Leiterin von neuem Domspatzen-Mädchenchor: Die Zeit war reif dafür
Seit dem Schuljahr 2022 nimmt das Gymnasium der Domspatzen in Regensburg in allen Jahrgangsstufen auch Mädchen auf. Damit kommen auch sie in den Genuss einer hochwertigen musikalischen Ausbildung bei den Domspatzen. Der Mädchenchor soll eine eigene Säule der Regensburger Dommusik bilden und genauso eine musikalische Qualität erreichen wie der Knabenchor der Regensburger Domspatzen. Elena Szuczies hat die Chorleitung übernommen. Sie erklärt im katholisch.de-Interview, welche Ziele sie sich gestezt hat und warum sie es als Leiterin eines Mädchenchores leichter hat.
Frage: Frau Szuczies, wie heißt denn Ihr neuer Mädchenchor nun, "Regensburger Domspatzinnen"?
Szuczies: Das Wort "Spatz" wird ja geschlechtsneutral verwendet. Ein Spatz kann männlich oder weiblich sein. Mit "Spatzen" sind bei uns also sowohl die Knaben als auch die Mädchen gemeint. Die Mädchen singen im Mädchenchor der Regensburger Domspatzen. Das sind zurzeit 34 junge Mädchen zwischen 10 bis 18 Jahren.
Frage: Haben Sie schon einen ersten Auftritt mit dem Mädchenchor geplant?
Szuczies: Noch haben wir keinen festen Termin, aber wir proben jeden Tag und wollen uns genauso schnell und gut entwickeln wie unser Knabenchor. Wir werden, wenn es soweit ist, regelmäßig die Liturgie im Regensburger Dom mitgestalten und wollen natürlich auch auf die Konzertbühne. Bald singt unser Knabenchor z.B. in der weltbekannten Elbphilharmonie. Nach einer Phase des Aufbaus wäre es natürlich ein Traum, dass auch unser Mädchenchor dort und an vielen weiteren Orten einmal auftritt.
Frage: Es klingt einfach schön, wenn Knaben so hoch wie Engel singen. Kann man diese Stimmenvielfalt auch mit Mädchen erreichen?
Szuczies: Natürlich. Mädchen haben wunderschöne Stimmen, die den Zuhörer gleichfalls sehr berühren können. Wir singen als Mädchenchor natürlich als reiner Oberstimmenchor mit geteilten Sopran- und Altstimmen, die durch ihre dicht beieinander liegende Lage einen sehr hellen, strahlenden Klang ergeben.
Dadurch ist auch unser Repertoire ein etwas anderes als das der Knabenchöre. Es ist meist etwas jünger und auch vielfach noch unbekannter als das für gemischte Stimmen. Das ist auch dadurch bedingt, dass man Knabenchöre früher mehr gefördert hat. Mädchenchöre sind erst viel später entstanden. Das heißt, wir haben einen traditionsbedingten Nachholbedarf, was die Singförderung für Mädchen betrifft.
Frage: Wie haben Sie die Mädchen für den Chor ausgewählt?
Szuczies: Wer gerne singt, ist bei uns richtig. Jede Bewerberin konnte sich ein Lied aussuchen, das sie vorsingen wollte. Ein Beispiel ist das bekannte und zu unserem Namen passende „Alle Vöglein sind schon da“. Danach werden einige Übungen gemacht. Also ein paar Töne vorgespielt oder gesungen und das Mädchen singt diese nach. So hören wir, ob das Gehör und Stimme der Bewerberin gut zusammen funktionieren. Grundlegend für das tägliche Arbeiten ist ebenfalls, dass die Stimme gesund ist. Wenn die Voraussetzungen passen, kann das Mädchen sich auf einen unserer Plätze für Schule und Mädchenchor bewerben. Ich habe den Eindruck, dass die Mädchen, die wir ausgewählt haben, aus ganzem Herzen dabei sind. Die meisten haben schon vorher in einem Chor gesungen und bringen somit entsprechende Erfahrungen mit. Bei den Proben merke ich, wieviel Freude sie am Singen haben, auch wenn es mal anstrengend wird. Und sie machen schnelle Fortschritte, denn unsere Musikförderung ist sehr hoch, wir proben täglich in der Gruppe und wöchentlich einzeln im Stimmbildungsunterricht.
Frage: Sind die vielen Proben gesund für so junge Stimmen?
Szuczies: Wir proben in der Regel in Blöcken von ein- bis anderthalb Stunden. Das ist ein gutes Pensum, bei dem die Stimme nicht müde wird. Zudem beinhaltet die sängerische Ausbildung im Chor und der Stimmbildung auch viel Stimmtraining, in dem der gesunde Umgang mit der Stimme erlernt wird. Das tägliche Proben ist somit einfach eine ganz intensive Förderung, in deren Genuss nun erstmals auch die Mädchen kommen. Wobei es die Mädchen in einem Punkt sogar leichter haben.
Frage: Inwiefern?
Szuczies: Bei Mädchen ist der Stimmbruch nicht so einschneidend wie bei Jungen. Jungen müssen nach dem Stimmbruch in eine ganz neue Stimmlage wechseln. Diese neue Stimmlage müssen sie komplett neu kennenlernen. Das bedeutet je nach der individuellen Entwicklung einen deutlichen Einschnitt, der in der Regel auch mit einer Chorpause einhergeht - bis die neue Stimmlage entsprechend entwickelt ist.
Da so die Zeit als Knabenstimme - im Sopran und Alt - zeitlich begrenzt ist, gibt es im Knabenchor einen gewissen Zeitdruck und einen stetigen Besetzungswechsel in den Knabenstimmen. Bei den Mädchenstimmen gibt es diesen Zeitdruck nicht. Die Mädchen haben zwar auch einen Stimmwechsel, der aber deutlich weniger einschneidend verläuft, da sich die Stimme nicht so weit absenkt. Oft können die Mädchen daher in ihrer gesamten Schul- und Chorlaufbahn in der gleichen Stimme bleiben. Das gibt die Möglichkeit einer großen Kontinuität. Ich kann im Mädchenchor also langfristiger planen auch was das Repertoire betrifft und kann einzelne Stimmen kontinuierlich aufbauen.
Frage: Sind auch gemischte Chorauftritte bei den Regensburger Domspatzen geplant?
Szuczies: Ein gemeinsamer Chor ist nicht geplant. Wir haben uns für die Geschlechtertrennung entschieden: diese erhält einerseits die über tausendjährige Knabenchortradition und ergänzt diese um einen Mädchenchor. Andererseits kommt die Trennung der stimmlichen Entwicklung der Mädchen und Jungen zugute, die in dem Alter eben mit den genannten Unterschieden verläuft. Das heißt aber nicht, dass wir nie zusammen singen: Da wir eine große Schul- und Hausgemeinschaft bilden, gibt es auch Anlässe mit allen gemeinsam zu singen, wie erst vor kurzem beim Gottesdienst zur Eröffnung des Schuljahres.
Frage: Was fasziniert Sie an der Chorarbeit mit Mädchen?
Szuczies: Ich selbst habe immer schon gerne gesungen und möchte diese Begeisterung auch weitergeben. Ich weiß, dass es auch anstrengend sein kann, wenn man mehrfach an einer Notenstelle proben muss. Aber ich spüre, wie zielstrebig die Mädchen sind und wie sie schon auf den ersten Auftritt hin fiebern. Nach den wenigen Proben, die wir bislang gehabt haben, merkt man schon, wie schnell sich ihre Stimmen entwickelt haben. Viele haben bereits in dieser kurzen Zeit ihren Stimmumfang nach oben und unten enorm erweitert. In unseren Proben können wir erleben, wie ergreifend es ist, wenn sich alle Stimmen zu einem gemeinsamen Klang vereinen. So erweitern wir Stück für Stück unsere Stimmvielfalt. Das ist ein unglaublich schönes persönliches und klangliches Erlebnis.
Frage: Welche Stücke proben Sie mit den Mädchen zurzeit ein?
Szuczies: Wir haben in der ersten Woche mit zweistimmigen Stücken begonnen und gehen nun die weiteren Schritte hin zu einer größeren Mehrstimmigkeit, die Grundlage für unser Mädchenchorrepertoire ist. Eines der Stücke, mit denen wir begonnen haben, stammt aus der Feder unseres Domkapellmeisters, Christian Heiß. Es heißt: "Singen von Gottes Wegen" und ist somit genau ein Motto für das, was wir täglich im Chor machen. Der Schwerpunkt unseres Repertoires liegt sicherlich in der klassischen, geistlichen Literatur, so singen wir z.B. auch vieles auf Latein. Aber auch Ausflüge in andere Genres, wie Volkslied, Popularmusik oder Spiritual ergänzen das Repertoire. Wir bereiten uns nun darauf vor, dass wir bald im Dom unsere Stimmen erklingen lassen können und die Menschen mir unseren Klängen berühren.
Frage: Sollte man das Singen schon bei kleinen Kindern fördern?
Szuczies: Ja, unbedingt. Das Singen gehört wie alles Kreative ganz substantiell zum Menschsein dazu. Daher entwickeln Kinder eine große Freude für das Singen und Musizieren. Wenn man dies fördert, gibt man ihnen die Chance sich auch auf diese Weise zu erleben und auszudrücken. Auch setzt man so die besten Grundlagen, um später gut zu singen. Denn: Stimme und Gehör kann man trainieren wie einen Muskel. Und dies kann jeder Mensch erlernen. Singen und Musizieren sollten also von Kindesbeinen an ganz bewusst gefördert werden. Kinder reagieren auf Töne und Rhythmus. Schon bevor die Kinder selbst singen können, saugen sie die Töne auf. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Musik, die man als Kind und Jugendlicher gehört hat, einen für das ganze Leben prägt. Daher lautet meine Empfehlung: Einfach miteinander singen und musizieren.
Frage: Hat sich das Thema "Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs bei den Regensburger Domspatzen" auch bei den Bewerbungen ausgewirkt?
Szuczies: Die Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen sind gründlich und vorbildlich aufgearbeitet worden. Für uns steht nun im Fokus, dass wir als Institution und als Mitarbeiter alles dafür tun, dass die Kinder und Jugendlichen bei uns gut behütet und aufgehoben sind und ihre Zeit bei den Domspatzen als erfüllend erleben. Dazu sind alle Mitarbeiter entsprechend geschult und haben Augen und Ohren für die Belange der Kinder offen. Auch unser erneuertes, modernes Gebäude und neue Strukturen bieten dazu die besten Voraussetzungen. Alle Mädchen und Jungen, die sich für unsere Chöre interessieren und ihre Eltern können sich davon selbst ein Bild vor Ort machen. Und da haben wir überzeugt: Wir haben sehr viele Bewerbungen für unseren neuen Mädchenchor und auch für die Knabenchöre, das hat uns sehr positiv gestimmt. So starten wir zusammen gut in das neue Kapitel "Mädchenchor".