Vorwurf sexueller Nötigung: Pfarrer freigesprochen – Kritik am Bistum
Das Amtsgericht Günzburg hat einen katholischen Pfarrer aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen. Wie die "Günzburger Zeitung" am Mittwoch berichtete, hatte eine heute 83-jährige Frau dem Geistlichen vorgeworfen, sie im Sommer 2017 nach einer Messe für ihren verstorbenen Ehemann im Pfarrhaus an der Brust gepackt, gegen einen Türrahmen gestoßen und ihr in die Genitalien gegriffen zu haben. Der hochbetagte Geistliche bestritt die ihm vorgeworfene Tat laut den Berichten im Prozess dagegen vehement. Der Richter habe schließlich in seiner Urteilsbegründung betont, dass das Gericht zwar keineswegs überzeugt sei, dass die Frau eine Lügnerin sei. Es müsse etwas vorgefallen sein. Er und seine Schöffen hätten aber keine Gewissheit und keine Beweise für die Tat.
In dem Prozess waren zuvor mehrere Zeugen gehört worden, darunter die Haushälterin des Pfarrers und der Organist der Kirchengemeinde. Beide hatten den Angaben zufolge nach der Messe noch mit der Frau und dem Pfarrer eine Brotzeit im Pfarrhaus eingenommen. Laut der Anklage verließen die Haushälterin und der Organist nach dem Essen jedoch das Haus, während der Geistliche der Witwe noch etwas in seinem Büro habe zeigen wollen. Dort sei es dann zu dem Übergriff gekommen. Die Haushälterin und der Organist äußerten sich im Prozess überzeugt, dass die Tat nicht stattgefunden habe, die Haushälterin erklärte sogar, dass sie das Pfarrhaus entgegen der Anklage gar nicht verlassen habe. Eine Polizistin, ein Klinikseelsorger und ein anderer Pfarrer sagten dagegen aus, dass sie davon überzeugt seien, dass die Frau die Wahrheit gesagt habe.
Kritisch äußerte sich der Richter zum Ende des Prozesses zur Rolle des zuständigen Bistums Augsburg. Die Diözese hatte nach eigenen Angaben im Juni von dem Strafverfahren erfahren und dem Geistlichen danach mit sofortiger Wirkung die Ausübung seiner priesterlichen Dienste untersagt. Zuvor hatte sich die 83-jährige Klägerin bereits an die Diözese gewandt, allerdings, wie sie im Prozess aussagte, ohne Erfolg. Man habe ihr, so ihre Schilderung, von einer Anzeige abgeraten, sie solle doch vergeben. Auch als sie um ein weiteres Gespräch gebeten habe, sei sie damit abgeblockt worden, dass doch alles geklärt sei. Erst daraufhin habe sie sich entschieden, zur Polizei zu gehen. Die Sichtweise der Diözese Augsburg wurde im Prozess nicht erfragt. Nach Darstellung eines Bistumssprechers hat die Frau ein Telefonat mit dem damaligen stellvertretenden Generalvikar geführt, in dem ein persönliches Gespräch vereinbart wurde, das zeitnah folgen sollte. Am Tag vor dem Termin habe die Frau das Bistum wissen lassen, dass sie die Angelegenheit doch auf sich beruhen lassen wolle. Der Richter betonte in seiner Urteilsbegründung, dass das Strafverfahren in seinen Augen hätte vermieden werden können, wenn die Diözese anders reagiert hätte. "Man hätte sich intensiver mit der Frau befassen und nicht alles zur Seite wischen dürfen. Dann hätte die Eskalation verhindert werden können", sagte der Vorsitzende. (stz)
5.10., 17 Uhr: Letzter Absatz aktualisiert.