Die Kunst der Inszenierung: Erhält Becciu die Kardinalswürde zurück?
Vatikanische Informationspolitik folgt eigenen Regeln. Mal informiert der Vatikan bis ins kleinste Detail über Ereignisse, etwa auf Papstreisen. Mal überrascht eine vatikanische Veröffentlichung selbst Kurienmitarbeiter, wie unlängst bei der Kurienreform. Mal warten alle gespannt auf ein Ereignis und der Vatikan lässt ein Spekulationsvakuum entstehen. So bei der Ankündigung der Kardinalsversammlung mit der Kreierung neuer Kardinäle und zwei darauf folgenden Beratungstagen Ende August. Und dann gibt es Menschen, die ein solches Vakuum für sich nutzen: So auch der abgesetzte Kurienkardinal Giovanni Angelo Becciu.
Am vergangenen Wochenende erklärte der gebürtige Sarde laut Medienberichten bei einer Messe im sardischen Golfo Aranci, Papst Franziskus habe ihn telefonisch zum Konsistorium eingeladen. In einer sardischen Zeitung wurde Becciu gar mit den Worten zitiert: "Ich habe eine gute Nachricht erhalten: Papst Franziskus hat mich am Samstag angerufen, um mir mitzuteilen, dass ich wieder in mein Amt als Kardinal eingesetzt werde." Die Nachricht wurde im Spekulationsvakuum zu einem Selbstläufer.
Vor zwei Jahren ohne Begründung vom Amt entbunden
Vor gut zwei Jahren hatte Papst Franziskus den Kurienkardinal plötzlich und ohne Begründung vom Amt als Präfekt der Heiligsprechungskongregation entbunden. Weiter nahm er, so die vatikanische Erklärung damals, Beccius Verzicht auf "die mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte" an. Der 74-Jährige, lange Zeit ein enger Vertrauter des Papstes, darf kein Kurienamt ausüben und dürfte auch nicht mehr an einer Papstwahl teilnehmen.
Der Grund für diesen päpstlichen Blitzschlag liegt in Beccius langjähriger Tätigkeit als Substitut, kurz zweiter Mann, im Staatssekretariat. Becciu muss sich seit rund einem Jahr vor dem Vatikangericht verantworten. Ihm werden Amtsmissbrauch, Veruntreuung und Verleitung zur Falschaussage vorgeworfen. Es geht um finanzielle Unregelmäßigkeiten rund um einen Londoner Immobiliendeal. In der Folge verlor der Vatikan Millionen. Und bei Überweisungen in seine Heimat und an die von seinem Bruder geleitete örtliche Caritas dort soll es Becciu mit den Regeln nicht so genau genommen haben, so der Vorwurf. Der Kardinal beteuert seine Unschuld – und seine Nähe zum Papst.
Der Geistliche versteht es, die mediale Klaviatur zu bespielen. Immer wieder schafft er es mit fast beiläufigen Aussagen, im Prozess oder vor einer Gemeinde, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Worüber sollte derzeit sonst berichtet werden. Alle warten, kaum einer weiß etwas. Zumal der Vatikan die Behauptungen von Becciu offiziell unkommentiert lässt. Ob Becciu an der Kardinalsversammlung zur neuen Kurienreform und eventuell bereits an der Erhebung neuer Kardinäle zwei Tage zuvor teilnehmen wird, wird sich erst dort zeigen.
Aber selbst eine Teilnahme Beccius könnte vergleichsweise wenig bedeuten. So zitiert die Zeitung "Crux" einen Vatikaninsider, der erklärt, dass eine Einladung nicht mit einer "Rehabilitation" als Kardinal und einer Rückgabe der Rechte und Privilegien gleichzusetzen sei. Ein Anwalt der sardischen Diözese wird mit den Worten zitiert, dass es eine Einladung an Becciu gebe.
"Ich hoffe von ganzem Herzen, dass er unschuldig ist"
Am Wochenende steht auch das Jubiläum zur Priesterweihe Beccius vor 50 Jahren an. Es könnte also eine kleine freundliche Geste von Franziskus sein – immerhin, aber auch nicht mehr als das. Oder vielleicht erhält Becciu doch seine komplette Kardinalswürde zurück. Denn Franziskus hatte noch vor wenigen Monaten in einem Interview mit dem spanischen Radiosender Cope betont: "Ich hoffe von ganzem Herzen, dass er unschuldig ist."
Im April 2021 soll Becciu Franziskus im Vatikan getroffen haben. Ob es weitere Treffen gab, ist unklar. Wenn man dem vor Gericht oft lächelnden und ziemlich gesprächigen Sarden glauben schenkt, ist die Beziehung der beiden weiterhin eng und ungetrübt. Bei seiner Befragung im Gerichtssaal führte er über Stunden alle Details seiner Tätigkeiten, der Zuständigkeiten anderer Mitarbeiter und die große Bedeutung des Vertrauens in der Kurie aus. Doch der Vatikan lässt Aussagen Beccius meist unkommentiert – so auch die über eine angeblich vom Papst genehmigte Lösegeldzahlung von einer Million Euro an islamistische Entführer. In die Medien schafft es Becciu mit solchen Aufsehen erregenden Aussagen immer wieder.