommen werden. Deshalb war er letztlich auch der "Konzilspapst", der erkannt hatte, dass sich die Kirche nicht von alleine würde öffnen können.
Nach nicht einmal dreimonatiger Amtszeit kündigte der Papst daher im Januar 1959 ein allgemeines, "ökumenisches" Konzil an, von dem er selbst nicht einmal wissen konnte, wohin es die Kirche führen würde. Das "Vaticanum II" (1962-65), dessen Ende Johannes XXIII. nicht mehr miterlebte, bleibt sein Vermächtnis. Es sorgte mit seiner Gottesdienstreform für eine Öffnung der Kirche gegenüber ihren Gläubigen, für eine Öffnung gegenüber anderen Konfessionen und Religionen und für eine Öffnung gegenüber Staat und Gesellschaft. Die Kirche sollte ihren Absolutheitsanspruch nunmehr rein geistlich interpretieren.
Johannes XXIII. starb am 3. Juni 1963 an den Folgen seiner Krebserkrankung. Seine Heiterkeit verlor er aber bis zum Schluss nicht. Noch auf dem Sterbebett war es der "Papa Buono", der aufmunternden Worte für die Menschen fand, die sich um ihn kümmerten: "Sorgt euch doch nicht so sehr um mich. Ich bin bereit für die große Reise. Meine Koffer sind gepackt." Jetzt ist er ein Heiliger.
Der eine leitete mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils die Öffnung der katholischen Kirche zur modernen Welt ein, der andere brachte bei 104 Auslandsreisen die Kirche in die Welt: Johannes XXIII. (1958-1963) und Johannes Paul II. (1978-2005) waren zwei der bedeutendsten und populärsten Päpste der jüngeren Kirchengeschichte.
Als die beiden ehemaligen Kirchenoberhäupter am 27. April 2014 von Papst Franziskus heiliggesprochen wurden, wurde ihnen die höchste Ehre zuteil, die die katholische Kirche zu vergeben hat. Durch die Heiligsprechung – offiziell Kanonisation genannt – wird von der Kirche bestätigt, dass beide Päpste ein vorbildliches christliches Leben geführt und endgültige Aufnahme bei Gott gefunden haben. Als Teil der Gemeinschaft der Heiligen dürfen sie nun weltweit verehrt und um Fürsprache bei Gott angerufen werden.
Dass Johannes XXIII. und Johannes Paul II. heiliggesprochen werden, hat weltweit große Begeisterung ausgelöst. Für viele Katholiken bestätigt die Kirche damit nur offiziell, was für sie ohnehin längst feststand – dass nämlich der Konzilspapst Angelo Roncalli und der polnische Pontifex Karol Wojtyla Heilige sind. Allerdings: Würde man allein die kirchlichen Kriterien für eine Heiligsprechung anlegen, dürften die beiden Päpste eigentlich noch nicht zur Ehre der Altäre erhoben werden.
Beide Päpste sind schon selig
Um die Kanonisation trotzdem bereits jetzt zu ermöglichen, wurde das geltende kirchliche Verfahren teilweise außer Kraft gesetzt. Bei Johannes XXIII. verzichtete die Kirche auf das eigentlich obligatorische zweite Wunder, bei Johannes Paul II. wurden schon bei der Seligsprechung die Fristen zum Start des Verfahrens ignoriert.
Unabhängig davon ist eine Kanonisation in der Kirche jedoch genau geregelt – und weitgehend identisch mit der Beatifikation, der Seligsprechung. Der wichtigste Unterschied: Wer heiliggesprochen werden soll, muss bereits selig sein. Diese Voraussetzung ist bei beiden Päpsten erfüllt: Johannes XXIII. wurde am 3. September 2000 seliggesprochen, Johannes Paul II. am 1. Mai 2011 – und damit so schnell nach seinem Tod wie kein anderer Mensch zuvor.
Ausgangspunkt für Selig- und Heiligsprechungen ist jeweils die Initiative eines "Actors". Diese Funktion kann von Einzelpersonen oder kirchlichen Institution – zum Beispiel einem Bistum oder einer Ordensgemeinschaft – übernommen werden. Der "Actor" ist Antragsteller und Förderer des gesamten Verfahrens; als solcher beauftragt er zunächst einen mit dem kanonischen Recht vertrauten "Postulator", den Antrag bei dem Ortsbischof einzureichen, in dessen Bistum der Kandidat gestorben ist.
Stehen der Aufnahme des Verfahrens keine grundsätzlichen Bedenken im Wege, beauftragt der Bischof den "Postulator", Leben und Werk des Kandidaten genau zu erforschen und dafür biographische Informationen, Schriften und mündliche Zeugnisse zu sammeln sowie Experten und Zeugen zu befragen.
Umfangreicher Konsultationsprozess
Ungefähr parallel beginnt der Ortsbischof einen umfangreichen Informations- und Konsultationsprozess: So informiert er zunächst die Gläubigen seines Bistums über die geplante Selig- oder Heiligsprechung und lädt sie ein, ihm mitzuteilen, wenn sie etwas über Leben und Werk des Kandidaten berichten können. Anschließend unterrichtet er auch die Oberhirten der Nachbarbistümer und fragt diese, ob die Einleitung der Selig- oder Heiligsprechung aus ihrer Sicht sinnvoll und nützlich erscheint. Zuletzt schließlich fragt der Bischof beim Heiligen Stuhl nach, ob seitens der vatikanischen Verwaltung Einwände gegen das Verfahren bestehen.
Im Anschluss an diesen Prozess – und wenn die Nachbarbistümer und der Vatikan "grünes Licht" gegeben haben – errichtet der Bischof ein offizielles Tribunal, dessen Hauptaufgabe die Vernehmung von Zeugen ist. Ausdrücklich vorgeschrieben ist dabei, dass nicht nur Befürworter, sondern auch Gegner des Verfahrens angehört werden. Wichtige Personen in dieser Phase des Verfahrens sind der "Promotor iustitiae" genannte Kirchenanwalt und ein Notar. Der Kirchenanwalt achtet auf die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen und ist an den unter Eid stattfindenden Zeugenbefragungen beteiligt, der Notar fertigt alle notwendigen Protokolle und Abschriften an und beglaubigt diese.
Rubrik "Unsere Vorbilder"
Die junge Generation sucht sich gerne Popstars, Sportler oder Schauspieler als ihre Idole. Aber gibt es auch Persönlichkeiten, die eine längere Halbwertszeit haben? Beim Blick auf die Heiligengestalten der Kirche gibt es spannende Biografien und Geschichten zu entdecken. Die katholisch.de-Rubrik "Unsere Vorbilder" stellt bekannte Heilige der katholischen Kirche vor.
Sind die Zeugenbefragungen abgeschlossen und alle Beweise erhoben, werden die erstellten Akten versiegelt. Während die Originaldokumente im Bistum verbleiben, werden die Abschriften in den Vatikan gesandt. Damit endet die Zuständigkeit der Diözese und die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse übernimmt das Verfahren.
Die Kongregation überprüft zunächst, ob bei den diözesanen Vorarbeiten alle geltenden Regeln eingehalten wurden. Ist dies der Fall, wird das Verfahren innerhalb der Kongregation einem "Relator" übertragen. Dieser erstellt eine so genannte "Positio". Dabei handelt es sich um eine wissenschaftliche Dokumentation von Leben und Werk des "Diener Gottes" genannten Kandidaten. Darüber hinaus beinhaltet die "Positio" auch Aussagen über das persönliche Umfeld des Kandidaten.
Endgültige Entscheidung beim Papst
Danach wird die "Positio" einem "Praelatus Theologus" übergeben. Dieser Glaubensanwalt prüft gemeinsam mit mehreren Theologen alle Unterlagen noch einmal auf mögliche Ungereimtheiten. Daach geben die Experten ein Urteil ab: Entscheiden sie sich dabei mit Zwei-Drittel-Mehrheit für das Verfahren, wird der Fall der Hauptversammlung der Kongregation vorgelegt. Gibt auch sie "grünes Licht", liegt die endgültige Entscheidung über die Selig- oder Heiligsprechung beim Papst.
Falls das Kirchenoberhaupt die Voten der Vorinstanzen mitträgt, wird sein Urteil in Form eines Dekrets "de heroicitate virtutum" ("über den heroischen Tugendgrad") oder eines Dekrets "de martyrio" ("über das Martyrium") veröffentlicht. Nach der Publizierung steht dem Kandidaten der Titel "Venerabilis" ("Verehrungswürdiger") zu.
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Damit jedoch ist das Verfahren noch immer nicht abgeschlossen. Für Selig- und Heiligsprechungen ist vielmehr noch der Nachweis eines Wunders erforderlich. Von dieser Regel ausgenommen sind nur Märtyrer: Wer wegen seines Glaubens getötet wurde, gilt als Märtyrer und kann auch ohne Nachweis eines Wunders zur Ehre der Altäre erhoben werden. Alle anderen Kandidaten jedoch müssen für eine Selig- und Heiligsprechung nach ihrem Tod jeweils mindestens ein Wunder vollbracht haben. Als Wunder anerkannt werden Heilungen schwerer Krankheiten und Leiden, die auf Fürsprache des Kandidaten erfolgt und medizinisch nicht zu erklären sind.
Ist auch die Wunder-Hürde genommen, steht der Selig- oder Heiligsprechung nichts mehr im Weg. Der Akt selbst erfolgt im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes – bei Seligsprechungen meist durch einen Kardinal oder Bischof, bei Heiligsprechungen durch den Papst. Anschließend darf die so geehrte Person von den Gläubigen offiziell verehrt werden – mit einem Unterschied: Während Heilige weltweit um Fürsprache angerufen werden können, dürfen Selige nur in einer bestimmten Region oder einem Bistum verehrt werden.
Bleibt zum Schluss die Frage: Warum treibt die Kirche einen solch immensen Aufwand, um Menschen nach ihrem Tod als Selige oder Heilige zu verehren? Eine gute Antwort liefert der Katechismus der katholischen Kirche. Dort heißt es unter Nummer 828: "Wenn die Kirche gewisse Gläubige heiligspricht, das heißt feierlich erklärt, dass diese die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt haben, anerkennt die Kirche die Macht des Geistes der Heiligkeit, der in ihr ist. Sie stärkt die Hoffnung der Gläubigen, indem sie ihnen die Heiligen als Vorbilder und Fürsprecher gibt. (...) In den schwierigsten Situationen der Geschichte der Kirche standen am Ursprung der Erneuerung immer Heilige."