Anwalt will gerichtlichen Betreuer für Missbrauchstäter H. durchsetzen
Das Amtsgericht Essen muss prüfen, ob es einen gesetzlichen Betreuer für den Missbrauchstäter Peter H. bestellt. Nach Informationen der Wochenzeitung "Die Zeit" (Dienstag) hat der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz "den Antrag auf Einrichtung der Betreuung" für H. eingereicht, um die "permanent ausgehende Gefahr des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil von minderjährigen Kindern in seiner Umgebung zu reduzieren". Nach Angaben der Zeit vertritt Schulz mehrere Opfer des ehemaligen Klerikers. Nachdem H. im Juni auf eigenen Antrag aus dem Klerikerstand entlassen wurde, hatte das Bistum Essen keine Möglichkeit zur Aufsicht über den 74-Jährigen, dem bereits seit 2010 die Ausübung des priesterlichen Dienstes untersagt war.
Gegenüber der Zeit äußerte sich das Amtsgericht in der Sache nicht über das Verfahren. Das Gericht habe aber "von Amts wegen zu ermitteln, ob und in welchem Umfang die Einrichtung einer Betreuung erforderlich und sinnvoll ist", sobald ein Antrag, den jeder stellen könne, einginge. In seinem Antrag, der der Zeit vorliegt, verweist Schulz auf eine "narzisstische Grundstörung mit Päderastie und Exhibitionismus" bei H. Nach dem Wegfall der kirchlichen Aufsicht könne H. nach Ansicht des Anwalts "jetzt unbeobachtet seinem verfestigten Hang, minderjährige Kinder zu missbrauchen, nachgehen". Dies rechtfertige die Betreuung durch das Amtsgericht. Nach Angaben des Amtsgerichts kann die Prüfung des Antrags mehrere Monate dauern.
Sorge im Bistum Essen nach Wegfall der Aufsicht
Nach Angaben des Bistums Essen habe H. mit den kirchlichen Weisungen und Auflagen gegen ihn kooperiert, solange er diesen als Kleriker unterlag. Bischof Franz-Josef Overbeck, der H. im Jahr 2020 ins Ruhrgebiet zurückbeordert hatte, um eine engmaschige Aufsicht zu ermöglichen, zeigte sich angesichts der Entlassung aus dem Klerikerstand besorgt. Zwar sei die Laisierung als "Höchststrafe" für H. "nachvollziehbar und angemessen". Wenn H. aber nun nicht mehr zum Klerus gehöre, "werden diese Bemühungen in dem Umfang, wie es jetzt geschieht, auf Dauer nicht weitergeführt werden können. Das sehe ich nicht ohne Sorge", schrieb Overbeck dem Vatikan.
Das zuständige Betreuungsgericht kann für einen Volljährigen einen Betreuer bestellen, wenn er "auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen" kann (§ 1896 BGB). Ziel der Betreuung ist es, Menschen, die ihre Angelegenheit nicht selbst regeln können, Unterstützung, Hilfe und Schutz zu gewähren. Ein Betreuer darf dabei nur für Aufgaben bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist und kann nicht gegen den freien Willen des zu Betreuenden bestellt werden.
Der Fall des ehemaligen Essener Diözesanpriesters H. ist einer der brisantesten Missbrauchskomplexe in Deutschland. An mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern missbrauchte er seit den 1970er-Jahren insgesamt mindestens 29 Minderjährige. H. wurde sowohl von staatlichen wie von kirchlichen Gerichten für seine Taten verurteilt. 1980 wurde H. im Erzbistum München und Freising aufgenommen unter der Auflage, eine Therapie zu machen. Dort wurde er dennoch in mehreren Gemeinden als Seelsorger eingesetzt, wo er weitere Taten beging. Das Münchner Missbrauchsgutachten widmet sich in einem gut 350 Seiten starken Sonderband dem Fall Peter H. In den Fall verwickelt ist auch der ehemalige Münchener Erzbischof Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. Er bestreitet jedoch, von der Vorgeschichte von H. Kenntnis gehabt zu haben. (fxn)