Der vergessene Einsatz
Ebenso regelt sie nicht das Zusammenleben zwischen den muslimischen Kosovo-Albanern und den orthodoxen Serben. Aufgaben für die internationalen Truppen der "Kosovo Force" (KFOR) gibt es auch nach 14 Jahren Einsatz genug. Auch für die deutschen Soldaten.
Kosovo. Da war doch was. Während Deutschland auf die Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan, am Horn von Afrika oder in Mali schaut, ist das Balkan-Land aus dem Blick geraten. Doch noch immer sind rund 900 deutsche Soldaten im Land: im Feldlager Prizren, im KFOR-Hauptquartier in Pristina sowie im Nordkosovo, dessen serbische Mehrheit seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 quasi eigenständig, nach Serbien ausgerichtet, agiert.
"Es ist wichtig, den Menschen in Deutschland klar zu machen, was die deutschen Soldaten hier tun", sagt Militärbischof Franz-Josef Overbeck. "Auch wenn der Konflikt in unserer Gesellschaft nicht mehr präsent ist, ist er weiterhin akut."
Drei Tage hat der Bischof von Essen jetzt die Bundeswehr im Kosovo besucht – nicht nur die Männer und Frauen, die im Feldlager Prizren logistisch tätig sind und ein Lazarett betreiben, sondern auch die, die im Nordkosovo an vorderster Stelle stehen und eingreifen, falls Unruhen ausbrechen oder Barrikaden errichtet werden.
Letzte Schießerei im Sommer
Noch im Sommer des vergangenen Jahres kam es im Norden zu einem Schusswechsel zwischen serbischen Aufrührern und der Bundeswehr. Handgranaten flogen in Richtung der Deutschen, zwei Soldaten wurden verletzt. Vor allem im Nordkosovo könne die Lage jederzeit eskalieren, erläutern Bundeswehrvertreter Bischof Overbeck vor Ort.
"Für das Kosovo ist nur eine politische Lösung möglich", sagt Oberst Ewald Nau, aktueller Kommandeur der deutschen Truppen in Prizren. Die KFOR unterstütze diese. "Die Soldaten sind motiviert und wissen genau, was sie machen." Dennoch könne man von einem vergessenen Einsatz sprechen, fügt Nau hinzu. Afghanistan bestimme die Berichterstattung.
Allerdings müsse das nicht zwingend als Beleidigung verstanden werden, so Nau weiter. Dass man in der deutschen Presse nur wenig aus dem Kosovo höre, liege daran, dass wenig passiere. Man habe hier die nächste Stufe der Deeskalation erreicht.
Von einem "Land der Übergänge" spricht wiederum Bischof Overbeck in einem Gottesdienst mit Soldaten. Der Kosovo sei ein "wunderbares Land mit derzeit leider wenigen Perspektiven". Zwar sei schon viel im Land passiert, "aber wenn sich Menschen über Generationen hassen, ist das nicht in ein paar Jahren geregelt", sagt Overbeck. Die Bundeswehr hier sei "eine gut aufgestellte Truppe", deren Anerkennung in der Heimat wichtig sei.
"Die Probleme der ganzen Welt"
Die Frage, wann die Bundeswehr abzieht, möchte und kann kein deutscher Soldat beantworten. Erst in der vergangenen Woche sind Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo über ein Abkommen zwischen beiden Ländern gescheitert.
"Manchmal bin ich erschrocken, wie wenig bisher im Kosovo passiert ist", sagt Pfarrer Joachim Simon. Regelmäßig besucht der leitende Militärdekan des Katholischen Militärbischofsamts die Seelsorger in den deutschen Stützpunkten auf der ganzen Welt. Im Kosovo war er schon oft. "Als wir 1999 gekommen sind, dachte ich, dass die internationalen Truppen vielleicht zwei Jahre bleiben", sagt Simon. Einheimische hätten ihm damals gesagt, dass es mindestens 50 Jahre brauche, bis Frieden herrsche. Fragt man die Soldaten, so hört man nicht selten die Ansicht, dass im Kosovo erst Ruhe herrscht, wenn die serbische Bevölkerung weggezogen ist oder der Norden des Landes an Serbien abgetreten wird.
Das Land habe ein großes Potenzial, gerade wenn man auf die Jugend baue, sagt Pfarrer Simon. Der Einsatz der KFOR habe seiner Ansicht nach schon einiges gebracht. Für Militärbischof Overbeck ist die ethische Perspektive des Einsatzes von großer Bedeutung, um zwischen den Kulturen und Religionen ein Auskommen zu erreichen. "Die Mission im Kosovo hat einen klaren politischen und friedensstiftenden Charakter", sagt er. "Ich bin von ihr überzeugt."
Das Klima in Deutschland gegenüber Bundeswehreinsätzen müsse sich ändern, so Overbeck weiter: "Die Probleme in Afghanistan oder im Kosovo sind die Probleme der ganzen Welt."
Von Christoph Meurer