Passauer Bischof äußert Grundsatzkritik am deutschen Reformprozess

Oster fürchtet Verschärfung der Glaubenskrise durch Synodalen Weg

Veröffentlicht am 16.08.2022 um 14:02 Uhr – Lesedauer: 

Passau ‐ Auch wenn die meisten deutschen Bischöfe es bestreiten: Für Bischof Stefan Oster stellen die Beschlüsse des Synodalen Wegs einen Bruch mit der Lehre der Kirche dar – und die Struktur sieht er im Widerspruch zum Verständnis wahrer Synodalität, wie es Franziskus hat.

  • Teilen:

Der Passauer Bischof Stefan Oster befürchtet, dass die Krise des Glaubens in der Kirche in Deutschland durch den Synodalen Weg nicht behoben, sondern verschärft wird. In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der internationalen katholischen Zeitschrift "Communio" äußert Oster deutliche Kritik an Verfahren und Inhalten des Reformprozesses. Die Beschlüsse, die Lehren "neu formulieren" wollen, sind für den Bischof "nicht einfach Weiterentwicklung, schon gar nicht 'behutsame' Weiterentwicklung, wie es auch manche Bischöfe sehen wollen, sondern tatsächlich eher ein Bruch". Sie seien nicht "graduell zur bestehenden Lehre Ergänztes", sondern "wesenhaft Anderes". "Und da es sich im Kern um fundamentale anthropologische Fragen handelt, entfaltet sich aus der Anthropologie folgerichtig eine andere Ekklesiologie und verbunden damit natürlich folglich zum Beispiel auch eine andere Gnaden- und Erlösungslehre", so Oster weiter.

Letzten Endes bezögen sich die inhaltlichen Weichenstellungen in allen vier Synodalforen direkt oder indirekt auf Sexualität oder das Verhältnis der Geschlechter zueinander und liefen so Gefahr, "letztlich die sakramentale Verfassung der Kirche wenigstens antasten oder in der Konsequenz auf lange Sicht sogar aus[zu]höhlen". In den bislang vorliegenden Texten und Überlegungen des Synodalen Wegs fehle weitgehend die "Formulierung eines Anspruchs des real präsenten Gottes", klagt Oster: "Es wird zwar immer wieder von Umkehr gesprochen, aber verstanden wird damit in der Regel zuerst eine Art Umkehr der Kirche in ihren Strukturen." Wo der Glaube, die Erkenntnis und die Erfahrung von realer Gegenwart Gottes in seiner Kirche schwänden, schwinde letztlich auch der eigentliche Faktor ihrer Anziehungskraft.

Zweifel an angemessener Beteiligung der Minderheit

Wenn in den Beschlüssen des Synodalen Wegs der Segen "generell für alle möglichen 'Paare, die sich lieben' und die den Segen wünschen" gefordert werde, dann bleibe nach Osters Ansicht "von dem biblischen Aufruf zur Umkehr, zur Integration, zur Teilhabe am neuen Leben auch in diesem Bereich nicht mehr allzu viel übrig". Was Liebe sei und welche Formen von Liebe Läuterung bräuchten, erschließe sich Christen gerade "erst von der gekreuzigten Liebe her, also von diesem hochzeitlichen Hingabegeschehen, das das Herz des Neuen Bundes ist". Vieles, "was in dieser gebrochenen Welt, und damit auch in der viel beschworenen Lebenswelt der Menschen oder auch der wissenschaftlichen Analyse von Sexualität, unter dem Stichwort 'Liebe' verhandelt wird", brauche aus Sicht des Glaubens Läuterung.

Mit Blick auf die Struktur des Synodalen Wegs zweifelt Oster daran, dass die Zusammensetzung der Vollversammlung "auch den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen etwa bei solchen Katholiken in Deutschland, die einigermaßen regelmäßig am kirchlichen Leben teilnehmen", entspreche. "Die Frage der Repräsentation ist jedenfalls eine schwerwiegende, da es eine zahlenmäßig nicht leicht einzuschätzende konservative Minderheit innerhalb des Katholizismus in Deutschland gibt, die sich regelmäßig und lautstark vom Zentralkomitee distanziert – und dessen Vertretungsanspruch für sie als Laien in der Kirche in Deutschland verneint", ergänzt der Bischof. Für die konservative Minderheit in der Synodalversammlung hätte durch die Öffentlichkeit der Synodalversammlungen, die nach Osters Ansicht strategisch eingesetzt wurde, um den Druck zu erhöhen, "einschüchternde äußere Bedingungen" geherrscht. Dies widerspreche dem synodalen Verständnis von Papst Franziskus, der geschützte Räume für die Unterscheidung der Geister für eine Voraussetzung von Synodalität hält: "Der […] von Papst Franziskus betonte und als nötig erachtete 'geschützte Raum' war und ist in der Synodalversammlung zu keiner Zeit gegeben und damit war und ist es auch zu keiner Zeit eine Versammlung, die jenseits von kirchenpolitischen Agenden, Allianzen und Zielen ausschließlich an der Sache entlang diskutiert", kritisierte Oster. Vertreter der Minderheitenposition in den Synodalforen hätten sich aus der Diskussion ausgeschlossen gefühlt, "weil die Grundtextentwürfe irgendwann tatsächlich eine Grundentscheidung für eine bestimmte Richtung getroffen hatten".

Papst: Zeichen der Zeit nicht mit Zeitgeist verwechseln

Auch der Vizepräsident des Synodalen Wegs, der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding, geht in einem Beitrag in derselben Ausgabe der Zeitschrift auf die Minderheit der Synodalen ein, deren von ihnen eingebrachte alternative Grundtexte in den Foren abgelehnt wurden. Einige aus dieser Gruppe hätten sich "de facto aus der Mitarbeit verabschiedet", nachdem sie sich in Abklärungs- und Abstimmungsprozessen nicht durchsetzen konnten. Einflusslos sei diese Gruppe aber nicht. "Ihre Stimme zählt; ihre Einwände werden immer wieder erwogen und führen zu Veränderungen, so etwa im 'Orientierungstext', weil es Bedenken gab, das Lehramt sei in einer Vorversion nicht stark genug beschrieben worden, so dass jetzt seine spezifische Aufgabe, durch verbindliches Lehren der Einheit im Glauben zu dienen, klarer als vorher zum Ausdruck gebracht wird", ergänzt Söding.

In einem Geleitwort zur aktuellen Ausgabe von "Communio" betont Papst Franziskus, dass die Kirche "hellhörig und aufmerksam für die Zeichen der Zeit" sein wolle, "wohl wissend, dass diese nicht mit dem Zeitgeist zu verwechseln sind", ohne auf den Synodalen Weg im besonderen einzugehen. "Uns trägt die Sehnsucht nach einer geistlich erneuerten Kirche. Wir wollen keinen Bruch, sondern einen geistlichen Aufbruch", erläutert der Papst sein Verständnis des Ziels synodaler Weggemeinschaft. (fxn)