40 Prozent der Befragten für assistierten Suizid in kirchlichen Einrichtungen

Umfrage: Auch unter Katholiken gibt es Bereitschaft zu Suizidbeihilfe

Veröffentlicht am 14.09.2022 um 18:17 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ Die kirchliche Meinung zur Suizidbeihilfe ist klar: Sie lehnt die assistierte Selbsttötung entschieden ab. Eine Umfrage im Bistum Essen hat nun ergeben, dass viele Mitarbeiter katholischer Einrichtungen dennoch Beihilfe zum Suizid leisten würden.

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Auch viele Mitarbeiter katholischer Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen können sich vorstellen, Beihilfe zum Suizid zu leisten. Das legt eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage im Bistum Essen nahe. Der Medizinethiker Florian Jeserich hat dazu 300 Fachkräfte aus katholischen Einrichtungen des Gesundheitswesens befragt, wie das Bistum berichtete. Die Mehrheit der Befragten, nämlich 40 Prozent, hält Suizidbeihilfe in katholischen Einrichtungen demnach für möglich.

Eine kleinere Gruppe von 15 Prozent empfindet es laut Jeserich sogar für christlich geboten, Suizidassistenz in christlichen Einrichtungen zu ermöglichen. Weitere 30 Prozent können sich eine Beihilfe zum Suizid in Ausnahmefällen vorstellen. 10 Prozent der Befragten lehnen Suizidhilfe in christlichen Zusammenhängen prinzipiell ab. Die restlichen 5 Prozent sind unentschlossen.

Jeserich betonte, die von den Befragten am häufigsten genannte Befürchtung sei, dass sich Menschen für einen assistierten Suizid entscheiden könnten, die ihren Angehörigen oder der Gesellschaft nicht zur Last fallen wollen. Das stärkste Argument für Suizidassistenz stelle die Auffassung dar, dass selbstbestimmtes Sterben ein zu schützendes Persönlichkeitsrecht sei.

Kirche solle sich von ethischen Argumenten überzeugen lassen

Die Befragten nannten zugleich deutliche Erwartungen an die Kirchen. Sie stünden zusammen mit dem Staat in der Verantwortung, eine bessere Suizidprävention aufzubauen. "Über die Hälfte der Befragten wünscht sich, dass die Kirchen einen ergebnisoffenen ethischen Diskurs führen, der auch die Möglichkeit einer Prüfung oder Veränderung bisheriger Positionen einschließt", so Jeserich.

Viele Menschen erwarteten, dass kirchliche Akteure Gegenpositionen prüften und sich gegebenenfalls von Argumenten überzeugen ließen. "Wenn eine Haltungsänderung auf individueller Ebene prinzipiell ausgeschlossen ist, wird dies als Gesprächsverweigerung erlebt", so der Medizinethiker. "Die Tradition der Kirche anzuführen, wird als hinreichende Begründung nicht mehr akzeptiert. Die Menschen wollen argumentativ angesprochen werden."

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid gekippt und ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert - und zwar unabhängig von Alter oder Krankheit. Zugleich legten die Richter dem Gesetzgeber nahe, Missbrauch durch Schutzkonzepte zu verhindern. Mitte Juni debattierte der Bundestag in Erster Lesung über drei Gesetzesentwürfe, die nun in den Fachausschüssen weiter beraten werden. Im Raum der Kirchen wird darüber diskutiert, ob Suizidbeihilfe in christlichen Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern geduldet werden soll. Aus der evangelischen Kirche kommen dazu unterschiedliche Positionen, während die katholischen Bischöfe ein eindeutiges Nein signalisieren. (KNA)