"Geliebte" des Papstes: Clemens II. stand zu seiner Liebe zu Bamberg
"Kein Gatte hegte für seine Gattin reinere Treue und glühendere Liebe als Wir für Dich. Niemals ist es Uns in den Sinn gekommen, Dich zu verlassen und einer anderen anzuhangen", schreibt Papst Clemens II. am 24. September 1047 – seiner "Frau". Aus seinem Brief geht hervor: Das Paar war unfreiwillig getrennt worden. Als er ein Jahr zuvor römischer Bischof wurde, musste Suidger – so hieß Clemens II. bis er Papst wurde – seine "süße Braut" Bamberg, seine Diözese, verlassen. Bis zu diesem Tag führten sie, so berichtet er es, ein zufriedenes, beschauliches Leben. Doch zunehmend überschreite sein Kummer alle Maße, bekennt der Pontifex auf dem päpstlichen Totenbett. Und auch jetzt, wo ihn über tausend Kilometer von seiner Herzensfrau trennten, gibt er freimütig zu: "Weder die so große Entfernung der Länder noch die so zahlreichen Hindernisse halten Unser inneres Auge ab, Dich, Unsere Freundin, mit umso größerer Liebe und Sorge zu betrachten und Dich von allen Seiten mit Schutz zu umgeben." Ist dieser päpstliche Freimut nicht schon pikant genug, so gibt der Kirchenmann unverhohlen zu, nun mit der Mutter seiner Gattin zusammenzuleben. Obwohl es ihm niemals in den Sinn gekommen sei, seine "über alles geliebte Ehefrau" zu verlassen, habe der göttliche Ratschluss etwas anderes vorgesehen: Er sei gerufen worden, sich um seine schwer erkrankte und hilfsbedürftige Schwiegermutter zu kümmern. Seine Pflicht sei es aber für beide zu sorgen. Für seine geliebte Frau Bamberg und deren Mutter Rom.
"Der Papst legt quasi öffentlich Beichte ab, weil er sich zumindest gegenüber seiner Kirche von Bamberg als schuldig betrachtete", ordnet Georg Gresser das außergewöhnliche Schreiben ein. Er lehrt Kirchengeschichte an der Kölner Hochschule für Theologie und hat sich intensiv mit Clemens II. beschäftigt. Auffallend sei, dass Clemens keine sorgfältig durchdachte und auf alle möglichen juristischen Winkelzüge hin überarbeitete Verteidigungsrede für seinen verbotenen Wechsel von Bamberg nach Rom diktiere, sondern er viel mehr eine Entschuldigungsrede an die in der Heimat Verbliebenen verfasse. Damit wolle der Pontifex deutlich machen, dass er den Rechtsbruch so auch nicht geplant habe. So war es auch: Als der damalige König Heinrich III. sich in Rom zum Kaiser krönen lassen will, ist das Papsttum noch ein Spielball des römischen Adels; drei Päpste amtieren gleichzeitig. Um von einem würdigen Stellvertreter Christi geweiht zu werden, setzte Heinrich bei einer Synode kurz vor Weihnachten 1046 alle drei Päpste ab und lässt einen neuen wählen: Bischof Suidger von Bamberg. Erst nach seinem Tod kam Suidger zurück in seine Bischofstadt Bamberg. Der zweite deutsche Papst nach Gregor V. (996-999) ist der einzige Pontifex, der seine letzte Ruhe nördlich der Alpen fand. Er hatte testamentarisch verfügt, zu seiner großen Liebe zurückzukehren. So kann sein Grab noch heute im Bamberger Peterschor, direkt hinter der Kathedra des Bamberger Erzbischofs, besucht werden. Sein Pontifikat – und damit die Trennung von seiner Braut Bamberg – dauerte nur gut zehn Monate.
Das Verhältnis eines Bischofs zu seiner Diözese wurde lange Zeit als eine geistige Ehe inszeniert. Der Bischofsring glich einer Art Trauring – der das unverbrüchliche Band von Bischof und Diözese symbolisieren sollte. Genauso unauflöslich wie die Ehe war für Theologen das Band zwischen dem Bischof und seiner Diözese. "Wie der Ehemann nicht seine Ehefrau verlassen konnte, so konnte auch der Bischof sich nicht einfach eine andere Diözese nehmen", erklärt Gresser die dahinterstehende Idee. Da die Ehe nur mit einer Frau möglich war, konnte ein Bischof auch nur einer Diözese vorstehen. Daher erließ das Konzil von Nizäa (325) das sogenannte Translationsverbot (translatio lat.: Übertragungsverbot). Kleriker durften ihre Diözesen nicht wechseln. Wechselte ein Kleriker – auch ein Bischof – doch von einer Diözese in eine andere, beging er geistlichen Ehebruch. Hinkmar von Reims sah darin ein größeres Vergehen als im fleischlichen Ehebruch, für ihn galt: Ein Bischof, der mehr als eine Diözese "heiratet", sei wie ein Mann, der fremdgeht. Grundlage dieser Regel ist die Auslegung von 1 Tim 3,2. In diesem Brief schreibt Paulus, dass ein Bischof nur mit einer Frau verheiratet sein dürfe. Man übertrug diesen Vers auf die zölibatäre Lebensweise von Klerikern und war überzeugt: ein Bischof könne nur einer einzigen Domkirche vorstehen.
Bamberg und andere "Bischofsbräute"
Was heute amüsiert, wurde schon damals nicht selten ignoriert. Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat viele solcher Fälle gesammelt. Oftmals war man sich dieses Gesetzesbruches bewusst und störte sich aber nicht weiter daran. In manchen Chroniken wird solch geistlicher Ehebruch in einem Nebensatz abgehandelt. Beispielsweise bei Papst Marinus (882-884). Die Chronisten schreiben über ihn: "Marinus, vorher Bischof, ist gegen die kirchenrechtlichen Vorschriften gewählt worden." Damit war die Sache erledigt. Es geht aber auch anders: Nicht selten führte der Diözesenwechsel zu episkopalen Gewissensbissen und illustren Versuchen der Problemlösung wie bei Clemens II. Er versucht seinen Wechsel von Bamberg nach Rom im Brief mit der Ausweitung und Vergrößerung der eigenen Sorge zu rechtfertigen. In Rom könne er für Bamberg und den Rest der Welt sorgen. Anderen Bischofs-"Bräuten" erging es aber deutlich schlechter als Bamberg.
981 ging es beispielsweise dem Bistum Merseburg an den Kragen. Gegründet 968, wurde es 13 Jahre später schon wieder aufgelöst, denn der Merseburger Bischof Giselher sollte Erzbischof von Magdeburg werden. Das Problem ist klar: Als Bischof von Merseburg war er durch das geistliche Eheband mit dem Bistum Merseburg verbandelt. Die einzige Lösung aus diesem Eheproblem: Der Tod der Ehefrau. Also wurde das Bistum Merseburg kurzerhand aufgelöst, Giselher war wieder "heiratsfähig" und wurde sodann Bischof von Magdeburg. Nachdem Giselher (jetzt!) von Magdeburg 1004 gestorben war, errichtete Heinrich II. das Bistum neu – es folgten 41 Bischöfe bis zum reformationsbedingten und endgültigen Untergang der sächsischen Diözese 1561. Ein andernmal ging es dafür einem (schon verstorbenen Papst) an den Kragen.
Die berühmte Leichensynode von 897 kam unter anderem wegen Problemen mit dem Translationsverbot zustande. Papst Formosus hatte sich durch einige politische Entscheidungen bei Teilen des Adels und des Klerus' massiv unbeliebt gemacht. Auch sein Nach-Nachfolger Stephan VI. (896-897) zählte nicht gerade zu seinen Anhängern. Um seine eigene Bischofsweihe zu annullieren und damit seine Wahl zum römischen Pontifex zu legitimieren, ließ Stephan VI. seinen Weihespender und Vorvorgänger Formosus exhumieren, in päpstliche Gewänder hüllen, auf den Papstthron setzen und nach einem Gerichtsprozess seiner Insignien berauben und symbolisch von der Kathedra schubsen. Nachdem der Leiche die Schwurfinger der rechten Hand abgehackt worden waren, landete sie schließlich im Tiber. Dieser bizarre Schauprozess hatte zur Folge, dass alle Amtshandlungen des Formosus als ungültig galten – darunter auch Stephans Weihe. Er war nun ungebunden und konnte ohne Verstoß gegen das Translationsverbot Papst werden – dieser Aufwand war es ihm wert.
Bis ins elfte Jahrhundert war das Translationsproblem – von einigen spektakulären Ausnahmen – noch überschaubar. Wer Papst wurde, war davor zumeist kein Bischof – womit die Gefahr des diözesanen Fremdgehens schon einmal gebannt war. Viele der ersten römischen Bischöfe waren römische Kleriker, oder nicht-römische Laien, die in Rom ihre Weihe erhielten und damit auch ihrer Diözese die Treue hielten. Im elften und zwölften Jahrhundert versuchten sich die Päpste an einer anderen Lösung. Sie blieben nach ihrer Wahl zum Pontifex Bischof ihrer Heimatdiözese. "Indem der römische Stuhl mit einem anderen Bistum der Christenheit uniert wurde, sollte der Papst eben nicht mehr in erster Linie Bischof von Rom sein, sondern Repräsentant der ganzen Christenheit in ihren Teilkirchen, von denen jeweils eine den Papst stellte", erklärt Gresser.
Was ein Bischof heute mitbringen muss
Heute gelten andere Regeln. Bei der Besetzung eines Bischofsstuhles spielt die Sorge vor geistlichem Ehebruch keine Rolle mehr. Der Wechsel eines Bischofs von einer Diözese in eine andere ist die Regel. Und ein großer Teil der amtierenden Diözesanbischöfe in Deutschland kommt ursprünglich aus anderen Diözesen. Der Kandidat muss heute mindestens 35 Jahre alt sein, seit fünf Jahre Priester und theologisch gut gebildet sein – im besten Fall promoviert. Kandidaten sollen einen "untadeligen Lebenswandel führen", "urteilsfähig und klug" sein, "einen ausgeglichenen und festen Charakter besitzen" und "am rechten Glauben beharrlich festhalten". Außerdem müssen sie dem Papst und dem kirchlichen Lehramt „treu ergeben" sein und sich sehr gut in Dogmatik, Moraltheologie und Kirchenrecht auskennen. Und auch der amtierende Papst kommt nach eigener Auskunft "vom anderen Ende der Welt". Mit Blick auf die Internationalisierung des Kardinalkollegiums stehen die Chancen für weitere solcher Fälle nicht schlecht.