Europarat rügt Deutschland – wo bleiben die kirchlichen Reaktionen?
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Haben Sie es mitbekommen? Vergangenen Freitag hat der Europarat Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der Istanbul-Konvention kritisiert. Es gebe hierzulande gravierende Defizite beim Schutz von Frauen vor Gewalt, teilte die Expertengruppe des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO) in ihrem ersten Bericht über Deutschland mit. Auf den Websites einiger großer Medien erschien zwar je ein Artikel, aber die große Runde hat die Meldung nicht gemacht. Ich habe nur durch Hinweise anderer Frauen auf Social Media davon mitbekommen und vermisse bis heute Reaktionen – gerne auch von kirchlichen Verbänden.
Es gibt laut Bericht zu wenige Frauenhäuser und Beratungsstellen. Diese seien sehr ungleich verteilt und fehlten in ländlichen Gegenden, und wo es sie gibt, herrschten lange Wartelisten. Beispielsweise gebe es in Berlin nur eine Beratungsstelle für Vergewaltigungsopfer – mit einer Wartezeit von im Schnitt zwei Monaten. Die Expertengruppe forderte, dass alle weiblichen Gewaltopfer kostenlosen Zugang zu speziellen Unterkünften haben sollten. Zudem müssten die Bedürfnisse besonders verletzlicher Gruppen, etwa von Frauen mit Behinderungen, geflüchteten Frauen oder queeren Menschen, berücksichtigt werden. Der Bericht rügt auch, dass gewalttätige Väter ein Sorge- oder Besuchsrecht erhielten, ohne dass ausreichend auf Sicherheitsbedenken der Frauen oder Kinder geachtet werde. Die deutsche Justiz wurde dafür kritisiert, dass sexuelle Gewalt milder beurteilt werde, wenn der Täter ein (Ex-)Partner war und für eine weiter bestehende Haltung der Täter-Opfer-Umkehr.
Alles in allem starker Tobak, der nach Reaktionen schreit. Von Bundesfrauenministerin Lisa Paus gab es eine Erklärung zu den Plänen des Ministeriums und der Juristinnenbund sieht sich in seinen Forderungen bestätigt. Ansonsten: nichts. Dabei ist Gewalt gegen Frauen ein gesamtgesellschaftliches Thema. Neben NGOs betreiben auch die Kirchen Beratungsstellen und Flüchtlingsunterkünfte; sie könnten nun die Gelegenheit nutzen, darauf aufmerksam zu machen, woran es fehlt. Außerdem gibt es zwei große katholische Frauenverbände in Deutschland. Ich hoffe, dass sie und viele weitere den Bericht aufgreifen, bevor am 25. November wieder medienwirksam Gebäude in der Farbe Orange angestrahlt werden – als Symbol für eine gewaltfreie Welt für Frauen
Die Autorin
Agathe Lukassek ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.