Warum Rosa Mühlberger eine Kapelle gebaut hat
Als ich Rosa Mühlberger vormittags anrufe, braucht es ein paar Anläufe, bis sie ans Telefon kommt. Sie war gerade in der Kapelle, erklärt die 76-Jährige, Blumen gießen. Die Kapelle steht auf ihrem Hof am Kramerberg in Breitenberg. Die kleine Ortschaft gehört zur Pfarrgemeinde Maria Himmelfahrt in Sonnen. Sonntags fährt Mühlberger in die Nachbargemeinde, um gemeinsam mit ihrem Ehemann dort in den Gottesdienst zu gehen. Zum täglichen Gebet hat sie es dagegen nun nicht mehr so weit. Die Kapelle ist ja gleich nebenan. Aus Dankbarkeit und weil sie es dem Herrgott versprochen hatte, hat sie diese aus eigener Kraft erbaut.
Mühlberger hatte keine Vorlage und auch keinen Bauplan, nur einen Wunsch im Herzen. "Die Kapelle ist genauso geworden, wie ich sie mir vorgestellt habe", sagt sie im Rückblick. Sie wollte diese Kapelle nur mit dem Geld aus ihrer eigenen Mütterrente bauen, wie sie erklärt. Mühlberger zeichnete eine Vorlage, holte Maurer für den Rohbau und Zimmerer für den Dachstuhl. Immer wenn monatlich das Geld ankam, konnte sie weiterbauen. Als die Kapelle außen fertig war, ging sie selbst ans Werk. Die gesamte Innenausstattung der Kapelle ist ihr Werk: also der Hochaltar und die Kirchenbänke. Alles aus Holz und handgemacht.
Nur zwei Werkzeuge zur Verfügung
Dafür hatte Mühlberger nur zwei Werkzeuge zur Verfügung: eine Kreissäge und eine Stichsäge. Selbst die Rundungen und Verzierungen am Altar und an den Kirchenbänken hat sie eigenhändig ausgefräst. Wie das gehe, das kriegt man schon alles raus, meint die 76-Jährige. Sie sei handwerklich eben sehr begabt, fügt sie nüchtern hinzu. Früher hat sie auch mal eine große Weihnachtskrippe selbst gebaut. Wahrscheinlich habe sie diese Begabung von ihrem Vater geerbt, der handwerklich auch sehr geschickt war, meint sie. "Mein Vater war ein weiser und gescheiter Mann." Schon als Kind habe sie ihm beim Werkeln zugeschaut. "Diese Begabung hat er mir zurückgelassen“, sagt Mühlberger nachdenklich. Es liege ihr einfach, mit Holz zu arbeiten. "Ich sehe was und dann weiß ich schon, was ich daraus machen kann."
So war es auch bei der Kapelle. Sie habe sich jedes Detail genau vorgestellt. Auch die Farben, mit denen sie den Hochaltar bemalen wollte. "Alles wurde genauso, wie es ich es mir gewünscht habe", sagt sie und wiederholt nochmals ganz leise: "Genauso".
Einen eigenen Tischaltar gibt es in der Kapelle zwar nicht, aber auf dem Hochaltar ist Platz für Kelch und Messbuch. Die Kapelle sei einfach zu klein, um da noch einen eigenen Tisch hinzustellen, erklärt sie. Einen Sommer lang habe sie an dem Hochaltar gearbeitet, bis er fertig war. Vom Bodensockel über das Tischteil, bis hinauf zu den beiden Nischen ganz oben, erinnert sie sich. Alles in Weinrot, Weiß und Grün getüncht. In der Nische auf der linken Seite steht der heilige Josef und auf der anderen Seite Jesus mit dem Wundmal am Herzen. Ihm ist auch die Kapelle gestiftet. Und der Gottesmutter, fügt sie hinzu. Alle Figuren in der Kapelle hat sie entweder aus dem Internet erworben oder über eine befreundete Restauratorin erhalten. Manche der Figuren mussten repariert werden, weil sie in einem schlechten Zustand ankamen. Das kostete natürlich alles Geld, berichtet Mühlberger. Für die heilige Theresia waren etwa 1.000 Euro fällig. Die Gottesmutter Maria war noch teurer. Aber sie habe alles aus eigener Tasche bezahlt. Sie wollte keine Spenden oder Zuschüsse dafür annehmen. Denn das war sozusagen ihre Abmachung mit dem Herrgott. "So habe ich es ihm versprochen. Ich will es aus eigener Kraft schaffen", sagt Mühlberger. Selbst das Fenster in der Kapelle hat sie nach einer eigenen Skizze anfertigen lassen. Das war zwar kostspielig, aber das "Herz Jesu" bedeute ihr einfach viel.
Sie habe den Herrgott mit dem Bau der Kapelle keinesfalls erpressen wollen. "Ich habe ja nicht gesagt, Herrgott, du musst helfen. Ich habe eher gefragt, ob er helfen kann. Und er hat geholfen", meint sie. Auch während des Kapellenbaus. Immer wieder kam sie damals an ihre Grenzen. "Ich bin schließlich eine Frau und keine Schreinerin", meint sie. Auch ihre linke Hand ist nicht mehr so beweglich. Aber der Herrgott habe ihr immer wieder genügend Kraft geschenkt, weiterzumachen, so Mühlberger.
Täglich hat sie stundenweise an der Kapelle weitergearbeitet. Auch ihr Ehemann, 83 Jahre alt, hat sie bei ihrem Vorhaben unterstützt, allerdings "nur" im Glauben. Mithelfen durfte er aber auch nicht. "Ich hätte ja auch Schreinerin werden können", räsoniert Mühlberger, die Mutter von drei Kindern ist. Sie ist auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen und nach dem Krieg waren alle bitterarm. Da war kein Geld übrig für eine Ausbildung, meint sie. Ihren Glauben habe sie in dieser Zeit aber nicht verloren. Sie habe auch nie mit dem Herrgott geschimpft. Auch nicht, als es ihrem Sohn so schlecht erging, erzählt sie. Vielleicht wollte sie mit dem Bau dieser Kapelle auch etwas zurückgeben.
Nach drei Jahren war die Kapelle am Kramerberg endlich fertig. "Mit Gottes Hilfe", ergänzt Mühlberger. Am 26. Juni wurde sie vom Ortspfarrer eingeweiht. Pfarrer Wolfgang Hann habe den Bau der Kapelle von Anfang an unterstützt und habe sich sogar persönlich um die bischöfliche Erlaubnis aus Passau bemüht. Die offizielle Urkunde überreichte er Rosa Mühlberger bei der Einweihung. Damit gehört die Kapelle am Kramerberg zu einer der 17 Dorf- und Hauskapellen im Pfarrsprengel Sonnen. Sie zeugen von der besonderen Gläubigkeit der Menschen hier, ist sich der Pfarrer sicher. Die Kapelle solle mit Leben gefüllt werden, denn das ist kein Steinhaufen, sondern lebendige Kirche, sagte er bei der Segnungsfeier der Kapelle.
Für Frau Mühlberger ist sie noch mehr. "Der Bau der Kapelle hat mir Kraft gegeben, nun soll sie meinem Sohn Kraft für sein Leben geben." Bei der Einweihung im Juni habe sie ihm das auch genauso gesagt. "Jetzt gehört sie dir, sie ist deine". Ihr Sohn hat sich so darüber gefreut, erzählt sie. Die Kapelle sei das Schönste, was ich ihm hinterlasse und er habe sogar versprochen, sich um die Kapelle zu kümmern. "Denn meine Jahre sind gezählt", fügt Mühlberger hinzu. Jetzt sei sie dankbar und froh, dass "ihre" Kapelle steht. Sie wünsche sich, dass viele Menschen kommen, um in der Kapelle zu beten.
Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Pilger dort einkehre, erzählt sie mit Freude. Gerne gehe sie dann mit zum Beten in die Kapelle. Sie sei sowieso jeden Tag dort; nicht nur, um die Blumen zu pflegen. Sie hat noch eine besondere Bitte an den Herrgott. An der Mauer neben dem Hochalter hängt ein schweres Holzkreuz. Es stammt aus einer inzwischen aufgelösten und abgerissenen Kirche aus Frankfurt am Main. Hier steht sie jeden Tag und bittet den Herrgott, dass er ihr das Leben so lange schenkt, bis sie den Rest der Kapelle abbezahlt hat, gesteht Mühlberger. Denn es gibt noch offene Rechnungen, die sie bezahlen muss.
Ewiges Licht brennt nicht
Rechts neben dem Hochaltar hängt ein Ewiges Licht. Die Kerze darin brennt nicht, auch aus Brandschutzgründen. Hier fehlt eine Monstranz mit dem Allerheiligsten, sagt sie. "Das wäre ein Traum", so Mühlberger, denn es gibt schöne und vergoldete Monstranzen zu kaufen. Aber die seien alle schlichtweg zu teuer. Sollte sie dennoch eine bekommen, dann würde sie diese ganz oben auf dem Hochaltar hinstellen. "Da wäre noch Platz", lacht sie.
Vielleicht übernehmen das später dann auch mal ihre Enkel, überlegt sie. Die waren bei der Einweihung der Kapelle dabei. "Ich wünsche mir, dass sie viel beten da drinnen und wenn sie Sorgen haben, dass sie von der Gottesmutter Maria erhört werden. Und die Schutzengel sollen sie beschützen. Und ich hoffe", fügt sie hinzu, "dass der eine oder andere Wunsch, der in der Kapelle dableibt, erfüllt wird. Vielleicht genauso wie mein Wunsch damals vor drei Jahren", schließt sie.