Kritik an neuer Grundordnung: Grundhaltung nicht per Gesetz erzwingbar
Kirchliche Mitarbeitervertreter sehen die Anforderungen an Kirchenbeschäftigte auch im Entwurf der neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes als "überholt und nicht realitätstauglich" an. In einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme übt die Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bistum Münster (DiAG MAV) deutliche Kritik am Entwurf der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Grundsätzlich begrüße die DiAG MAV die Neufassung der Grundordnung zwar in weiten Teilen, "da sie nunmehr eher der Lebenswirklichkeit und gelebten Praxis in den Einrichtungen von Kirche und Caritas entspricht". In Zeiten des Personalmangels, besonders in erzieherischen Berufen sowie bei der Alten- und Krankenpflege seien nach Erfahrung der Mitarbeitervertreter die Dienstgeber bei Kirche und Caritas aber "durchweg froh, wenn sie überhaupt Personal einstellen können", heißt es in der Stellungnahme. Man könne daher nicht davon ausgehen, dass Bewerber bewusst aufgrund des kirchlichen Profils kirchliche Arbeitgeber in Betracht ziehen. Die DiAG MAV bezweifelt, "ob man mit Regelungen in der Grundordnung und deren Begründung arbeitsrechtlich überhaupt bestimmte Grundhaltungen erwarten oder sogar erzwingen kann". Hier stelle sich die Frage, ob die Kirche mittels einer arbeitsrechtlichen Vorschrift bestimmte Haltungen bei Mitarbeitenden durchsetzen könne.
Auch die neue Grundordnung sieht einen Kirchenaustritt grundsätzlich als Kündigungsgrund an, eine Weiterbeschäftigung soll nur in Ausnahmefällen möglich sein. Das dahinterstehende Verständnis, dass ein Kirchenaustritt eine völlige Abkehr von der Kirche und der Gemeinschaft bedeute, könne nach Auffassung der DiAG MAV heute aber nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden, insbesondere mit Blick auf die Diskussion um Missbrauch in der Kirche: "Wir wissen von Mitarbeitenden, dass sie zwar aus der 'Institution' Kirche austreten, aber sich weiterhin der christlichen Gemeinschaft sehr verbunden fühlen und weiter am Gemeindeleben vor Ort teilnehmen."
Durchsetzung von christlichen Grundsätzen der Organisationskultur unklar
Kritisch sieht die DiAG MAV auch, dass an dem Begriff der "Dienstgemeinschaft" festgehalten wird. Dieser Begriff werde nach Erfahrung der Mitarbeitervertreter eher dazu genutzt, Mitarbeitendenrechte und Rechte der Mitarbeitervertretung (MAV) einzuschränken. Gemäß dem Entwurf kommt die Verantwortung des kirchlichen Charakters einer Einrichtung in erster Linie dem Dienstgeber zu. Das begrüßt die DiAG MAV, fragt aber zugleich, wie genau "das christliche Profil der Einrichtung fortwährend weiterzuentwickeln und zu schärfen" sei. Eine Absicherung von christlicher Organisationskultur durch Leitbilder wird nicht als zielführend erachtet. "Wir erleben zum Beispiel nach den Leitbildprozessen in Einrichtungen der Caritas vor vielen Jahren, in denen in allen Einrichtungen Leitbilder entwickelt werden sollten, dass genau dort, wo es große Konflikte in der Einrichtung zwischen Mitarbeitern, MAV und der Dienstgeberseite gibt, in den Eingangshallen die größten und ausführlichsten Leitbilder zu sehen sind", so die Stellungnahme.
Außerdem sei nicht klar, nach welchem Verfahren geprüft werde, ob eine Einrichtung ein christliches Unternehmensprofil auch tatsächlich umsetze und wie gegebenenfalls Konsequenzen aussähen. "Wir erleben in vielfacher Hinsicht jetzt schon, dass weder ein bischöflicher Mindesteinfluss noch ein Einfluss des Diözesancaritasverbandes auf seine Mitgliedsunternehmen ernsthaft durchgesetzt wird oder werden kann", klagen die Mitarbeitervertreter. Auch bei ernsthaften Verstößen gegen das Mitarbeitervertretungsrecht zögen sich Diözesanverbände auf die Position zurück, dass sie auf ihre Mitgliedsunternehmen keinen Einfluss nehmen könnten.
Weiterhin keine wirtschaftliche Mitbestimmung vorgesehen
Der Entwurf schreibe insgesamt mit Blick auf das Mitarbeitervertretungsrecht nur den bisherigen Stand fest, ohne eine notwendige Fortentwicklung vorzunehmen. Vermisst wird insbesondere eine Stärkung der Unternehmensmitbestimmung, die sich im kirchlichen Arbeitsrecht bislang auf Informationsrechte der MAV in größeren Einrichtungen beschränkt und damit hinter den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes zurückbleibt. Ähnliche Kritik äußerte bereits die Gewerkschaft ver.di an dem Entwurf. – Die DiAG MAV Münster berät, betreut und vertritt nach eigenen Angaben 520 Mitarbeitervertretungen mit rund 3.500 Mitarbeitervertretern, die mehr als 100.000 Beschäftigte bei Kirche und Caritas vertreten. Die DiAG MAV im Bistum Münster ist damit der größte Zusammenschluss kirchlicher Mitarbeitervertreter in Deutschland.
Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes regelt die Grundlagen des kirchlichen Arbeitsrechts. In der zuletzt 2015 reformierten, derzeit geltenden Form stellt sie vor allem Anforderungen an Mitarbeitende hinsichtlich Verhalten und Lebensführung. Der im Mai vorgestellte Entwurf verzichtet weitgehend auf derartige Loyalitätsobliegenheiten und verschiebt den Fokus auf Bedingungen, wie das christliche Profil einer kirchlichen Einrichtung gesichert werden kann. Erstmals soll Vielfalt rechtlich als Bereicherung im kirchlichen Dienst gefasst werden. Der Entwurf stieß größtenteils auf positive Reaktionen, zuletzt beim Katholischen Krankenhausverband Deutschlands (kkvd). Kritik äußerten die Gewerkschaft ver.di und queere katholische Organisationen. Auch der Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, Markus Graulich, zeigte sich skeptisch angesichts der weggefallenen Anforderungen an das Privatleben von Mitarbeitenden. Zu den Grundpflichten der Gläubigen gehöre es, auch in ihrem eigenen Verhalten immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren, so der Kirchenrechtler. (fxn)