Interventionsbeauftragter verlangt Missbrauchsaufarbeitung bei Caritas
Der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, Peter Frings, fordert die Caritas zur Aufarbeitung von Missbrauch auf. Er habe dem Vorstand des Diözesancaritasverbandes Münster und dem Direktor des Landescaritasverbandes Oldenburg in einem Brief deutlich gemacht, was er und Bischof Felix Genn erwarteten, sagte Frings dem Online-Portal "kirche-und-leben.de" (Freitag). "Bis zum Jahresende muss das Ganze in der Caritas-Landschaft intensiv zum Thema gemacht werden – intern und nach außen. Es sollen sich Betroffene melden können, sie müssen dazu proaktiv ermutigt werden. Es darf keine Einrichtung mehr geben, die sagt: Dieses Thema gibt es nicht bei uns", verlangte Frings.
Er und das Bistum hätten Hinweise zu Missbrauch in Einrichtungen des katholischen Sozialverbands bekommen, erklärte der Interventionsbeauftragte. Caritas-Häuser kämen auch in einer Aufarbeitungsstudie vor, die die Universität Münster im Auftrag des Bistums erstellt hat. Zudem habe es bereits Anerkennungszahlungen an Missbrauchsbetroffene gegeben, die Opfer von Erziehenden, Pflegekräften und Betreuern geworden waren.
"Ich wehre mich dagegen, dass Missbrauch in allen Bereichen der Gesellschaft stattgefunden haben soll, aber nicht in Behinderten-, Jugendhilfe- und Altenhilfe-Einrichtungen oder Krankenhäusern der Caritas", sagte Frings. In den Einrichtungen müsse es zum Beispiel flächendeckend Ansprechpartner für Betroffene geben. Der Sozialverband dürfe nicht den Fehler machen, "zu vertuschen und reinzuwaschen, wie es die Kirche lange Zeit gemacht hat".
Caritas reagiert
Forschende der Universität Münster stellten Mitte Juni ihre Missbrauchsstudie vor. Darin werfen sie den früheren Bischöfen Michael Keller (Amtszeit 1947-1961), Joseph Höffner (1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) vor, Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen gemacht zu haben. So hätten die Bischöfe verurteilte Geistliche immer wieder in der Seelsorge eingesetzt und damit weitere Taten ermöglicht. Sie seien daher für eine "klerikale Vertuschungsgeschichte" verantwortlich.
Sexuelle Übergriffe an Kindern soll es der Untersuchung zufolge unter anderem in den 1950er-Jahren auch im Vinzenzwerk in Münster-Handorf gegeben haben, das heute zur Caritas gehört. Die Vorwürfe gegen einen dort tätigen Geistlichen wurden erstmals 2010 bekannt. Es sei aber nur dieser Einzelfall beleuchtet worden, sagte Frings, der damals Vorsitzender der Jugendhilfeeinrichtung war. Eine umfassende Aufarbeitung habe es nicht gegeben. "Auch die Frage, ob das, was damals in Handorf passiert ist, woanders auch passiert sein könnte, hat man an anderer Stelle meines Wissens nie gestellt", beklagte der Experte. "Ich muss jetzt Schritte einfordern."
Nach der Aufforderung rief die Caritas im Bistum Münster am Freitag Betroffene von Missbrauch, Angehörige und Mitwissende auf, sich zu melden. "Wir möchten den Menschen, die von uns betreut werden oder wurden, die Möglichkeit zum Gespräch eröffnen", sagte Caritasdirektor Dominique Hopfenzitz. Der Verband wolle Ursachen von sexualisierter Gewalt erkennen, um sie künftig zu verhindern. Laut Hopfenzitz soll es in Zukunft niedrigschwellige Meldeangebote in allen Caritas-Einrichtungen geben. Die Häuser hätten bereits "wichtige und umfangreiche Schritte" zur Vorbeugung von Missbrauch gemacht. Unstrittig sei jedoch, dass sich alle Träger umfassender mit ihrer Geschichte auseinandersetzen müssten – "nicht nur wie bislang im Rahmen von gemeldeten Einzelfällen". (tmg/KNA)
9.9, 16:45 Uhr: Ergänzt um Reaktion der Caritas.
Kontakt
Betroffene, Angehörige und Zeugen können sich an die Ansprechpersonen der Caritas im Bistum Münster wenden: Annika Fiege, 0251-8901380, fiege@caritas-muenster.de; Carsten Feltkamp, 0251-8901303, feltkamp@caritas-muenster.de.