Kulturkampf ist kein Beitrag zum Lebensschutz
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Jedes menschliche Leben ist wertvoll, vom Beginn bis zum Ende. Die Menschenwürde zu achten und zu verteidigen, ist Aufgabe des Staates und steht zugleich im Zentrum der christlichen Botschaft.
Dieser Aussage würden vermutlich auch alle zustimmen, die am Samstag unter dem Motto "Marsch für das Leben" in Berlin gegen die Gesetzgebung zu Abtreibung und Sterbehilfe protestiert haben. Und trotzdem sind diese Demonstration und andere Aktionen, die der "Bundesverband Lebensrecht" verantwortet, in den christlichen Kirchen umstritten. Nicht nur, weil seit Jahren Vertreter:innen rechtsradikaler Parteien an dem Marsch teilnehmen. Nicht nur, weil auch an diesem Samstag wieder Parolen wie "Babycaust" zu lesen waren, die eine Verharmlosung der Shoa darstellen.
All das ist inakzeptabel und wird jedes Jahr von den Veranstalter:innen in routinierten Distanzierungen zurückgewiesen. Dazu kommt, dass es eine große inhaltliche Schnittmenge zwischen der "Lebensschützer"-Szene und anderen Bewegungen gibt, die gegen alles zu Felde ziehen, was in ihren Augen die vermeintliche Verkommenheit westlicher Gesellschaften auszeichnet. Dazu gehört der angebliche "Genderwahn" ebenso wie die "Ehe für alle", das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ebenso wie queere Lebensweisen und die Infragestellung eines überkommenen binären Geschlechtersystems.
Wer am "Marsch für das Leben" teilnimmt oder Grußworte beisteuert, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er sich dadurch nicht zum Teil einer antiliberalen Kulturkampf-Inszenierung macht, die längst über Deutschland hinausreicht. Zu Beginn des Marsches in Berlin wurden Holzkreuze verteilt. Ein Ritual, das nicht nur an Pegida-Zeiten erinnert. Am gleichen Tag zogen Gegendemonstrant:innen in Belgrad mit Holzkreuzen gegen den "Europride", die europäische Kundgebung für queere Rechte in den Kampf.
Das Kreuz taugt nicht als Waffe, und Kulturkampf ist kein Beitrag zum Lebensschutz. Und wer für sich beansprucht, die Menschenwürde zu verteidigen, gleichzeitig aber Ideologien propagiert, die Frauen oder queere Menschen diskriminieren, ist unglaubwürdig.
Der Autor
Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.