Aus dem Schlamm ins Licht: Ein neues Messgewand für das Ahrtal
Thomas Schmitt, von der Paramentenwerkstatt "schmitt-paramente" in Köln, hat ein neues Messgewand für die Pfarrei Bad Neuenahr-Ahrweiler angefertigt. Pfarrer Jörg Meyrer trug es vergangenen Sonntag beim Gottesdienst zum Gedenken an die Flutkarastrophe im Ahrtal vor einem Jahr, der im ZDF übertragen worden ist. Für Schmitt war das ein persönliches Anliegen. Er will damit an die Schrecken der Flutnacht vor einem Jahr erinnern, aber auch neue Hoffnung schenken. Im katholisch.de-Interview berichtet er, wie es dazu kam.
Frage: Herr Schmitt, Sie haben ein neues Messgewand für die Kirchengemeinde St. Laurentius angefertigt. Wie kam es dazu?
Schmitt: Nach der Flut bekam ich einen Anruf von Pfarrer Jörg Meyrer aus Bad Neuenahr. Er fragte mich, ob ich auch Messgewänder reinigen würde. Ich sagte sofort zu und dann kamen schon die ersten Fuhren in Köln bei mir hier an. Seminaristen aus Lantershofen haben Berge an verdreckten Gewändern gebracht. Alles lag in meinem Laden auf dem Boden. Ich bekam echt einen Schock. Es war schlimm, denn alles war voller Schlamm, Öl und Fäkalien. Es stank auch ziemlich. Ich habe gleich alle Sachen in mein Auto geladen, zu mir nach Hause gebracht und auf Ständern in der Garage zum Trocknen aufgehängt. Dann habe ich den Schlamm aus den Kleidern geklopft und begonnen, alles zu reinigen. Die Paramente und liturgischen Gewänder mussten in die Spezialreinigung. Die weiße Wäsche haben mein Kompagnon David Valles-Fernandez und ich selbst von Hand vier Monate lang jeden Abend in der Waschmaschine zu Hause gewaschen. Mehrfach. Die Altartücher, die Alben, die Unterziehsachen für Priester oder Ministranten: All das musste ich erst einmal mit Gallseife und Kernseife vorbehandeln. Das war viel Arbeit. Aber ich bin froh, dass wir fast alles davon retten konnten.
Frage: Warum haben Sie das alles privat zu Hause gemacht?
Schmitt: Ich wollte einfach helfen und es war mir ein Herzensanliegen. Drei Monate später habe ich die gereinigten Sachen dann auch persönlich wieder in die Kirchengemeinde zurückgebracht. Ich habe viel mit den Menschen im Ahrtal gesprochen. Das war jedes Mal sehr erschütternd. Als ich von den einzelnen Erlebnissen in dieser schrecklichen Flutnacht gehört habe, habe ich nur gedacht: Jetzt hast du drei, vier Monate diese verdreckten Gewänder gereinigt. Das ist nichts dagegen, was die Menschen hier erleben mussten.
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Frage: Sind Sie religiös?
Schmitt: Ja, ich bin katholisch und kirchlich engagiert. Mein Kollege und ich haben aber einfach gesagt, wir schaffen das und wir machen das. Wir berechnen dafür auch nichts, das ist unser Beitrag für die Betroffenen im Ahrtal.
Frage: Aber warum haben Sie noch zusätzlich ein neues Messgewand für diese Kirchengemeinde gemacht?
Schmitt: Zwischen Pfarrer Jörg Meyrer und mir ist in dieser Zeit nach der Flut eine, ja ich will sagen, eine freundschaftliche Verbundenheit gewachsen. Wir kannten uns zwar schon vorher, aber rein dienstlich. Durch diese ganze Geschichte sind wir zusammengewachsen. Daher war es mir auch ein Bedürfnis, für diese Kirchengemeinde ein Gewand zu machen, das an die Flut erinnert und gleichzeitig ein Hoffnungszeichen setzt.
Frage: Wie kamen Sie auf diese Idee?
Schmitt: Als ich damals so oft im Ahrtal war und den vielen Schlamm dort sah, war mir klar, dass ich ein weißes Gewand machen will. Das steht für die Auferstehung, für einen Neuanfang. Ich bat meine Seidenmalerin, dass sie das Blau des Wassers so malen könnte, dass die Farben von der Schlammfarbe übergehen in das Blau des Himmels. Also vom Dunklen ins Helle. Das Blau des Wassers geht von der Flut über in das Wasser des Lebens. Dieses Wasser läuft als Kreuz über das ganze Gewand und mündet in einen gelben Kreis, der auf Christus als die Sonne des Lebens, die Auferstehung hinweist. In dem Kreuz erkennt man auch die Linien der beiden Flüsse Ahr und Erft. Sie gehen vom Kreuz weg in das Gute hinein, in die Sonne. Das ist für mich eine Osterbotschaft. Das Gewand soll an die Flut erinnern, aber auch den Menschen an der Ahr und an der Erft, die so viel gelitten haben, wieder Hoffnung schenken. Das war mein Anliegen.
Frage: Welche Reaktionen bekommen Sie darauf?
Schmitt: Pfarrer Meyrer trug dieses neue Messgewand in dem Gedenkgottesdienst in St. Laurentius, der auch im Fernsehen übertragen wurde. Er hat mir danach geschrieben, dass er viele positive Rückmeldungen dazu bekam. Ich habe auch viele Kommentare auf Facebook gelesen, die allesamt positiv waren. Darüber freue ich mich sehr. Die Menschen sind dankbar für dieses Zeichen der Hoffnung. Ich bin froh, dass mein Anliegen ankommt.
Frage: Aber Sie hätten auch ein Gewand anfertigen können, das noch verschlammt war… das wäre auch authentisch gewesen für diesen Gottesdienst in der noch baufälligen Kirche dort, oder?
Schmitt: Ja, das hätte vielleicht auch gepasst und war auch meine erste Idee gewesen. Ich habe überlegt, aus Teilen von den verschlammten Gewändern, die nicht mehr gerettet werden konnten, ein neues zu nähen. Das hätte dann auch die Flut symbolisiert. Aber das habe ich verworfen. Ich wollte den Leuten eine neue Hoffnung geben, ein neues Gewand, das zeigt: Es wird wieder hell, es geht weg von dem dunklen Dreck ins Licht.
Frage: Was ist Ihre persönliche Hoffnung?
Schmitt: Ich glaube daran, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist. Eine Frau dort aus der Gemeinde hat mir erzählt, dass sie bei der Flut alles verloren hat. Ihr Haus, all ihre Erinnerungen, nur das, was sie am Leib trug, ist ihr geblieben. Dann hat sie mir gesagt: "Aber wir leben". Als ich das hörte, habe ich geweint. Da wusste ich, ich muss den Menschen hier im Ahrtal ein Zeichen der Hoffnung geben. Ein Zeichen, dass mit der Flut nicht alles vorbei ist, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, es geht weiter. Ich hoffe, das ist mir mit diesem Messgewand gelungen.
Frage: Haben Sie das Messgewand selbst genäht?
Schmitt: Ja, das war mir ein Herzensanliegen. Es hat mir Freude gemacht und es hat mir auch geholfen, diese Flut zu verarbeiten. Daher war es mir wichtig, dass ich es selbst zuschneide und nähe. Meine Seidenmalerin hat den Stoff bemalt. Wir haben dafür Shantung-Seide verwendet, die in einer der letzten Paramentenwebereien in Deutschland, in Krefeld, hergestellt wird. Alles ist handbemalt und handgearbeitet. Ich wollte meine Arbeit und ganze Kraft da hineinstecken. Nach Feierabend habe ich oft daran weitergearbeitet. Das war mir einfach wichtig. Ich habe so viel gehört von den Menschen, die durch diese schreckliche Flut in Not geraten sind. Das war mein klitzekleiner Beitrag für die Betroffenen. Ich habe dieses neue Messgewand daher der Gemeinde als ein Zeichen der Hoffnung gestiftet. Ich will kein Geld dafür haben. Wenn jemand dadurch wieder mehr Mut und Kraft für sein Leben nach der Flut geschenkt bekommt, bin ich dankbar.