Theologe: Synodaler Weg müsste mehr auf Kriterium der Kompetenz setzen
Der Wiener Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger kritisiert, dass der Synodale Weg seiner Ansicht nach zu wenig auf das Kriterium der Kompetenz setze. Der Orientierungstext des Reformprozesses "geht völlig undifferenziert davon aus, dass alle getauften und gefirmten Gläubigen mit den Gaben des Heiligen Geistes reichlich beschenkt sind und folglich in Sachen des Glaubens gleichberechtigt mit allen anderen Gliedern der Kirche mitreden dürfen", schreibt Schwienhorst-Schönberger in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Tagespost". Für das Selbstverständnis und die Erfolgsgeschichte der Moderne sei jedoch das Kriterium der Kompetenz und nicht das der Zugehörigkeit entscheidend. "Soll das in geistigen und theologischen Dingen anders sein?", fragt der Theologe. Hier bleibe der Synodale Weg entgegen seinem Selbstverständnis weit hinter der Moderne zurück. So bestehe die Gefahr, dass sich nicht das bessere Argument durchsetzt, sondern jenes, "dass in einer von den Plausibilitäten einer medialen Öffentlichkeit inspirierten Mehrheit den besseren Eindruck hinterlässt".
Schwienhorst-Schönberger weist konkret auf Absatz 3 des Orientierungstextes hin, wonach die Bischöfe darauf achten müssten, "was das Volk Gottes glaubt". Deshalb, so der Text an dieser Stelle, sei es wichtig, "dass auf dem Synodalen Weg alle zu Wort kommen und mitentscheiden, nicht nur diejenigen, die in der Kirche ein leitendes Amt haben". Schwienhorst-Schönberger wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, was passiere, wenn ein Bischof den begründeten Eindruck gewinne, dass ein Mitglied des Synodalen Weges sich zwar in den weltlichen Dingen sehr gut auskenne, "aber weder theologische Kenntnisse noch Glaubenspraxis noch geistige Reife und Erfahrung mit sich bringt". Als Nicht-Mediziner käme er etwa nie auf die Idee, auf einem medizinischen Fachkongress das Recht auf Mitsprache und Mitentscheidung einzufordern.
Konzept einer "dezentrierenden Polysemie"
Kritik übt der Alttestamentler auch an der Hermeneutik des Orientierungstextes. Mit der Option für eine Hermeneutik der Vielfalt und der Vieldeutigkeit vollziehe dieser einen "raffinierten exegetischen Schachzug". Auch die aktuelle Bibelwissenschaft verwende Begriffe wie Vielfalt, um in Absetzung von der auf Eindeutigkeit hin ausgerichteten historisch-kritischen Exegese darauf hinzuweisen, dass biblische Texte nicht nur eine, sondern viele Bedeutungen haben. Der Orientierungstext folge spürbar dem Konzept einer "dezentrierenden Polysemie", also begrifflicher Mehrdeutigkeit. "Mit dem Synodalen Weg zieht der Dekonstruktivismus – auch äußerlich sichtbar an der Dekonstruktion hierarchischer Differenzen – feierlich in die katholische Kirche ein."
Generell bemängelt Schwienhorst-Schönberger den Umgang des Synodalen Wegs mit dem Thema sexueller Missbrauch. Es wäre besser gewesen, wenn sich der Prozess auf "juristisch-strukturelle Maßnahmen" zur weittesthegenden Verhinderung von künftigem Missbrauch in der Kirche beschränkt hätte. Stattdessen sei er mit einem theologischen Überbau überfrachtet, "der hinsichtlich seiner theologischen und spirituellen Konsistenz inzwischen einiges an Kritik von prominenten und kompetenten Beobachtern hat einstecken müssen". (mal)