Theologe: Bischöfliches Lehramt muss mehr auf Wissenschaft hören
Der Dogmatiker Hans-Joachim Sander hat sich für eine eingehendere Auseinandersetzung des bischöflichen Lehramts mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgesprochen. Die Bischöfe seien gut beraten, sich um Ratschläge aus der Wissenschaft zu bemühen, schreibt der Salzburger Theologe in einem Beitrag für die "Herder Korrespondenz" (August-Ausgabe). "Die Menge dieser einschlägigen Ratschläge ist nicht nur, aber vor allem im Fall der Zeichen der Zeit nicht auf binnenkirchliche Argumentationen beschränkt", so Sander. Als positives Beispiel eines Rückgriffs des kirchlichen Lehramts auf wissenschaftliche Erkenntnisse nannte er die Umwelt-Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015. Sie sei unter anderem an der zeitgenössisch anerkannten Klima- und Ökologieforschung orientiert und habe ausdrücklich für die Kirche fremde Orte theologisch bedeutsamer Erkenntnis zitiert.
Mit seiner Kritik an der Rezeption wissenschaftlicher Erkenntnisse durch das bischöfliche Lehramt regierte Sander auf einen Gastbeitrag des Freiburger Theologen Helmut Hoping in der Juli-Ausgabe der "Herder Korrespondenz". Darin hatte Hoping "eine einschneidende Kompetenzverschiebung im Verhältnis von Bischöfen und Theologen" bei den Beratungen des Synodalen Wegs bemängelt. Die Oberhirten kämen in die Rolle, die von Theologen gewollte Veränderung der Glaubenslehre umsetzen zu müssen. Hoping beschäftigte sich in seinem Text zudem mit den unterschiedlichen "Argumentationsinstanzen theologischer Erkenntnis". Sander kritisierte hierbei, dass nach der Argumentation Hopings zu genügen scheine, "dass das kirchliche Lehramt auf bischöfliche Ordination gegründet" sei.
"Das Machtprinzip des Belehrens wäre damit zugleich seine eigene Fundstelle", so Sander weiter. Zum einen werde niemand "durch sakramentale Weihe in höhere Erkenntnisregionen versetzt", was einem als sündhaft abzulehnenden "magischen Verständnis von Wissen" nahekäme. Der kirchlichen Lehre gehe "kein Hokuspokus von Erhellungserfahrungen voraus, die für andere nicht erschließbar sind". Zum anderen müsse auch das bischöfliche Lehren mit diskursfähigen Argumentationen verbunden werden. "Keine Lehre fällt vom Himmel, wie weihevoll man sich das auch vorstellen mag." Zudem sei es irreführend, theologische Erkenntnisorte in "eigene und fremde Fundstellen" zu unterscheiden, betonte Sander. Es bestehe mit Blick auf die Geschichte der Theologie kein Zweifel daran, "dass ein jeder Topos, in dem sachhaltige Argumente zu finden sind, etwas zu sagen hat". Es seien nicht länger die Autoritäten, die Gründe vorgeben könnten, sondern es sei eine Autorität in der Sache, die eine Argumentation begründe. Deshalb gewinne das bischöfliche Lehramt seine Glaubwürdigkeit auch durch Rückgriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse. (rom)