Standpunkt

Katholiken beim CSD – eine buchstäblich notwendige Tat

Veröffentlicht am 18.07.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Noch nie hätten katholische Menschen so offen und zahlreich beim Christopher Street Day mitgemacht wie zuletzt, beobachtet Matthias Drobinski. Sie hätten dabei etwas im Wortsinn Notwendiges getan: gezeigt, dass katholisch und queer zusammengingen.

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Ein Priester in Amtskleidung beim Christopher Street Day in München. Eine Andacht zu Beginn und ein Gedenkgottesdienst für die Aids-Toten am Ende des CSD-Wochenendes in Frankfurt. In Hamburg erhält die Aktion "#OutInChurch" den Preis des dortigen CSD. Noch nie haben katholische Menschen so zahlreich und so offen mitgemacht bei den bunten Umzügen und Veranstaltungen, mit denen weltweit queere Menschen auf sich, ihr Leben, ihre Rechte aufmerksam machen. Einige taten dies bewusst als Amtsträger. Nein, diese Menschen knicken nicht ein vor dem Zeitgeist oder rennen ihm hinterher, ohne ihn je zu fassen. Sie haben etwas im Wortsinn Notwendiges getan.

Notwendig, das heißt: eine Handlung, die geeignet ist, Not zu wenden. Und es gibt sie bis heute, die Not der nicht heterosexuellen Menschen in den Kirchengemeinden und Verbänden. Sie machen sich unsichtbar, weil sie nicht erklärt bekommen wollen, dass ihre Sexualität "ungeordnet", gar ihre Orientierung "heilbar" sei. Schwule und lesbische Paare fürchten die peinlich berührte Sprachlosigkeit in der Kirchenbank nebenan, wenn sie sich zu erkennen geben. Andere, darunter viele Priester, riskieren ihren Beruf, wenn sie zeigen, wie sie empfinden. Und dann gibt es noch die Not derer, die herausgedrängt wurden aus ihrer Kirche, die religiös und spirituell heimatlos wurden, weil sie nicht so lieben, wie im Katechismus vorgesehen.

Dies ist nicht nur die Not einzelner Menschen – es ist die Not der ganzen katholischen Kirche. Sie hat Jesu Menschenliebe zu einer kasuistischen Sexualmoral gerinnen lassen. Sie hat ein System der Heimlichtuerei und Doppelmoral entstehen lassen, dessen furchtbarster Auswuchs sexualisierte Gewalt und ihre Vertuschung sind. Sie hat Millionen Menschen Unrecht getan. Dass nun Menschen offen zeigen können: katholisch und queer, das geht zusammen – das ist ein erster Schritt hinaus aus dieser Not. Und ja, er darf, er soll Spaß machen, dieser Schritt. Aachens Bischof Helmut Dieser hat jüngst ein Schuldbekenntnis gegenüber homosexuellen und nichtbinären Menschen vorgeschlagen. Ein CSD-Wochenende in den kommenden Jahren wäre ein guter Zeitpunkt.  

Von Matthias Drobinski

Der Autor

Matthias Drobinski ist Reporter bei der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.