Theologin: Heute kann man guten Gewissens "Vater-Mutter-unser" beten
Die Grazer Theologieprofessorin Martina Bär plädiert dafür, fixierte Rollenbilder im christlichen Glauben aufzubrechen. "Mich persönlich interessiert das Gottesbild. Reden wir nur vom männlichen Gott, oder greifen wir die Ergebnisse der biblischen Exegese auf, die belegt, dass Gott auch mit weiblichen Metaphern beschrieben worden ist", fragt Bär in der aktuellen Ausgabe der österreichischen Kirchenzeitung "Der Sonntag" mit Verweis auf entsprechende Gottesbilder in der Bibel. Weibliche Metaphern, die für Mütterlichkeit stünden, seien lange vernachlässigt worden. "Heute kann man mit gutem Gewissen beten: Vater-Mutter-unser", so die Liturgiewissenschaftlerin. Sie plädiert jedoch zugleich dafür, menschliche Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Bezug auf Gott aufzubrechen, "weil Gott nochmal ganz anders ist als das, was wir überhaupt denken können".
Die Zukunft der katholischen Kirche entscheidet sich nach Bärs Einschätzung dagegen nicht ausschließlich an der Frauenfrage: "Das ist so eine typische Behauptung im deutschsprachigen Raum, wo von Publizistinnen wie Christiane Florin die Diskriminierung der Frau in der katholischen Kirche stark thematisiert wird." Sie selbst glaube, dass die Zukunft sich daran entscheiden werde, ob die Kirche es schaffe, sich der Moderne zu öffnen – "und das impliziert natürlich die Frauenfrage". Entscheidend sei zudem die Frage, wie die Kirche es schaffe, mit dem Missbrauchsskandal umzugehen. "Ob sie weiterhin versucht, kirchliche Machtstrukturen zu bewahren, oder ob sie sich wirklich auf die Seite der Opfer stellt", so die Theologin.
Bär lehrt seit April als Professorin am Institut für Systematische Theologie und Liturgiewissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Graz. Zuvor war die gebürtige Allgäuerin in Erfurt, Luzern, Zürich und Berlin tätig. Promoviert wurde sie mit einer Arbeit über die Gottebenbildlichkeit von Mann und Frau. Die Katholisch-Theologische Fakultät in Graz hat einen Schwerpunkt für theologische Frauen- und Geschlechterforschung. (stz)