Vierte Synodalversammlung: Ringen um Beschlüsse – und den Zeitplan
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann brachte es während der Debatte auf den Punkt: Es hänge entscheidend von diesem Text ab, wie es mit dem Synodalen Weg in Deutschland weitergeht. Wohl auch deshalb wurde die Zweite Lesung des Handlungstext des Machtforums, der die Einrichtung eines "Synodalen Ausschusses" vorsieht, kurzfristig an den Beginn der Beratungen am letzten Tag der vierten Synodalversammlung gesetzt. Denn dieser Ausschuss soll einen "Synodalen Rat" der Bischöfe und Laien vorbereiten – und damit ein neues, kollegiales Leitungsorgan der katholischen Kirche in Deutschland, das den Synodalen Weg verstetigen soll. Bischöfe, Priester und Laien werden darin künftig gemeinsam über kirchliche Grundsatzfragen und über die Verwendung von Finanzmitteln beraten und entscheiden.
Ein nicht unheikles Unterfangen, schließlich hatte der Vatikan Ende Juli die Kirche in Deutschland noch gewarnt, neue Formen der Leitung zu schaffen. Über zwei Drittel der Synodalen – und auch über zwei Drittel der Bischöfe – haben sich davon offenbar nicht aufhalten lassen: Der Text wurde mit den nötigen Mehrheiten verabschiedet. Vertreter des Machtforums machten klar, dass das Votum erst einmal die Frage nach dem "Ob" verstetigter Synodalität beantwortet, nicht aber die nach dem "Wie". Viele Fragen bis zur Einrichtung des "Synodalen Rates" sind daher noch zu klären – ebenso wie der konkrete Zeitplan.
Fortgang stand auf der Kippe
Mit dem Beschluss zum Synodalrat konnte am letzten Tag der Vollversammlung ein weiteres entscheidendes Papier final beschlossen werden – genauso wie tags zuvor der Grundtext zu Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche und zwei Handlungstexte aus dem Forum zur Sexualmoral, unter anderem zu einer Neubewertung der Homosexualität. Damit wurde diese vierte Synodalversammlung mindestens noch zu einem Teilerfolg. Das war nach dem Eröffnungstag allerdings alles andere als sicher. Nach der an der Sperrminorität der Bischöfe gescheiterten Abstimmung über den Grundtext zur kirchlichen Sexualmoral stand sogar ein Scheitern des ganzen Prozesses im Raum. Dazu kam es zwar nicht. Doch es bleibt das Fazit, dass der Synodale Weg in einem für die Synodalen außerordentlich wichtigen Thema kein Grundlagenpapier verabschieden konnte – die Enttäuschung darüber wird nachhaltig bleiben.
Der Schock des ersten Tages sei notwendig gewesen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing. Dieser Schock sei aber nicht in erster Linie dadurch entstanden, dass der Text nicht die erforderliche Mehrheit der Bischöfe erhalten habe – sondern dadurch, dass die Position der Bischöfe durch die Beratungen im Vorfeld nicht erkenntlich war. Denn ein Großteil der Oberhirten, die schließlich gegen das Papier stimmten, hatten sich laut zahlreicher Synodaler – darunter auch Bätzing und die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp – offenbar nicht an den Instrumenten des Synodalen Wegs beteiligt: nicht an der Arbeit in den Foren, den Hearings oder bei den Beratungen auf den vergangenen Synodalversammlungen.
Für die folgenden Debatten wurde daraufhin die erlaubte Redezeit verdoppelt. Diejenigen Bischöfe, die bei den Texten Bedenken hatten, konnten diese ausführlicher und differenzierter vorbringen. Es entstand eine ernsthafte inhaltliche Debatte, in deren Verlauf sich einzelne Meinungen offenbar änderten. Vielleicht sorgten aber auch kurze interne Aussprachen für einen Umschwung, zu denen Bätzing seine bischöflichen Mitbrüder unmittelbar vor den weiteren entscheidenden Abstimmungen gebeten hatte.
Klarstellungen in den Texten nötig
Damit die Beschlüsse zustande kamen, mussten besonders die Laien und andere "Nicht-Bischöfe" auch Kompromisse eingehen. So brachten die Bischöfe beim Grundtext zum Frauenforum den Änderungsantrag ein, die Bitte an den Papst, die Argumente zum Weiheausschluss von Frauen neu zu prüfen, direkt an den Anfang zu stellen, sozusagen als Präambel. Das fand in der Versammlung eine Mehrheit. Und auch beim Text zur Einführung des "Synodalen Rates" wurde deutlich gemacht, dass dieser wie die Synodalversammlung keine rechtlich bindenden Beschlüsse fassen könne.
Was während der gesamten Synodalversammlung aber immer deutlicher wurde: Die deutschen Bischöfe haben nicht annähernd eine einheitliche Linie. So warnte eine Minderheit von Bischöfen in den Debatten immer wieder vor einem Bruch mit der geltenden Lehre. Einige würdigten zwar Teile der Texte, betonten jedoch, diesen in Gänze nicht zustimmen zu können. Bischof Bätzing selbst räumte ein, dass es "divergierende Voten in wichtigen Fragen der Theologie und der Weiterentwicklung der Lehre" gebe. Bei manchen Bischöfen scheint es schwer vorstellbar, dass sie Beschlüsse des Synodalen Wegs, die sie in ihren Diözesen umsetzen können, auch tatsächlich in Kraft setzen. Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke warf sogar die Frage auf, ob er mit seiner "Minderheitsmeinung" überhaupt noch einen Platz auf dem Synodalem Weg habe.
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Ein weiteres großes Thema des Synodalen Wegs war und ist der Faktor Zeit. Wegen der bewusst länger gehaltenen Debatten konnten von den 14 geplanten Texten nur acht besprochen, von den neun zur finalen Abstimmung vorgesehen nur vier beschlossen werden. Am Samstag musste das Programm zudem mehrfach gekürzt werden. Am Nachmittag wurden dafür dann eilig noch drei Handlungstexte in Erster Lesung beschlossen, bei zwei weiteren in Erster Lesung angesetzten kam es dazu allerdings nicht mehr. Auch die eigentlich vorgesehene finale Beratung und Abstimmung über den Grundtext zum Forum "Priesterliche Existenz heute" kam aus Zeitgründen nicht zustande. Das warf bei den Synodalen die Frage auf, wie es nun weitergehen soll – schließlich soll die kommende Synodalversammlung im März 2023 die fünfte und letzte sein.
Eine Verlängerung des Reformprozesses schloss Bätzing kategorisch aus. Man werde aber schon bald organisatorisch klären, wie man mit diesem "Stau" umgehen soll. Eine Variante wäre, diese Texte in den "Synodalen Ausschuss" oder "Synodalen Rat" hineinzugeben. Doch wegen des ungewissen Zeitplans bezüglich seiner Einrichtung zeigen sich viele Synodale damit nicht einverstanden. Als möglicher Starttermin stand das Jahr 2026 im Raum.
Entscheidungen mit "Signalwirkung"
ZdK-Präsidentin Stetter-Karp sprach zum Abschluss von einer "kräftezehrende Synodalversammlung", in der man trotz der anfänglichen Enttäuschung viel geschafft habe. Bischof Bätzing betonte, die Versammlung habe richtungsweisende Entscheidungen getroffen, "die eine Signalwirkung für Menschen haben, die sich noch mit der Kirche verbunden fühlen".
Die beschlossenen Papiere sollen nun auf vielen Kanälen in die weltkirchliche Debatte eingebracht werden. Man fahre mehrfach "mit gepackten Koffern" nach Rom, sagte Bätzing. Zwei Texte, die die Versammlung beschlossen hat, wenden sich gewissermaßen direkt an den Papst: Neben dem Grundtext zum Frauenforum ist das der Handlungstext zur Neubewertung der Homosexualität mit der Bitte um Streichung der entsprechenden Passagen im Katechismus. Vieles, was sich eine Mehrheit der Synodalen und Gläubigen in Deutschland an Reformen erhofft, liegt also ab jetzt nicht mehr in der Hand des Synodalen Wegs – darüber sind sich die meisten auch im Klaren. Ob die Papiere an den entscheidenden Stellen allerdings auch aufgegriffen werden, ist eine andere Frage. Doch zumindest sind sich die meisten Synodalen sicher, dass sie ein vielbeachtetet Zeichen setzen. Das soll, so ihr Wunsch, auch bei der fünften Synodalversammlung der Fall sein – sofern die Zeit für die weiteren wichtigen Beschlüsse ausreicht.