Neues Papstdokument "Desiderio Desideravi" zur liturgischen Bildung

Papst Franziskus schärft Bedeutung der Liturgiereform ein

Veröffentlicht am 29.06.2022 um 12:32 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Erneut äußert sich Papst Franziskus in einem großen Schreiben zur Liturgie: In grundsätzlichen Überlegungen drückt er seine Sorgen über "spirituelle Weltlichkeit" aus – und betont abermals, dass es kein Zurück hinter die Liturgiereform gebe.

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Papst Franziskus hat in einem Apostolischen Schreiben zur liturgischen Bildung erneut die Bedeutung der nachkonziliaren Liturgie betont. Das Dokument "Desiderio Desideravi" ("Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt") wurde am Mittwoch durch das Presseamt des Heiligen Stuhls veröffentlicht. Der Papst wolle damit "einige Überlegungen zur Liturgie, einer grundlegenden Dimension für das Leben der Kirche" teilen, wie es in der Einleitung heißt. Dabei handle es sich um keine erschöpfende Darstellung, sondern Denkanstöße. Das Schreiben hat laut dem Liturgiedikasterium keine Rechtsnatur. Es sei vielmehr "ein Text der Meditation, mit einer lebendigen biblischen, patristischen und liturgischen Prägung, der viele Anregungen bietet, um die Schönheit der Wahrheit der liturgischen Feier zu verstehen".

Erneut betont Papst Franziskus in dem Schreiben den Stellenwert der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Die Kirche sei aufgerufen, den Reichtum der Grundsätze des Konzilsdokuments zur Liturgie neu zu entdecken und die enge Verbindung zwischen der Liturgiereform und den anderen Konzilsdokumenten zu verstehen: "Deshalb können wir nicht zu jener rituellen Form zurückkehren, die die Konzilsväter cum Petro und sub Petro für reformbedürftig hielten, indem sie unter der Führung des Geistes und nach ihrem Gewissen als Hirten die Grundsätze billigten, aus denen die Reform hervorging", so der Papst. Die Genehmigung der revidierten liturgischen Bücher durch die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. garantiere die Treue der Reform zum Konzil. Deshalb habe Franziskus mit seinem Motu Proprio "Traditionis custodes" im vergangenen Jahr die Feier der vorkonziliaren Form deutlich eingeschränkt, damit die Kirche "in der Vielfalt der Sprachen ein und dasselbe Gebet erhebt, das ihre Einheit zum Ausdruck bringt". Das sei für den Papst ein zentrales Anliegen: "Diese Einheit möchte ich, wie ich bereits geschrieben habe, in der gesamten Kirche des Römischen Ritus wiederhergestellt sehen", so Franziskus weiter.

Die Form der Liturgie sei keine bloß ästhetische Frage, sondern in erster Linie ekklesiologischer Natur: "Ich verstehe nicht, wie man sagen kann, dass man die Gültigkeit des Konzils anerkennt – obwohl ich mich ein wenig wundere, dass ein Katholik sich anmaßen kann, dies nicht zu tun – und nicht die Liturgiereform akzeptieren kann, die aus Sacrosanctum Concilium hervorgegangen ist und die die Realität der Liturgie in enger Verbindung mit der Vision der Kirche zum Ausdruck bringt, die in Lumen Gentium auf bewundernswerte Weise beschrieben wurde", betont der Papst.

Liturgie als Gegenmittel gegen Gift der spirituellen Weltlichkeit

Das nun veröffentlichte Schreiben verdeutlicht die Bedeutung der Liturgie als Ort der Begegnung mit Christus und soll den theologischen Sinn der Liturgie erschließen. Liturgie sei "das Gegenmittel gegen das Gift der spirituellen Weltlichkeit". Es sei nötig, die Fähigkeit wiederzuerlangen, “die liturgische Handlung in vollem Umfang zu leben". Daher brauche es liturgische Bildung, da der Mensch die Fähigkeit verloren habe, "sich auf die symbolische Handlung einzulassen, die ein wesentliches Merkmal des liturgischen Aktes ist", so der Papst. 

Der Titel des Dokuments bezieht sich auf das Evangelium vom letzten Abendmahl und verweist auf die Eucharistie. Gemäß Lukasevangelium sagt Jesus zu seinen Aposteln: "Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen", im Lateinischen "desiderio desideravi hoc pascha manducare vobiscum antequam patiar" (Lk 22, 15).

Sorge um Akzeptanz des Zweiten Vatikanischen Konzils

Der Präfekt des Liturgiedikasteriums, Erzbischof Arthur Roche, hatte bereits im Frühjahr ein Dokument zur liturgischen Bildung angekündigt. In einem Interview sagte der Präfekt, dass Papst Franziskus sich um die Ausbildung von Priesterkandidaten sorge. Es sei nicht ungewöhnlich, dass neugeweihte Priester "beinahe sofort" anfangen würden, die vorkonziliare Liturgie zu feiern. Seine Behörde wirke bei den Seminaren darauf hin, "den Reichtum der liturgischen Reform" zu lehren, wie es das Zweite Vatikanische Konzil gefordert habe. Weitere Details zu dem geplanten Dokument gab Roche damals nicht bekannt. Vorangegangen sei eine zweijährige Beratung in der damaligen Liturgiekongregation. "Alle waren der Meinung, dass die Ausbildung in den Seminaren im Allgemeinen und im Leben der Kirche ziemlich unzureichend ist", so Roche.

"Desiderio desideravi" ist nach dem Motu Proprio "Traditionis custodes" das zweite bedeutende Dokument zur Liturgie im Pontifikat von Franziskus. Im vergangenen Sommer hatte der Papst mit “Traditionis custodes” die Feier der Messe in ihrer vorkonziliaren Form deutlich eingeschränkt und betont, dass die von Papst Benedikt XVI. eingeführte Formel von einem römischen Ritus in zwei Formen, einem ordentlichen der Liturgiereform und einer außerordentlichen nach den vorkonziliaren liturgischen Büchern, keine Anwendung mehr finde. Die nachkonziliare Liturgie sei "die einzige Ausdrucksform der Lex orandi des Römischen Ritus", so der Papst.

Zuletzt hatte Franziskus in einem Interview betont, dass er sich über restaurative Tendenzen sorge, die das Zweite Vatikanum zurückdrehen wollten: "Die Restauration ist gekommen, um das Konzil zu knebeln", so der Papst. Das Problem sei, dass das Konzil in einigen Bereichen noch nicht akzeptiert werde: "Es ist auch wahr, dass es ein Jahrhundert dauert, bis ein Konzil Wurzeln schlägt. Wir haben also noch vierzig Jahre Zeit, um es zu etablieren!", so der Papst weiter. (fxn)